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Die Affenpocken dürften sich eher nicht zu einer ähnlichen Pandemie entwickeln wie bei Corona. Bildrechte: MAGO / Christian Ohde

Nach weiterer Verbreitung in EuropaExpertin zu Affenpocken: "Dürfte besser in den Griff zu kriegen sein als Corona"

20. März 2024, 15:38 Uhr

Immer mehr Affenpocken-Fälle werden weltweit registriert und Vergleiche mit der Corona-Pandemie angestellt. Auch wenn noch vieles unklar ist über die tierischen Pocken: So schlimm wie bei Sars-CoV-2 wird es wohl nicht. Vorsicht und weitere Forschung sind dennoch angebracht, wie Forschende betonen.

Bei einem virtuellen Pressegespräch des Science Media Centers am Freitag (27.05.2022) äußerten sich Experten zum aktuellen Stand der Affenpocken-Forschung. Bisher wurden global 332 Fälle bestätigt, auch in Mitteldeutschland wurde am Montag ein erster Fall bekannt. In Kanada wurde das Virus nun bei einem Schulkind nachgewiesen, Todesfälle gab es dagegen bisher nicht. Das Robert Koch-Institut empfiehlt Infizierten eine Isolationzeit von mindestens 21 Tagen.

Erinnerungen an den Beginn der Corona-Pandemie, die ja auch noch nicht vorüber ist, werden da bei vielen wach. Zumindest was die schnelle Verbreitung wie bei Sars-CoV-2 angeht, kann Prof. Mirjam Kretzschmar von der Universitätsmedizin Utrecht leichte Entwarnung geben. "Die Affenpocken verbreiten sich langsamer als Corona und sind wohl besser in den Griff zu kriegen, wenn wir die Kontaktnachverfolgung gut bewerkstelligen", erklärt die Expertin für mathematische Krankheitsmodellierung.

Gefahr durch Entzündung aufgeplatzter Pusteln

Bisher sei der R-Wert, der angibt, wie viele weitere Menschen ein Infizierter ansteckt, laut Prof Kretzschmar bei den Affenpocken ca. 1 – bei Corona war er zwischenzeitlich deutlich höher. Allerdings handelt es sich dabei um Schätzungen, die auf Erkenntnissen aus früheren Ausbrüchen in Afrika beruhen. Da immer weniger Menschen gegen die humanen Pocken geimpft sind, könnte dieser Wert in Zukunft auch wieder steigen, so die Wissenschaftlerin. Zudem könnte sich das Virus mit der Zeit besser an den menschlichen Wirt anpassen und damit seine Übertragbarkeit steigern. Dies sei aber reine Spekulation.

Derzeit würden die Affenpocken nämlich noch häufig durch promiskuitiven Sexualkontakt übertragen, wie Prof. Clemens Wendtner von der München Klinik Schwabing erläutert: "Man kann sie schon als sexuell übertragbare Krankheit bezeichnen". Nachgewiesen wurde das Virus bisher im Blut und Sperma von Infizierten, im Urin jedoch nicht. Enger Hautkontakt ist damit für die Übertragung nötig, über Aerosole wie bei Sars-Cov-2 scheinen sich die Affenpocken bisher nicht zu verbreiten. Und auch die Verläufe zumindest in Europa seien bisher eher mild gewesen, erklärt Prof. Wendtner. Typisch sei nach einer Infektion das Entstehen von sogenannten Hauteffloreszenzen, also charakteristische Bläschen und Pusteln. Eine Gefahr besteht jedoch, wenn Bakterien nach deren Aufplatzen hineingelangen. Dann können sie sich auch entzünden und es kann im schlimmsten Fall zu einer Sepsis kommen. Ansonsten seien selten noch Erblindungen als mögliche Folgen beschrieben worden, so der Leiter der Spezialeinheit für hochansteckende lebensbedrohliche Infektionen.

Impfung wohl nur im Einzelfall sinnvoll

Zwar gebe es bei den Affenpocken bestimmte Risikogruppen, die man auch identifizieren müsse, da das Virus für die allgemeine Bevölkerung nicht besonders gefährlich sei, betont Prof. Gérard Krause vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI). Allerdings dürften diese Gruppen, etwa homosexuelle Männer, nicht stigmatisiert werden. Dies sei auch wichtig, da sonst in einzelnen Ländern die Berichterstattung dazu unterdrückt werden würde und weniger Information gesammelt werden könnten. Der Epidemiologe hat auch zur Situation in Afrika geforscht und einige Unterschiede entdeckt: So wurden die Affenpocken in Nigeria häufiger von Tieren auf den Menschen übertragen und weniger von Mensch zu Mensch. Auch sei die Sterblichkeit dort deutlich höher, auch weil das Gesundheitssystem schlechter ausgestattet ist und die Impfquoten geringer sind. Daher ließen sich nur bedingt Rückschlüsse auf Europa ziehen.

Bleibt die Frage, was sich gegen eine weitere Ausbreitung der Affenpocken machen lässt. Die Experten betonen dazu unisono, dass eine intensive Kontaktverfolgung auf internationalem Niveau die wichtigste Maßnahme sei. Ansonsten scheint auch die Impfung gegen die (viel gefährlicheren) Menschenpocken einen gewissen Schutz zu bieten – zumindest gegen schwere Verläufe liege er bei ca. 85 Prozent, wie Mirjam Kretzschmar erklärt. Eine breitflächige Impfkampagne wie bei Corona sollte es aber nicht geben, schon allein weil die Pocken-Impfung laut Clemens Wendtner deutlich schlechter verträglich ist. Daher werde auch keine Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission kommen, sondern immer Einzelfallenscheidungen getroffen, etwa bei Kontaktpersonen von Infizierten, meint Gerard Krause. Mit Tecovirimat gebe es zudem ein Medikament für Patienten mit schweren Verläufen, so Prof. Wendtner.

Wichtig sei letztlich auch, keine übertriebenen Ängste zu schüren. Denn eine Entwicklung wie bei der Corona-Pandemie ist derzeit eben nicht zu befürchten, wie es auch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) heißt. "Das ist keine Krankheit, die die Öffentlichkeit besorgt machen sollte. Es handelt sich nicht um Covid", sagte die WHO-Expertin Sylvie Briand am Freitag. "Wir haben ein gutes Zeitfenster, die Übertragung nun zu stoppen."

cdi/smc

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