Südlichster Kontinent Wimmelnde Eiswüste: Die Antarktis steckt voller Leben!

19. Februar 2021, 06:00 Uhr

Eignet sich der lebensfeindlichste aller Kontinente als Heimat für Tier, Pflanze und Mensch? Irgendwie schon, wie zahlreiche Beispiele belegen. Und vielleicht kommen schon bald neue, geheimnisvolle Arten hinzu.

Panorama Antarktis-Küste mit hohen, schneebedeckten Bergen und tiefblauem Meer. Kleine Siedlung mit kleinen roten container-artigen Häuschen an Küste, die durch ins Bild montierte Lupe vergrößert werden
Unscheinbar an der Küste des antarktischen Festlands liegt das argentinische Örtchen Esperanza Station. Bildrechte: Wikimedia Commons/Murray Foubister (CC BY-SA 2.0), Montage: MDR

Au weia, war das kalt! Die vergangene Woche hat uns gezeigt: Es braucht nur knapp zweistellige Minusgrade, damit uns nichts mehr nach draußen kriegt. Lockdown hin oder her, klar war: Da draußen bei Schnee und minus 15 Grad ist es lebensfeindlich und drinnen kuschelig warm, fertig aus. Abgesehen davon, dass sich die Menschen im Norden Europas, Asiens und Amerikas über diese Zimperlichkeit herzlich amüsieren dürften – minus 15 Grad können übrigens selbst Hanfpalmen überleben! –, gibt es einen Kontinent, der tatsächlich als lebensfeindlich einzustufen ist.

Kontinent mit Kälterekord

In der Antarktis sind minus 18 Grad das höchste der Gefühle, zumindest im Winter an der Küste der Hauptlandmasse. Im Januar, also dann, wenn antarktischer Sommer herrscht, können es schon mal ein paar Grad über null werden. Im kontinentalen Inneren liegt die Jahresdurchschnittstemperatur aber mit minus 55 Grad deutlich darunter. 1983 wurde hier eine so kalte Temperatur gemessen, wie noch nirgendwo auf der Erde. Dieser negative Temperaturrekord liegt bei über minus 89 Grad in zwei Metern Höhe! Er wurde 2010 durch Satellitenmessungen geknackt: Direkt auf dem Eis herrschten in einem gebirgigen Kältetal Temperaturen von mehr als minus 93 Grad.

Wer lebt im tiefen Untergrund?

Wer will und vor allem kann bei diesem Klima leben? Nun, zugegeben, das ist schwierig. Aber warum nicht mal unter das Eis gucken? Vielleicht ist es dort ja angenehmer. Wenn man nach Leben sucht, dann lohnt es sich, nach Wasser zu suchen. Und solches gibt es in der Antarktis auch im flüssigen Zustand. Unter der dicken Eisdecke wurden bereits 400 sogenannte subglaziale Seen entdeckt – seit Millionen von Jahren von der Atmosphäre isoliert. Warum die nicht gefrieren? Das liegt am massiven Druck, den die Eisdecke auf diese unterirdischen Seen ausübt. Der senkt zunächst den Schmelzpunkt des Eises. Eine Kombination aus einer sanften Erwärmung durch Felsen darunter und der Abschirmung von der kalten Luft der Oberfläche ermöglicht die Entstehung von Seen.

Antarktis oder Antarktika? Genau genommen bezeichnet Antarktika den Kontinent ganz im Süden, auf dem sich auch der Südpol befindet. Antarktis bezeichnet das gesamte Gebiet, das auch die Meere mit einschließt, also vor allem den südlichen Ozean, auch Südpolarmeer genannt. Umgangssprachlich wird auch der Kontinent als Antarktis bezeichnet.

Wenn es dort jetzt noch Leben geben würde, könnte das bedeuten, dass dieses Leben seit Millionen von Jahren vom Rest der Welt isoliert lebt. Das weckt Fantasyträume. Dass dort allerdings eine parallele Zivilisation unterirdischer Wesen existiert, ist unwahrscheinlich. Nicht einmal Fische sind zu erwarten. Aber immerhin: Forschende am Imperial College in London haben jetzt gezeigt, dass diese Seen gastfreundlicher für Lebewesen sein könnten als bisher angenommen.

Zuvor haben bereits Bohrungen mikrobielles Leben unter dem Eis nachgewiesen. Und solche Mikroben könnte es auch in den Seen geben. Diese würden statt durch Sonnenlicht und Photosynthese durch die Verarbeitung von Chemikalien Energie gewinnen. Das Forschungsteam hat jetzt Vorarbeit geleistet und ermittelt, wie unterirdische Wasserströme auch ohne Wind und Wetter funktionieren können – und wo Mikroben gefunden werden könnten. In den nächsten Jahren will ein Team aus Großbritannien und Chile dem unterirdischen Leben genauer auf den Grund gehen. Durch seine Isolation könnte es uns Einblicke in Millionen Jahre alte Welten geben. Und vielleicht sogar Hinweise darauf, was in untereisigen Seen auf den Monden von Jupiter und Saturn so los ist.

