Wasserstoff Sonneberg-Heubisch: Energiewende made in Thüringen

08. Mai 2019, 11:43 Uhr

Im beschaulichen Sonneberg-Heubisch in Thüringen wird an den ganz großen Fragen der Zukunft getüftelt: Wie schaffen wir den Ausstieg aus der fossilen Energie, ohne dass uns der Strom ausgeht? In Sonneberg-Heubisch heißt die Antwort: Wasserstoff. Auf der Kläranlage dort steht seit einiger Zeit ein Elektrolyseur - ein Gerät, das Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff spalten kann.

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Mo 06.05.2019 16:54Uhr 05:04 min

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So wie man Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff trennen kann, können Wasserstoff und Sauerstoff miteinander reagieren und mittels Brennstoffzellen Strom erzeugen, damit Motoren und Autos antreiben. Statt umweltschädlicher Abgase kommt reines Wasser aus dem Auspuff. Es könnte so schön sein - gäbe es nicht das Problem mit Wasserstoff-Gewinnung. Professor Dr. Ralf Wehrspohn leitet das Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen in Halle. Er erklärt, welche Haken es bei der Wasserstoffgewinnung bislang noch gibt.

Der Wasserstoff war grauer Wasserstoff. Also Wasserstoff, der aus Erdgas gewonnen ist. Und da kam natürlich die berechtigte Frage auf: Warum nimmt man nicht gleich Erdgas. Und insofern war diese Entwicklung zwar technologisch sehr interessant, aber hat im Bezug auf Nachhaltigkeit wenig gebracht.

Der Druck-Elektolyseur - das Sonneberger Pilotprojekt

Windrad und Strommast
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An der Stelle kommen dann die Windräder ins Spiel - sie stehen für erneuerbare Energie und damit für grünen Strom. Aber auch hier gibt es ein Problem. Ist zu viel Wind da, entsteht ein Strom-Überschuss. Die Windräder müssen abgeschaltet werden, weil das Netz sonst überlastet wäre. Wie kann man dieses Problem lösen? Genau daran arbeitet man in in Sonneberg-Heubisch in einem Pilotprojekt, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. Aus der überschüssigen Energie zum Beispiel aus Windrädern wird grüner Wasserstoff gewonnen und zwar mit einem Druck-Elektrolyseur.

Das Besondere an unserem Elektrolyseur ist, dass es ein Druckelektrolyseur ist. Das heißt, wir sperren das Gas in den Gasräumen ein, so lange, bis wir einen Druck von 100 Bar erreichen. Müssen also dann für die Nachverdichtung weniger Energie aufbringen.

Dr. Ralf B. Löffler, Ingenieur

Wasserstoff ist das leichteste Gas auf unserer Erde. Für ein Kilogramm Wasserstoff braucht man etwa elf Kubikmeter Platz. Das entspricht etwa der Größe eines kleinen Pools. Um große Mengen Wasserstoff speichern zu können, muss er deshalb komprimiert werden.

Problem: Zu wenig Wasserstofftankstellen

Der Elektrolyseur in Sonneberg-Heubisch beliefert eine Wasserstofftankstelle - eine von derzeit rund 70 in ganz Deutschland. Das sind noch nicht genug, bislang liegt die Reichweite der Wasserstoffautos bei 600 Kilometern. Bei denen der neuesten Generation, die bald auf den Markt kommen, beträgt sie 800 Kilometer. Die Tankzeit liegt bei drei bis höchstens fünf Minuten, weiß Ralf Löffler.

Elektrolyseur und Tankstelle befinden sich auf dem Gelände der örtlichen Kläranlage - und das aus gutem Grund. Bei der Elektrolyse entsteht neben Wasserstoff reiner Sauerstoff - und der kann hier sofort genutzt werden, denn Kläranlagen brauchen Sauerstoff als Nahrung für Klärbakterien. Bernd Hubner, der bei den Sonneberger Wasserwerken arbeitet, erklärt das Prinzip:

80 Prozent der Energie, die wir hier auf der Kläranlage benötigen, brauchen wir, um die Bakterien mit dem Sauerstoff in der Luft zu versorgen. Hier versuchen wir, möglichst viel Energie einzusparen. Das Abfallprodukt Sauerstoff aus der Elektrolyse erschien uns ein geeigneter Anhaltspunkt, um zu testen: Können wir mit diesem Sauerstoff unsere Energiekosten reduzieren?

Wenn ein Dieselmotor Wasserstoff und Sauerstoff verbrennt

Der Test läuft. Neuester Baustein der Modellanlage ist eine Entwicklung aus Dessau-Roßlau: ein Wasserstoff-Sauerstoff-Kreislaufmotor. Das Besondere: Ein normaler Dieselmotor wurde so umgebaut, dass statt Diesel Wasserstoff und Sauerstoff verbrannt werden, heraus kommen Strom und Wasser. Manuel Cech von der gemeinnützigen Forschungseinrichtung WTZ Roßlau erklärt das Verfahren:

Im Vergleich zur Brennstoffzelle können wir das Verfahren in einem Motor viel kostengünstiger umsetzen. Wir brauchen keinerlei seltene Erden. Zudem ist zu sagen: Vom bisherigen Stand der Technik sind wir hier beim Wirkungsgrad auf dem Niveau der Brennstoffzelle.

Neuer Rohstoff - braucht man da nicht neue Technik?

Großer Vorteil: Man kann vorhandene Technik zu Wasserstoff-Sauerstoff-Kreislaufmotoren umrüsten, damit modernisieren. Man muss sie nicht neu bauen. In Sonneberg-Heubisch zeigt sich im Kleinen, was zukünftig im Großen möglich ist:

+ Überschüssige grüne Energie nutzen, um Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten und lokal zu speichern.

+ mit dem Wasserstoff Autos betanken und so emissionsfrei fahren.

+ Mit dem Sauerstoff Abwässer klären.

+ Die Energie bei Bedarf mittels Wasserstoff-Sauerstoff-Kreislaufmotor wieder ins Stromnetz einspeisen.

Für Ralf Wehrspohn liegen die Vorteile der Wasserstoff-Nutzung klar auf der Hand: "Wir sagen, die Klimawende hat fünf Sektoren. Strom, Wärme, Mobilität, Industrie und Agrar. Und vier dieser Sektoren können mit Wasserstoff decarbonisiert werden."

Und auch Ingenieur Ralf B. Löffler ist von den Möglichkeiten, die der Wasserstoff bietet, überzeugt: "Wir müssten die Ärmel hochkrempeln und es tun. Alles ist technisch vorhanden, alles ist technisch möglich. Wir müssen es nur umsetzen." In Sonneberg-Heubisch  ist man sich sicher: Die Zukunft gehört dem Wasserstoff.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 11 | 09. Mai 2019 | 11:20 Uhr