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Für junge Menschen ist Alkohol immer schädlich. Bildrechte: imago images/PhotoAlto

AlkoholkonsumAlkohol gefährdet vor allem die Gesundheit junger Menschen

15. Juli 2022, 16:25 Uhr

Ob zum Anstoßen auf einer Feier oder zur Entspannung nach einem harten Tag: Der Konsum von alkoholischen Getränken ist in unserer Gesellschaft weit verbreitet. Aber was macht das mit unserem Körper? Eine neue Überblicksstudie hat jetzt gezeigt, dass Alkoholkonsum der Gesundheit von jüngeren Menschen unter 40 Jahren ausschließlich schadet. Dabei zeigen vor allem junge Männer ein problematisches Trinkverhalten. Bei einigen Menschen über 40 Jahren dagegen kann Alkohol sogar förderlich sein.

Junge Menschen haben höhere Gesundheitsrisiken durch den Konsum von Alkohol als ältere Erwachsene. Das ist ein Kernergebnis der neuen Global Burden of Disease-Analyse, die im Fachmagazin The Lancet veröffentlicht wurde. Dabei handelt es sich um eine umfangreiche Überblicksstudie mit Daten aus 204 Ländern. Es ist die erste Analyse, die das Alkoholrisiko nach geografischer Region, Alter, Geschlecht und Jahr differenziert, schreiben die Forschenden.

Junge Männer am meisten gefährdet

Die Forschenden errechneten für ihre Analyse, dass weltweit rund 1,34 Milliarden Menschen im Jahr 2020 Alkohol in gesundheitsschädlichen Mengen konsumiert haben. Davon seien 1,03 Milliarden Personen männlich gewesen – knapp 60 Prozent waren unter 40 Jahre alt.

Obwohl die mit dem Alkoholkonsum verbundenen Risiken für Männer und Frauen ähnlich sind, stachen junge Männer als die Gruppe mit dem höchsten Maß an schädlichem Alkoholkonsum hervor.

Prof. Emmanuela Gakidou, University of Washington

Besonders gefährdet für so ein Trinkverhalten seien demnach also Männer im Alter von 15 bis 39 Jahre – und zwar in allen Regionen der Welt. Konzentriert sei das Verhalten aber im Australisch-Asiatischen Raum sowie in West- und Mitteleuropa. Bei den jungen Männern birgt der Alkoholkonsum besonders hohe Risiken. so seien etwa 60 Prozent der alkoholbedingten Verletzungen bei Menschen dieser Altersgruppe aufgetreten – von Verkehrsunfällen, über Selbstmorde bis hin zu Tötungsdelikten. Im Vergleich zu den jungen Frauen sei das durchschnittliche Konsumniveau bei den Männern deutlich höher und auch der Anteil an Personen, die überhaupt Alkohol konsumierten, sei höher.

Besonders problematisch ist das Trinkverhalten junger Männer. Bildrechte: picture-alliance/ ZB | Andreas Lander

Alkohol für junge Menschen ausschließlich schädlich

Das Forschungsteam hat in seiner Analyse außerdem festgestellt, dass der Alkoholkonsum für junge Menschen unter 40 Jahren ausschließlich negative gesundheitliche Folgen hat. Dennoch wurde in den vergangenen Jahren häufig diskutiert, ob es vielleicht auch einen gesundheitlichen Vorteil haben könnte, wenn Menschen geringe Mengen Alkohol konsumieren. Der aktuellen Analyse zufolge kann das tatsächlich bei Menschen über 40 Jahren der Fall sein. Das hänge aber vor allem davon ab, ob eine Person vorerkrankt sei. Bei gesunden älteren Erwachsenen könne dagegen ein geringer Alkoholkonsum das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfälle und Diabetes verringern.

Unsere Botschaft ist einfach: Junge Menschen sollten nicht trinken, aber ältere Menschen können davon profitieren, kleine Mengen zu trinken.

Prof. Emmanuela Gakidou, University of Washington

Natürlich sei es nicht realistisch zu glauben, dass junge Erwachsene künftig auf das Trinken verzichten werden, ergänzt die leitende Autorin, Emmanuela Gakidou, Professorin am Institute for Health Metrics and Evaluation (IHME) an der School of Medicine der University of Washington/USA. Dennoch halte sie es für wichtig, die neuesten Erkenntnisse zu kommunizieren, "damit jeder fundierte Entscheidungen über seine Gesundheit treffen kann", so Gakidou.

Risikoschwelle steigt mit dem Alter

Das Forschungsteam hat in seiner Arbeit das Risiko von Alkohol für 22 gesundheitliche Folgen, wie zum Beispiel Verletzungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs, analysiert. Eingeflossen sind Daten aus 204 Ländern von Menschen im Alter zwischen 15 und 95 Jahren. Daraus hat das Team nicht nur errechnet, wie hoch der durchschnittliche tägliche Alkoholkonsum ist, sondern auch, wie viel Alkohol eine Person trinken kann, bevor sie im Vergleich zu jemandem, der gar keinen Alkohol trinkt, ein übermäßiges Risiko für ihre Gesundheit eingeht.

