
1.000 Kilometer Reichweite Durchbruch in der Akku-Forschung?
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23. April 2019, 10:07 Uhr
1.000 Kilometer mit einer Akkuladung fahren - davon träumt man in der Elektorautobranche derzeit noch. Eine Schweizer Firma hat genau das angekündigt - Werbegag oder Wahrheit?
Elektroautos sind bislang eher Ladenhüter im Angebot der Autohäuser: Zu teuer, zu wenig Leistung, zu kurze Reichweite und die Infrastruktur fehlt auch. Die Firma Innolith aus der Schweiz kündigt jetzt den Sensations-Akku an: Eine Akkuladung reicht für die Strecke von Berlin nach Paris, also drei- bis viermal so weit wie mit einem jetzigen Elektroauto.
Das wäre nicht nur ein gutes Verkaufsargument, sondern eine wissenschaftliche Sensation. Der geschäftsführende Direktor des Helmholtz-Instituts für Elektrochemische Energiespeicherung in Ulm, Maximilian Fichter, sieht das skeptisch:
Diese Ankündigung gibt es bereits seit sechs bis acht Jahren. Bisher ist es keinem Fachmann oder Fachfrau erlaubt worden, sich das System anzuschauen. Der Gründer der Firma, der damit wirbt, ist auch eher als Popstar bekannt und nicht als Physiker oder Ingenieur.
Mit seiner Meinung steht Maximilian Fichtner nicht alleine da. Auch Egbert Figgemeier vom Forschungszentrum Jülich in Aachen glaubt nicht an den Sensations-Akku:
Eine Einschätzung bezüglich des Potenzials dieses sogenannten Durchbruches ist ohne Angaben zu Kosten, Lebensdauer auch seriös gar nicht möglich.
Was kann das perfekte Akku?
Denn bei der Akku-Entwicklung geht es nicht nur um Leistung, sondern auch um Lebensdauer, Nachhaltigkeit, Kosten und Sicherheit. Und das widerspricht sich gerne mal. Zum Beispiel: Eine höhere Energiedichte bedeutet, dass die Sicherheit sinkt und meistens auch die Lebensdauer. Dann hält der Handyakku mit einer Ladung vielleicht 40 Stunden, muss aber nach einem Jahr ausgewechselt werden.
Der herkömmliche Akku in Handys, Notebooks oder auch im Elektroauto ist der Lithium-Ionen-Akku. Doch der ist an seiner Leistungsgrenze und ein Auslaufmodell, denn die enthaltenen Rohstoffe Kobalt, Lithium und Graphit werden seltener. Außerdem sind Lithium und Kobalt giftig und werden häufig in politisch instabilen Regionen abgebaut.
Wer soll es denn dann richten, wenn nicht das Lithium?
Deshalb werden Akkus mit anderen Elementen aus dem Periodensystem getestet: wie Magnesium, Zink, Aluminium oder Natrium. Maximilian Fichtner vom Helmholtz-Institut Ulm glaubt, dass sich bald etwas auf dem Akku-Markt ändern könnte:
Man kann mit Fug und Recht davon ausgehen, dass die Natrium-Batterie so weit ist, dass sie in zwei Jahren auf den Markt kommt. Das wird ein System sein, dass kein Lithium und Kobalt enthält, aber nicht an die Leistung des Lithium heranreicht.
Natrium ist zwar ein nachhaltiger Stoff, aber seine Moleküle sind größer als Lithium. Der Akku wäre auch größer. Solche Systeme sind da von Vorteil, wo es keine Platzprobleme gibt, für Handys oder Laptops wären sie also weniger geeignet.
Warum Natrium keine Lösung ist
Die Natrium-Batterie kann damit zwar den Druck auf die Rohstoffe Lithium und Kobalt senken, aber sie löst nicht unser Akku-Problem beim Auto oder Smartphone. Dafür könnte es eine Lösung aus Kiel geben. An der Christian Albrechts-Universität forscht Materialwissenschaftlerin Sandra Hansen zu Silizium. Sie hofft damit Graphit in Batterien ersetzen zu können. Silizium sagt sie, gilt als das zweithäufigste Material der Welt. Es kann die zehnfache Menge Energie im Vergleich zu Graphit speichern, was derzeit in Akkus verwendet wird. Doch auch in diesem Modell wird Lithium gebraucht. Materialforscherin Hansen:
Wenn wir das kombinieren, mit Schwefelelektroden zum Beispiel, haben wir eine deutlich höhere Leistungsdichte. Mit dem Auto 1.000 km fahren, innerhalb von zwölf Minuten aufgeladen, und dann kann ich 1.000 Kilometer weiter fahren.
Jedoch ist das derzeit noch ein Traum: Silizium bläht sich bei der Energieaufnahme auf und ist dadurch instabil. Der Akku würde also nicht alt werden. Sandra Hansen konnte nach jahrelanger Forschung das Silizium zwar stabilisieren, für den Akku im Elektroauto reicht das aber noch nicht.
Was kann Graphit, was Lithium nicht kann?
Maximilian Fichtner arbeitet in Ulm an einer anderen Alternative für das Graphit, die in einer neuen Generation von Akkus verwendet werden könnte. Die Stoffe dafür findet er in der Biotonne:
Das sind in der Regel organische Stoffe aus Apfelresten oder Erdnussschalen, die verkohlt werden und woraus man einen speziellen Kohlenstoff herstellt. Viele wären froh, es gäbe die Natrium-Ionen Batterie schon mit dem System, dann könnten sie nämlich ihre Reststoffe gerne loswerden.
Und auf Lithium und Kobalt komplett verzichten. Aber genau davon sind wir noch sehr weit entfernt, glaubt Egbert Figgemeier vom Forschungszentrum Jülich:
Auch wenn man sie mit Silizium-Anoden kombiniert, wird man auf Lithium nicht verzichten können, so dass wir noch die nächsten zehn bis zwanzig Jahre mit Lithium Ionen-Systemen arbeiten werden.
Denn bisher gab es in der Akku-Entwicklung nie den schnellen Durchbruch. Dass die Lithium-Ionen-Batterie heute so leistungsstark, relativ langlebig und einigermaßen sicher ist, liegt an 40 Jahren Forschung. Im Vergleich dazu hat die Suche nach Alternativen gerade erst begonnen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 14. April 2019 | 09:20 Uhr