Wissenschaftsrätsel Sprachenlernen: Begabung, Gene oder Fleiß & Schweiß?

Egal wie - Sprachen dienen der Kommunikation. Aber dem einen fliegen sie zu, der andere hat sofort nach der Sprachstunde vergessen, was er gerade gelernt hat. Ist das Pech oder Fleiß oder einfach Genetik?

Wie viele Fremdsprachen kann man lernen?

Zwei aktuell bekannte Vielsprachler sind Iannis Ikonomou aus Griechenland und der Libanese Ziad Fazah. Fazah spricht 58 Sprachen fließend, Ikonomou 32 Sprachen, beide beherrschen Chinesisch, "den Mount Everst für Europäer", wie EU-Übersetzer Ikonomou sagt. Er beschreibt sein System des Sprachenlernens so: Totale Hingabe, sich monatelang in eine Sprache vergraben, Nachrichten in der Sprache hören, die er gerade lernt, Wörter lernen, Querverbindungen zu anderen Sprachen herstellen. Im Laufe der Geschichte gibt es viele Vielsprachler, der italienische Kardinal Giuseppe Mezzofanti (1774 bis 1849) soll 70 Sprachen gesprochen haben. Aus Deutschland ist der 1930 verstorbene Emil Krebs bekannt, der 68 Fremdsprachen sprach.

Sprachbegabung oder genetisches Erbe?

Darüber streiten Neurologen und Sprachwissenschaftler bis heute. Das Gehirn des Multilinguisten Emil Krebs ist immer noch Forschungsobjekt am Hirnforschungszentrum Jülich. Auch in den Niederlanden ist man dem Sprachgen auf der Spur. Am Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmegen versucht man die genetischen und neurobiologischen Netzwerke zu entschlüsseln, die Sprache und Sprechen zugrunde liegen. Dabei stießen die Forscher auf das Gen FOXP2, das als so genannter "Transkriptionsfaktor" die Aktivität von etwa 1.000 Genen reguliert.

Welche Gene in diesem Netzwerk welche Funktionen haben und welche Defekte was genau verursachen, ist noch nicht vollständig untersucht. In der Sprachwissenschaft gibt es verschiedenste Theorien und Methoden zum Spracherwerb: Von behavioristischen Spracherwerbstheorien aus den 1970er-Jahren, die Lernen als Prinzip der Konditionierung versteht, also Lernen durch Imitation und Wiederholung bis zur Automatisierung - bis aktuell hin zum Immersionsmodell, auch "Sprachbad" genannt. Es zielt auf das Eintauchen in die Sprache, indem man sich ihr so intensiv wie möglich aussetzt.

Keine Zeit, kein Zugang - das sind keine Ausreden

Tapas werden an einer Theke zubereitet
Sprachelernen kann auch durch den Magen gehen - im Tapas-Lokal. Man muss nur seinen persönlichen Lern-Stil finden Bildrechte: Colourbox.de

Viele kennen das: Jahrelang in der Schule Vokabeln und Grammatik gebüffelt und trotzdem versteht man nur Bahnhof, wenn es ans Sprechen geht. Dagegen ist ein Kraut gewachsen: Fremdsprachenkenntnisse wach halten ist heute so einfach wie nie zuvor. Man kann Liedtexte mitsingen, online Quizze spielen, Stammtische oder Konversationsgruppen besuchen, Bücher in Original-Fassung lesen oder hören, Filme im Original gucken, Radio hören. Special-Interest Magazine in der Sprache beziehen - der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, die einzigen Grenzen zieht der innere Schweinehund.

Welche Ziele steckt man sich vor dem Sprache lernen?  

Wer eine Fremdsprache lernen will, sollte vorher klären: Was will ich erreichen? An Konferenzen teilnehmen? Im fremdsprachigen Alltag überleben? Im Beruf Fachtexte lesen und verstehen, oder auch selbst verfassen? In welchem Zeitraum will ich welches Sprach/Verständnislevel erreichen?

Für Sprachsammler: Mehrsprachenkurse

In Nordrhein-Westfalen bieten inzwischen viele Volkshochschulen Multilingua-Kurse an nach dem Vorbild der VHS in Eschweiler, die als erste Kurse für sieben oder zehn Sprachen gleichzeitig anbot: Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Neugriechisch, Polnisch, Tschechisch/Kroatisch. Im Zehn-Sprachen-Kurs sind noch Niederländisch, Russisch und Arabisch dabei. Ähnlich wie der multilinguale EU-Übersetzer wird in den Kursen nach Querverbindungen der Sprachen gesucht, in Worten wie in Sprach-Strukturen. Inzwischen gibt es ähnliche Angebote deutschlandweit, zum Beispiel auch in Gotha, die ein Sprach-Trio im Angebot haben - Spanisch Französisch Niederländisch.

Und auch hier gilt das Gleiche wie für den professionellen EU-Übersetzer: Einmal pro Woche 90 Minuten Unterricht allein reichen nicht. Sprachlernende müssen ihre Erkenntnisse in den Alltag übertragen und nutzen: zum Beispiel, indem man die Ampelfarben nicht auf Deutsch, sondern Polnisch benennt, die Menschen an der Kasse vor einem auf Arabisch oder Niederländisch zählt.

Gibt es ein Höchst-Alter fürs Sprachenlernen?

Nein, denn es gibt keine direkte Verbindung zwischen Alter und Lernfähigkeit. Aber es gibt einen Berg von Hemmungen, der das Lernen mit zunehmendem Alter erschwert: neben dem inneren Schweinehund gibt es die Angst vor Fehlern oder der Blamage vor Grammatik-, Aussprache- oder Vokabelfehlern.

Brauchen Sprachen Worte und Vokale?

Nicht alle Sprachen brauchen Worte. Man denke nur an die Gebärdensprache, die nicht universell, sondern von Land zu Land eigene Gebärden hat. Oder die Kommunikation mit Babys - funktioniert mit Gesten und genauem Hinschauen.

Sprachen funktionieren nicht nur mit Worten, sondern auch mit Lauten, wie auf der spanischen Insel La Gomera. Schon vor 500 Jahren kommunizierten die Insulaner mit Pfiffen und teilten sich so Nachrichten von Tal zu Tal mit. "El Silbo" nennt sich diese Sprache, bestehend aus zwei Vokalen und vier Konsonanten, sowie verschiedenen Tonhöhne und Längen. Seit 2009 zählt sie zum UNESCO-Weltkulturerbe und seit 1999 ist sie Pflichtfach an Gomeras Schulen, an der Universität Fernando Pessoa Canarias gibt es einen eigenen Lehrstuhl für die Pfeifsprache. Andere Sprachen arbeiten mit Klicklauten, wie die Khoisan-Sprachen in Afrika oder die Kunstsprache Bahasa Indonesia.

Dieses Thema im Programm: MDR SPUTNIK | Dein Tagesupdate | 30. Januar 2019 | 19:43 Uhr