Der Saturn aufgenommen von der Raumsonde Cassini am 2. Januar 2010.
So hat Cassini den Saturn gesehen. Bildrechte: NASA/JPL-Caltech/Space Science Institute

Cassinis letzte Botschaft Geheimnis der Saturn-Ringe gelüftet

14. Juni 2019, 17:39 Uhr

Im September 2017 endete die Cassini-Mission der Weltraumorganisation NASA nach 20 Jahren mit einem "Todessturz": Die Raumsonde stürzte sich kamikazehaft durch die Saturn-Ringe und drang in die Atmosphäre des Planeten ein. Dabei sammelte sie noch so viele Daten wie nur möglich über die markanten Ringe. Die haben Astronomen jetzt vollends analysiert und ausgewertet - und überraschend individuelle Ringe beschrieben.

Woraus bestehen die Ringe des Saturn? Welche Strukturen, welche Texturen haben sie? Und was geht eigentlich in ihnen vor? Um diese Fragen zu beantworten hat die Cassini-Sonde der NASA ihren Todessturz absolviert. Und das war offenbar nicht umsonst, denn ihr Daten-Erbe haben Wissenschaftler nun fertig untersucht und ihre Analyse im Fachmagazin "Science Advances" veröffentlicht.

Unterschiede in Chemie, Temperatur und Farbe

Die Ergebnisse der Analyse sind überraschend: Denn auch wenn die Ringe aus der Entfernung gleichmäßig und glatt erscheinen, gibt es tatsächlich von Ring zu Ring Unterschiede. Den Forschern zufolge unterscheiden sie sich nämlich teils erheblich in ihrer chemischen Zusammensetzung, ihrer Temperatur und in ihren Farben. Und so konnte aus den Cassini-Daten anhand dieser Merkmale eine Art Karte der Saturn-Ringe erstellt werden. Außerdem sind die Forscher der Überzeugung, dass die Ringe viel jünger sind als der Saturn selbst.

Collage aus Nahaufnahmen der Raumsonde Cassini von den Saturn-Ringen, des Saturn-Mondes Daphnis und der sogenannten Keeler-Gap.
Oben: Der Saturn-Mond Daphnis in der "Keeler-Lücke" - also innerhalb der Ringe - neben einer Wellen-Struktur, die Daphnis am Rand der Lücke verursacht hat.
Mitte und unten: Aufnahmen des Spektrometers für visuelle und Infrarot-Kartierung. Sie zeigen nicht die echten Farben der Ringe: rötlich illustriert hier einen höheren Anteil an anderen Bestandteilen als Eis.
Bildrechte: NASA/JPL-Caltech/Space Science Institute


In den Ringen gibt es sehr unterschiedliche Strukturen, aus denen Texturen und Muster entstehen, heißt es in der Analyse: Einige sehen aus wie Stroh, andere sind voller Brocken. Dazwischen schwirrten Strukturen umher, die die Forscher aufgrund ihrer gezackten Form Propeller nennen. Um die verschiedenen Strukturen der einzelnen Ringe gebe es außerdem Grenzen, die möglicherweise auf die Zusammensetzung der Ringe und den Zweck der verschiedenen Partikeltypen hinweisen. Auch wie und warum diese Partikel sich zusammenfinden und wie lange sie beieinander bleiben, sei weiter ein Rätsel.

Und natürlich sind die Ringe auch durch ganz unterschiedliche Prozesse entstanden. Nehmen wir beispielsweise den F-Ring: Hier spricht eine Reihe von Streifen aufgrund ihrer ähnlichen Länge und Richtung dafür, dass sie durch dieselben Stöße verursacht worden sein könnten. Insbesondere dieser Ring besteht aus Material, das den Saturn umkreist - im Gegensatz zu Gestein, das von außen in die Ringe prallt, so die Forscher.

Wie wurden die Saturn-Ringe benannt? Die Ringe des Saturn sind entsprechend der Reihenfolge ihrer Entdeckung benannt worden. Sie werden von innen nach außen als D-, C-, B-, A-, F-, G- und E-Ring bezeichnet.

An einigen der Entstehungsprozesse seien auch die Monde des Saturn beteiligt gewesen, die ja auch von den Ringen umschlossen werden. Sie interagierten gewissermaßen mit den Partikeln um sie herum. Diese neuen Details wie die Erkenntnisse darüber, wie die Monde dabei geholfen haben, die Ringe zu formen, ermöglichen uns neue Einblicke in die Entstehung des Sonnensystems, erklärt Erstautor Matt Tiscareno vom SETI Institute. Denn auch anderswo entstünden astrophysikalische Scheiben unter dem Einfluss darin eingebetteter Masse.

Eis doch kein Hauptbestandteil aller Ringe?

Die Grenzen zwischen den Ringen stellen die Wissenschaftler aber vor erneute Rätsel. Denn das sagt uns, dass das Aussehen der Ringe nicht nur davon abhängt, wie viel Material sie enthalten, so Tiscareno.

Die Eigenschaften der Partikel müssen sich etwas voneinander unterscheiden. Das hat möglicherweise Auswirkungen darauf, was passiert, wenn zwei Ringpartikel kollidieren und voneinander abprallen. Und wir wissen noch nicht, was dieser Unterschied ist.

