Weitere Fälle in DeutschlandAffenpocken: Bundesgesundheitsministerium prüft Impfungen
Die Zahl der Affenpocken-Fälle in Deutschlandland steigt weiter an. Das Virus hat nun auch Sachsen-Anhalt erreicht: im Jerichower Land ist der erste Fall einer Erkrankung nachgewiesen worden. Das RKI schätzt die Gefahr für die breite Bevölkerung allerdings als gering ein. Eine Quarantäne-Regelung für Betroffene wird bereits erarbeitet, so der Bundesgesundheitsminister. Auch über eine mögliche Verwendung eingelagerter Impfstoffe etwa für Risikogruppen wird derzeit beraten.
Nachdem an Donnerstag, den 19.05. der erste Affenpocken-Fall in Deutschland nachgewiesen wurde, ist die Zahl der bestätigten Infektionen mittlerweile (Stand 23.05.) auf vier angestiegen – davon wurden drei Erkrankungen in Berlin nachgewiesen und ein Fall in München. Das geht aus einem aktuellen Bericht des Bundesgesundheitsministeriums hervor. In dem Bericht heißt es auch, in Deutschland und Europa sei mit weiteren Fällen zu rechnen. Die Proben weiterer Personen würden derzeit noch untersucht, außerdem ermittle man Kontaktpersonen.
Betroffene sind oft Männer, die mit Männern Sex haben
Weltweit seien mittlerweile mehr als 130 Fälle nachgewiesen worden, heißt es in dem Bericht des Ministeriums: "Es handelt sich inzwischen um ein Geschehen mit internationaler Verbreitung“. Bei den in Europa nachgewiesenen Fällen habe es sich bislang ausschließlich um die westafrikanische Affenpocken-Variante gehandelt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) forderte angesichts der weltweiten Fälle eine Reihe von Maßnahmen. Es sei dringend notwendig, das Bewusstsein für die Viruserkrankung zu erhören. Betroffen von den Erkrankungen, die bislang in Europa, Nordamerika und Australien bekannt wurden, sind laut WHO hauptsächlich Männer, mit Männern Sex haben – allerdings gab es auch Infektionen bei Menschen, für die das nicht zutrifft.
RKI schätzt Gefährdung der breiten Bevölkerung als gering ein
Das Robert-Koch-Institut (RKI) hatte am vergangenen Freitag 20.05.) betont, eine Gefährdung der Gesundheit in der breiten Bevölkerung in Deutschland werde nach aktuellem Stand als gering eingeschätzt. In Großbritannien gibt es derzeit rund zwei Dutzend Affenpocken-Fälle, deshalb empfiehlt das britische Gesundheitsministerium für enge Kontaktpersonen von Infizierten drei Wochen Quarantäne. Eine ähnliche Regelung in Deutschland könte bereits am Dienstag beschlossen werden, so Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.
Affenpocken – klinischer VerlaufMenschen können sich durch den Kontakt mit infizierten Tieren oder deren Fleisch mit dem Affenpocken-Virus infizieren. Zwischen Menschen wird das Virus selten und lediglich bei engem Kontakt übertragen – beispielsweise durch Kontakt mit Körperflüssigkeiten, beim Sex. In der Frühphase kann die Krankheit möglicherweise auch Face-to-face durch ausgeschiedene Atemwegssekrete übertragen werden. Die Inkubationszeit für Affenpocken beträgt zwischen 7 und 21 Tagen. Erste Symptome der Viruserkrankung sind Fieber, Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen sowie geschwollene Lymphknoten. Einige Tage später treten Pocken auf der Haut auf, die letztlich verkrusten und abfallen. Diese "Hauteffloreszenzen“ beginnen häufig im Gesicht, aktuell wurden jedoch auch Fälle gemeldet, bei denen die Pocken zuerst im Genitalbereich auftraten.
Im Gegensatz zu den seit 1980 ausgerotteten Menschenpocken ist der Verlauf bei Affenpocken in der Regel deutlich milder, die meisten Menschen erholen sich innerhalb weniger Wochen.Quelle: Robert-Koch-Institut
In den letzten Jahren gab es immer wieder Fälle
Der Chemnitzer Infektiologe Dr. Thomas Grünewald sagte gegenüber dem MDR, er sei keineswegs überrascht, dass es nun Affenpocken-Fälle in Deutschland gebe. "In den letzten Jahren gab es immer wieder Fälle von importierten Affenpocken in Europa, im Besonderen in Großbritannien. Es gab bloß kein breites mediales Interesse für das Thema“. Das pandemische Risiko schätze er als gering ein, aber regionale Ausbrüche des Affenpocken-Virus seien möglich.
Eine Pandemie ist unwahrscheinlich
Der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit sagte im Deutschlandfunk ebenfalls, eine Pandemie sei angesichts der Eingeschränkten übertragen des Affenpocken-Virus nicht zu befürchten – allerdings sei es wichtig, dass das Virus nun gut untersucht werde, um die Übertragungswege besser zu verstehen. Der Virologe Prof. Uwe Gerd Liebert sagte bei MDR Aktuell: "Die Affenpocken im Besonderen waren in der Vergangenheit keine besondere Gefahr – weder in Afrika, wo sie herkommen – noch in anderen Teilen der Welt“. Ungewöhnlich sei allerdings, dass es derzeit vermehrt Affenpocken-Fälle gab, die ohne Kontakt zu Menschen in Afrika auftraten.
Ich rechne nicht damit, dass es hier zu einem massiven Anstieg von Infektionen kommt.
Prof. Uwe Gerd Liebert | Virologe und ehemaliger Direktor des Instituts für Virologie der Universität Leipzig
Dass es allerdings noch mehr Infektionen werden könnten in den kommenden Monaten, könne er nicht ausschließen, so Prof. Uwe Gerd Liebert. Wichtig sei auch zu beachten: "Wir sind [in Deutschland] eine Bevölkerung, die keinerlei Schutzwirkung gegenüber Pockenerkrankungen hat" – die letzten Impfungen gegen Pocken hatten hier in den 1980er-Jahren stattgefunden.
Ob nun wieder Menschen gegen Pocken geimpft werden sollten – beispielsweise enge Kontaktpersonen der Infizierten – wird derzeit diskutiert. Das Bundesgesundheitsministerium sagte dazu bislang, eine Pockenimpfung schütze "vermutlich" auch vor Affenpocken. Es werde darüber nachgedacht, "ob wir vielleicht Impfempfehlungen aussprechen müssen für besonders gefährdete Personen", erläuterte Minister Lauterbach. Dies sei noch nicht geklärt. Dazu gehöre auch zu prüfen, ob eventuell Impfstoffe beschafft werden müssten, und wenn ja wo. Er habe schon Kontakt mit einem Hersteller aufgenommen, der Impfstoffe spezifisch für die Affenpocken herstellt. Lauterbach betonte, dass eine Impfung der allgemeinen Bevölkerung hier nicht im Gespräch sei.
Links/Studien
Informationen der WHO zu Affenpocken gibt es hier.
Das RKI fasst wichtige Infos über Affenpocken auf einer Übersichtsseite zusammen.
iz/ dpa
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