Ältere Menschen können sich auch mal etwas Alkohol gönnen. Bildrechte: Colourbox.de

Diese empfohlene Maximal-Alkoholmenge liegt für Personen im Alter zwischen 15 und 39 Jahren bei 0,136 Standardgetränken pro Tag – also bei etwas mehr als einem Zehntel eines Standardgetränks. Bei jungen Frauen sei es etwas mehr, mit einem Viertel eines Standardgetränks pro Tag. Ein Standardgetränk ist dabei definiert als 10 Gramm reiner Alkohol. Das entspricht dem Forschungsteam zufolge einem kleinen Glas Rotwein (100 ml) mit 13 Vol.-% Alkohol, einer Dose oder Flasche Bier (375 ml) mit 3,5 Vol.-% Alkohol oder einem Shot Schnaps (30 ml) mit 40 Vol.-% Alkohol.

Bei gesunden älteren Menschen liege die sichere Alkoholmenge dagegen deutlich höher. Personen im Alter von 40 bis 64 Jahren hätten den Forschenden zufolge recht sicher zwischen einem halben und fast zwei Standardgetränken pro Tag zu sich nehmen können. Bei Menschen über 65 Jahren sei das Risiko für einen Gesundheitsschaden im Jahr 2020 erst nach etwas mehr als drei Standardgetränken pro Tag erreicht gewesen.

Empfohlene Menge bleibt niedrig

Die Ergebnisse wiesen dem Forschungsteam zufolge darauf hin, dass ein geringer Alkoholkonsum bei Bevölkerungsgruppen, die überwiegend einer höheren Belastung durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen ausgesetzt sind, mit verbesserten Gesundheitsergebnissen verbunden sein könne.

Allerdings sei die Verteilung des Risikos für eine Gesundheitsgefährdung für eine bestimmte Altersgruppe von Region zu Region auch sehr unterschiedlich – insbesondere bei Personen ab 40 Jahren. Während zum Beispiel im Schnitt Personen im Alter von 55 bis 59 Jahren in Nordafrika und im Nahen Osten im Jahr 2020 fast ein Standardgetränk pro Tag zu sich nehmen konnten, ohne das Risiko gesundheitlicher Schäden einzugehen, sei es in derselben Altersgruppe in Zentralafrika südlich der Sahara nur etwa ein halbes Standardgetränk pro Tag gewesen.

Insgesamt, so bilanzieren die Forschenden, bleibe die empfohlene Alkoholmenge, die Erwachsene maximal täglich trinken könnten, gering. Sie liege bei gar keinem Alkohol bis zu 1,87 Standardgetränken pro Tag – unabhängig von Region, Alter, Geschlecht oder Jahr. Das Forschungsteam schlägt zusammenfassend vor, dass Konsumempfehlungen für Alkohol aber eher nicht universell sein sollten, sondern auf Alter und Ort angepasst werden müssten. Die strengsten Richtlinien sollten dabei auf Männer im Alter zwischen 15 und 39 Jahren abzielen, da diese weltweit das größte Risiko hätten, schädlichem Alkoholkonsums ausgesetzt zu sein.

Eisen durch Alkohol sorgt für Verlust der Gehirnleistung

Aber auch wenn ältere Erwachsene der Global Burden of Disease-Analyse zufolge moderat Alkohol trinken konnten, legen andere Untersuchungen nahe, dass es wohl doch besser wäre, das Trinken ganz zu lassen. Eine aktuelle Studie mit fast 21.000 Personen, die im Fachmagazin PLOS Medicine veröffentlicht wurde, deutet etwa darauf hin, dass der Konsum von sieben oder mehr Einheiten Alkohol pro Woche sich negativ auf das Gehirn auswirkt. Demnach stünde der Alkoholkonsum mit höheren Eisenspiegeln im Gehirn in Verbindung, was wiederum mit Alzheimer und Parkinson assoziiert wird.

Das Forschungsteam um Anya Topiwala von der britischen University of Oxford hat den Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Eisenspiegeln im Gehirn mithilfe von Magnetresonanztomographie (MRT) untersucht. Die Probandinnen und Probanden gaben erst Auskunft über ihren Alkoholkonsum und wurden anschließend im MRT gescannt. Die Teilnehmenden waren durchschnittlich 55 Jahre alt und zu 48,6 Prozent weiblich. Ihr durchschnittlicher Alkoholkonsum habe bei etwa 18 Einheiten pro Woche gelegen, so die Forschenden. Das entspreche etwa 7,5 Dosen Bier oder 6 großen Gläsern Wein.

Das Ergebnis: Ab sieben Einheiten Alkohol pro Woche konnten die Forschenden Marker für einen höheren Eisengehalt in den sogenannten Basalganglien feststellen. Das sei eine Gruppe von Gehirnregionen, die für die Kontrolle motorischer Bewegungen, dem Lernen, Augenbewegungen, Kognition und Emotion zuständig sei, so das Forschungsteam. "Höheres Eisen im Gehirn ist mit einer schlechteren kognitiven Leistung verbunden", bilanziert Topiwala. "Eisenakkumulation könnte dem alkoholbedingten kognitiven Verfall zugrunde liegen."

Links zu den Studien

GBD 2020 Alcohol Collaborators: Population-level risks of alcohol consumption by amount, geography, age, sex, and year: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2020. In: The Lancet. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(22)00847-9.

Topiwala, Anya et. al.: Associations between moderate alcohol consumption, brain iron, and cognition in UK Biobank participants: Observational and mendelian randomization analyses. In: PLOS Medicine. https://doi.org/10.1371/journal.pmed.1004039.

(kie)