PhD Matthew Tiscareno, SETI Institute
Detailaufnahme eines zentralen Bereichs im Saturn-Ring B, die zahlreiche regelmäßige und unterschiedlich dicke Linien zeigt.
So hat Cassini den Saturn-Ring B aus nächster Nähe abgelichtet. Hier sieht es noch nach einer glatten Struktur aus. Bildrechte: NASA/JPL-Caltech/Space Science Institute

Bei Ring A etwa sieht es so aus, als ob er Bänder aus gefrorenem Wasser enthält, heißt es. Wissenschaftler nahmen bisher an, dass die Saturn-Ringe größtenteils aus Eis bestehen würden, aber die neue Analyse lässt daran zweifeln: So schließen die Forscher das Vorhandensein von Ammoniak und Methaneis sowie organischen Verbindungen aus. Würde die Eis-Annahme stimmen, müsste es sie aber geben. Und dann ist da noch etwas Mysteriöses: Während der Cassini-Mission habe die Sonde organisches Material festgestellt, dass vom D-Ring aus in die Saturnatmosphäre gefallen sei. Aber ist das ein Beleg?

Wenn organische Stoffe in großen Mengen vorhanden wären - zumindest in den Hauptringen A, B und C -, würden wir sie sehen. Ich bin noch nicht davon überzeugt, dass sie ein wichtiger Bestandteil der Hauptringe sind.

Prof. Phil Nicholson, Cornell University

Die Lösung könnten die Grenzen zwischen den Ringen liefern. Denn offenbar trifft die Theorie des Eiswassers immerhin auf Ring D zu - also den Ring, der den geringsten Abstand zum Saturn hat. Das zeigen Daten von Cassinis Massenspektrometer, so die Forscher. Während des Eindringens in die Atmosphäre diente es demnach als "Nase" der Sonde und erschnüffelte die Zusammensetzung und Struktur der Atmosphäre. Das ist von der Umlaufbahn aus nicht möglich gewesen, erklärt Hunter Waite, Hauptforscher am Spektrometer.

Mit dieser finalen Messung wollten die Forscher das Phänomen des "Ring-Regens" untersuchen. Schon in den frühen 1980er-Jahren war von der NASA-Mission Voyager entdeckt worden, dass aus den Ringen Material auf den Planeten "regnete" und dadurch vermeintlich seine Atmosphäre veränderte. Doch nur ein Spektrometer wie das an Cassini konnte bestimmen, welche Partikel zur Atmosphäre und welche zu den Ringen gehörten.

Eine der letzten Saturnaufnahmen der Raumsonde Cassini, bevor sie in durch die Ringe des Planeten gestürzt ist.
Bildrechte: NASA/JPL-Caltech/Space Science Institute

Den "Jackpot" zog das Team dann in einer unbekannten Region zwischen dem Planeten und dem ersten Ring, so die Forscher. Demnach regnen aus dem Ring D komplexe organische Verbindungen einen chemischen Cocktail aus Staubkörnern in die obere Atmosphäre. Die Spektrometer-Messungen haben ergeben, dass die Ringe aus Wasser, Methan, Ammoniak, Kohlenmonoxid, molekularem Stickstoff und Kohlendioxid bestünden.

Es stellte sich heraus, der Ring-Regen ist eher wie ein Ring-Wolkenbruch. Eigentlich ist das Gerät für die Untersuchung von Gasen entwickelt worden, aber wir konnten die Ringpartikel messen, weil sie mit so hoher Geschwindigkeit gegen die Sonde krachten, dass sie verdampft sind.

Hunter Waite, NASA

Das Wasser und die neu entdeckten organischen Verbindungen seien schneller als gedacht aus den Ringen gefallen: bis zu 10.000 Kilogramm Material pro Sekunde! Und im "Ring-Wolkenbruch" fanden sich auch äußerst ungewöhnliche Moleküle, sagte Kelly Miller, Mitautorin der Studie und Wissenschaftlerin des Southwest Research Institute - so wie etwa Butan und Propan: "Die Art von Chemikalien, die man für einen Grill oder einen Campingkocher verwenden könnte."

Noch nicht die letzte Botschaft von Cassini

Die Erkenntnisse über Aufbau und Struktur der Saturn-Ringe werden wohl nicht die letzte Botschaft von Cassini bleiben, schließen die Forscher. Bei der Mission seien so viele Daten gesammelt worden, dass sie noch über Jahre Stoff für Analysen und Antworten auf spannende Fragen bieten würden. Die Wissenschaft gehe jetzt nur in eine neue Phase über: die Entwicklung neuer, detaillierter Modelle der Ring-Evolution. Das sei als würde man in Sachen Saturn-Forschung einen weiteren Gang hochschalten - jetzt, da man einen genaueren Überblick über die Vorgänge habe.

Die Planeten des Sonnensystems sind als Bälle dargestellt und liegen auf der Grundlinie eines Fußballtores. Während die Erde ein Fußball ist, ist der Jupioter eine riesige Kugel, die die Höhe des Tores voll ausfüllt. 3 min
Bildrechte: Robert Rönsch/MDR

Dieses Thema im Programm: MDR JUMP am Wochenende | 09. Juni 2019 | 14:10 Uhr