Gen-Forschung ARHGAP 11 B: Menschliches Gen ändert Frettchen-Hirn

Warum verarbeitet das Hirn des Menschen Informationen anders als das anderer Lebewesen? Wissenschaftler vermuten, dass es nur kleine Veränderungen in unserem Erbgut sind, die uns von unseren Vorfahren, den Menschenaffen, unterscheiden, die aber den entscheidenden Impuls für ein anderes, größeres Gehirn gaben. Dresdner Wissenschaftler glauben, ein entscheidendes Gen für diese Veränderungen erkannt zu haben.

Scanneraufnahme des Gehirns eines Frettchens.
Bildrechte: Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik Dresden

Vielleicht ist es ein einziges von unseren drei Milliarden Basenpaaren auf unserer DNA, das unser Gehirn größer werden ließ als das der Menschenaffen.

Professor Wieland Huttner und Nereo Kalebic vom Max Planck Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik Dresden haben ein Gen in Verdacht, das dafür verantwortlich sein könnte: Es geht um das Gen ARHGAP 11 B, das entscheidend mitverantwortlich dafür sein könnte, dass das menschliche Gehirn dreimal so groß ist wie das des Schimpansen. Es kommt nur im Menschen vor und ist ausschließlich im Gehirn, in der Großhirnrinde, aktiv. Auch andere Gene sind zwar für uns Menschen typisch, aber für Prof. Huttner ist dieses Gen der absolute Favorit:

Wir haben auch nach anderen menschenspezifischen Genen gesucht und insgesamt 15 gefunden. ARHGAP 11 B ist eins davon. Keines der anderen 14 Gene hat eine so dramatische Veränderung durch eine Punktmutation in seiner Funktion.

Wird dieses Gen in Mäuse- und Frettchenhirne eingepflanzt, bewirkt es ein Wachstum der äußeren Hirnbereiche der Hirnrinde. Das ist der Bereich des Gehirns, der evolutionär am jüngsten ist. Im Gegensatz zu Mäusen sind Frettchen deshalb so interessant, weil sie bereits wie der Mensch eine gefaltete Großhirnrinde haben. Das führt dazu, dass sich die Phase der Stammzellenbildung im Hirn verlängert und sechs Mal so viele Stammzellen entstehen wie normal, aus denen Neuronen werden können. Huttner erklärt:

Dieses Gen macht beim Frettchen alle Merkmale evolutionärer Gehirnexpansion, so wie wir sie aus der hominiden Linie kennen.

Lächelnder Mann mit Brille
Professor Wieland Huttner Bildrechte: Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik Dresden

Wissenschaftler können die Entstehung dieses Gens sogar nachvollziehen: Vor etwa fünf Millionen Jahren betrat wahrscheinlich der Gen-Vorläufer die biologische Bühne. Aus irgendeinem Grund verdoppelten Organismen das Gen und zu ARHGAP 11 A kam ARHGAB 11 B dazu. Das Erstaunliche: Es passierte gar nichts mit den Hirnen der Lebewesen. Irgendwann vor etwa einer Million Jahren trat plötzlich eine einzelne, winzige Mutation in diesem Gen auf, sagt Prof. Wieland Huttner, und die änderte alles:

Sie gibt dem ARHGAP 11B die Fähigkeit, Stammzellen zu vermehren und das Gehirn zu vergrößern. Interessanterweise kommt ARGHGAP 11 B auch im Neandertal-Gen vor und auch die Neandertaler hatten die Punktmutation. Da die Neandertaler ein Gehirn mindestens so groß wie unseres hatten, macht das also Sinn. Alle modernen Menschen haben diese Punktmutation. Es muss also ein enormer Selektionsvorteil gewesen sein, als die auftrat.

Diese Kombination von Genverdopplung plus Mutation hat also nur in unseren direkten Vorfahren stattgefunden. Wahrscheinlich führte das zur Trennung der Stammbäume von Primaten und den verschiedenen Menschenarten, denn im Neokortex, in der Großhirnrinde, im jüngsten Teil unseres Gehirns passieren genau die Dinge, die uns zum Menschen machen:

Der Neokortex beherbergt die Areale, mit denen wir denken, Imagination haben und eben sprechen.

Professor Wieland Huttner

Huttner glaubt, dass sein Gen-Favorit eine der entscheidenden Erklärungen auf die Frage ist, wie intelligentes Leben entstehen konnte. Er weist aber darauf hin, dass allein Gehirngröße die Denkleistung nicht erhöht. Dazu müssen noch andere Faktoren kommen, wie beispielsweise die Verschaltung der Neuronen. Aber mit ARHGAP 11 B und seiner einzigartigen Mutation könnte man das Gen gefunden haben, mit dem unsere Geschichte begann.

Dieses Thema im Programm: MDR aktuell | Radio | 23. Januar 2019 | 07:50 Uhr