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Expedition mit dem Forschungsschiff SONNEMassenhaft Plastik - aber kein Müllteppich im Pazifik

12. Juli 2019, 12:38 Uhr

Ihr Ziel war das Great Pacific Garbage Patch - der Nordpazifische Müllstrudel. Viele Menschen glauben, dass das ein riesiger zusammenhängender Müllteppich wäre. Doch die Leipziger Forscher vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) können nach ihrer Pazifik-Überquerung für das Forschungsprojekt MICRO-FATE feststellen: Einen riesigen Müllteppich gibt es nicht. Das heißt aber nicht, dass kein Plastik im Pazifik schwimmt - ganz im Gegenteil! Wie geht es jetzt weiter für die Forscher?

von Kristin Kielon

Ankunft im Hafen von Singapur: Nach fünf Wochen auf Hoher See läuft das Forschungsschiff SONNE Anfang Juli in der asiatischen Metropole ein. An Bord ist das 19-köpfige Team der Leipziger Umweltchemikerin Annika Jahnke. Im Rahmen der Expedition MICRO-FATE haben sie den Pazifik überquert - und das sogenannte Great Pacific Garbage Patch bzw. den Nordpazifischen Müllstrudel. Der befinde sich circa auf 30 Grad Nord.

Bildrechte: MDR / Kristin Kielon

Das ist da, wo Ozeanströmungen sich treffen. Dadurch wird das Meer an der Oberfläche in eine Strudelbewegung versetzt, wo sich dann Plastik, was an der Oberfläche schwimmt, anreichern kann.

Dr. Annika Jahnke, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung

Das besonderes Interesse der Forscher gilt dem Plastik: Jedes Jahr gelangen Millionen Tonnen Plastikabfälle über Flüsse, durch Wind oder Abwässer in die Ozeane. Der kleinste Teil davon schwimmt an der Wasseroberfläche. Doch was passiert mit dem Rest? Um das herauszufinden hat das Team während der Pazifik-Überquerung an zahlreichen Stellen so viele Proben wie möglich genommen.

Ein Container voller Proben

An verschiedenen Messpunkten hat Jahnkes Team Proben aus verschiedenen Wasserschichten - der sogenannten Wassersäule - und Sedimentproben vom Meeresboden genommen. Dort sei das Plastik nämlich bisher nur wenig untersucht, belastbare Daten gebe es kaum. In Schiffscontainern reisen diese Proben jetzt weiter ans UFZ nach Leipzig und die Partnerinstitute. Mitte August sollen sie in Leipzig ankommen.

Dann geht für Annika Jahnke und ihre Kollegen die Arbeit noch einmal richtig los. Denn vor allem im Bereich Mikroplastik konnten sie an Bord relativ wenig analysieren. In ihrem Leipziger Labor am UFZ hat sie dann aber die passenden Geräte, um die Proben und Daten zu analysieren. Dafür hat das Team zwei Jahre lang Zeit - so lange läuft das Forschungsprojekt noch.

Die Pazifik-Überquerung in Bildern

Am Ende erhoffen sie sich, besser abschätzen zu können, wieviel Plastik es in den Ozeanen gibt und welche Auswirkungen Mikroplastik auf das Ökosystem Meer hat. Und vor allem werden wir mehr über das Vorkommen und den Verbleib von Plastik erfahren, ergänzt Jahnke. Denn das ist eines der großen Rätsel.

Kein zusammenhängender Müllteppich

Ein anderes Rätsel konnte die Pazifik-Überquerung mit der SONNE schon klären: Den zusammenhängenden Müllteppich, den sich viele Menschen beim Gedanken an das Great Pacific Garbage Patch vorstellen, den gibt es offenbar gar nicht.

Es gibt reichlich Plastik im Meer. Das ist tatsächlich nicht schön zu sehen, wenn man da das erste Mal hinkommt und das mit eigenen Augen sehen kann. Es ist aber irreführend, dass es einen siebten Kontinent oder sogenannte Plastikinseln gibt. Selbst in diesem doch sehr großen Ansammlungsgebiet im Pazifik.

Dr. Annika Jahnke, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung

Die Forscher sortieren an Deck ihre Plastik-Funde. Bildrechte: UFZ/ Roman Kroke

Zwar sehe man laufend Plastik, aber es sei nicht so, dass es einen Decken Teppich gebe. Für die Forscher ist das keine Enttäuschung, sondern es spricht im Prinzip sogar für die Annahme, mit der sie in See gestochen sind. Demnach schwimmt nur ein Prozent von dem Plastik, das in die Weltmeere transportiert wird, an der Oberfläche. Eine Hypothese ist, dass ein Großteil absinkt und sich entweder in der Wassersäule oder am Ozeanboden befindet, so Jahnke.

Ob das so ist, werden die Analysen bestenfalls zeigen. Außerdem interessieren sich die Forscher unter anderem dafür, was für Plastikteilchen in welcher Größe im Meer schwimmen und welche Stoffe Mikroplastik abgibt oder auch aufnimmt. Und welchen Einfluss haben die Sonne und die Wellen? Zerfällt eine Plastik-Flasche unter diesen Bedingungen wirklich erst nach 450 Jahren? So ganz genau wissen wir das nämlich noch gar nicht.

Künstler soll Wissen weitergeben

Während die Forscher nun also mit ihren Proben in den Laboren verschwinden, macht sich auch ein anderer Passagier der SONNE an die Nachbereitung.

Künstler Roman Kroke hat die Forschungsreise dokumentiert. Bildrechte: MDR / Kristin Kielon

Der Künstler Roman Kroke hat das Team auf der Reise begleitet, hat sie dokumentiert und künstlerisch gearbeitet. Und nun will er ein interdisziplinäres Workshop-Konzept enwickeln. "So, dass sich dann Teilnehmer mit den Forschungsinhalten dieser Reise interdisziplinär – künstlerisch, wissenschaftlich, philosophisch und literarisch - auseinandersetzen können", erklärt Kroke.

Nur so könne ein nachhaltiges Bewusstsein für die Plastik-Problematik geschaffen werden, meint der Künstler. Er hat bereits in der Vergangenheit Disziplinen-übergreifend zum Thema Mikroplastik gearbeitet - auch mit Studierenden und Schülern. In seinen Augen erleben wir gerade eine Beziehungskrise zwischen dem Menschen und der Natur. Die poetische Verbindung, die wir auch bei besonders tiefgründigen menschlichen Beziehungen hätten, sei bei der Natur verloren gegangen. 

Ich glaube, dass die Kunst als ein Medium, das sowohl rationale und analytische Elemente der menschlichen Natur anspricht als auch emotionale, wirklich dabei helfen kann, diese beschädigte poetische Verbindung des Menschen zur Natur wieder zu reanimieren.

Roman Kroke, Künstler

Dieses Thema im Programm:Das Erste | Mittagsmagazin | 05. Juli 2019 | 13:00 Uhr