Eine Gruppe von Königspinguinen, einige aufrecht, einige gedruckt läuft erhaben über Eis unter blauem Himmel
Königpinguine: Der Fauna-Klassiker in der Antarktis Bildrechte: imago images/imagebroker

Vögel, Säugetiere, Insekten – alle da

Zurück an die Oberfläche: Natürlich gibt es auf dem lebensfeindlichsten Kontinent der Welt auch Leben, das wir mit dem bloßen Auge erkennen können. Eisbären sind es nicht, den Kniff hat jedes Kind raus, aber dafür Pinguine. Allerdings sind diese heiteren, flugunfähigen Gesellen nur temporäre Bewohner, die zum Brüten an Land kommen. Und sie sind längst nicht die einzigen Vögel im Eis: Auch verschiedene Sturmvogel- und Möwenarten kommen zum Brüten aufs antarktische Festland. Sogar Säugetiere sind mit vier Robbenarten vertreten.

Auf die dem Hauptland vorgelagerten Inseln haben es sogar Zuckermücken geschafft. Je weiter man sich aber ins Inland bewegt, desto kleiner wird es. In den wenigen eisfreien Gebieten leben nur Kleinstlebewesen, die voluminösesten von ihnen sind Springschwänze mit einer Körpergröße von 0,1 bis 17 Millimetern.

Pflanze mit sehr vielen kleinen gelben Blüten wächst zwischen Steinen, Ansicht direkt von oben
Blütenpracht gibt's auch in der Antarktis: Antarktischer Perlwurz Bildrechte: Wikimedia Commons/Liam Quinn (CC BY-SA 2.0)

Es blüht in Antarktika!

Selbst Pflanzenfreunde werden in den eisigen Gefilden fündig. Gleich zwei einheimische Blütenpflanzen gibt es auf dem antarktischen Hauptland: die antarktische Schmiele – eine Graspflanze – und den antarktischen Perlwurz, der zu den Nelken gehört und sogar gelbe Blüten hat. Neben vom Menschen eingeschleppten Pflanzen kommen noch Algen, Flechten, Pilze und Moose hinzu. Während wir uns also jedes Jahr aufs Neue über die tapferen Schneeglöckchen wundern, gedeiht im tiefen Süden der Erde mehr als man glauben mag.

Antarktis – willkommen zuhause!

Dass die Antarktis zwar ohne Zweifel ungemütlich, aber keinesfalls nur lebensfeindlich ist, bezeugen auch wir selbst. Klar, Forschungsstationen wie die deutsche Neumayer III sind bekannt. Aber es gibt auch dauerhaft besiedelte Gegenden: Nehmen wir das Örtchen Villa Las Estrellas – spanisch für Sternenstadt – auf King George Island vor der antarktischen Halbinsel, das zum von Chile beanspruchten Antarktisterritorium zählt.

Im Sommer leben dort 150 Menschen, im Winter sind es immerhin 80, auch Kinder. Neben einem Geschäft, einer Kranken- und Poststation sowie einer Schule ist der Ort sogar mit einer Bankfiliale und einer Bibliothek ausgestattet – und damit vermutlich besser als manch anderer 150-Seelen-Ort in Deutschland. Die Temperaturen schwanken dort allerdings auch nur zwischen minus 6,3 Grad im Winter und 1,4 Grad im Sommer. Das macht den Ort auch für Touristen interessant: Exotische Antarktis, aber eben nicht ganz so frostig.

Siedlich mit containerartigen, roten Häuschen auf kargem, teilweise schneebedeckten Boden an einer Bucht
Das chilenische Örtchen Villa Las Estrellas in der Antarktis Bildrechte: Wikimedia Commons/Mefisto29 (CC BY-SA 4.0)

Apropos: Mit dem White Desert Antartica gibt es in der Antarktis sogar ein Hotel! Das lässt sich aber nur in einer Pauschalreise buchen – zum Glück, möchte man sagen, und sich Individualtourismus in der Eiswüste nicht ausmalen. Die Reise ins White Desert gibt’s zudem nicht gerade für Last-Minute-Summen, sondern zu fünfstelligen Preisen.

Noch einen kleinen Schritt näher am Südpol als Villa Las Estrellas ist die argentinische Esperanza-Station. Die liegt immerhin auf dem antarktischen Festland, wenn auch am äußersten Zipfel der antarktischen Halbinsel. Dementsprechend kälter ist es hier auch, fast minus elf Grad durchschnittlich im Winter, knapp über Null durchschnittlich im Sommer. In einem normalen Sommer, wohlgemerkt.

Vor etwas mehr als einem Jahr kletterte das Thermometer hier auf über 18 Grad. T-Shirt-Wetter gibt es also inzwischen sogar in der Antarktis – für die, je nach Jahreszeit 55 bis 66 Einwohnerinnen und Einwohner, sicher eine interessante Abwechslung. Auch Tourismus wird groß geschrieben auf der Esperanza-Station: Über tausend Gäste kommen jedes Jahr und freuen sich zum Beispiel über das Freilichtmuseum zur Transportgeschichte der Antarktis.

Kaum verwunderlich, dass es inzwischen auch echte Antarktikerinnen und Antarktiker gibt. 1978 kam der erste auf dem antarktischen Festland geborene Mensch hier zur Welt. Und warum tun es sich Menschen an, in dieser eisigen Einöde Kinder zu gebären und vor allem das ganze Jahr über zu leben? Sowohl Chile als auch Argentinien verfolgen mit ihren Siedlungen Interessen. So sollen durch dauerhaftes Wohnen antarktische Besitzansprüche untermauert werden. Denn eigentlich gehört der Kontinent, der auch das größte Naturschutzgebiet der Erde ist, allen – und niemanden. Wünschenswert, dass es so bleibt.

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