Wissen-News So lässt sich mit kosmischer Strahlung die Vergangenheit erhellen
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25. April 2024, 13:59 Uhr
Schweizer Forschern ist es erstmals gelungen, eine über 7.000 Jahre alte Siedlung in Griechenland jahrgenau zu datieren. Dafür kombinierten sie Jahrringmessungen an Gebäudeteilen aus Holz mit dem plötzlichen Anstieg von Partikeln aus kosmischer Strahlung im Jahr 5259 v. Chr. Damit wird ein verlässlicher chronologischer Fixpunkt für viele weitere archäologische Fundstellen Südosteuropas geliefert.
In der Archäologie spielt die Datierung von Fundobjekten eine zentrale Rolle. Immer gilt es herauszufinden, wie alt ein Grab, eine Siedlung oder ein einzelner Gegenstand ist. Erst seit wenigen Jahrzehnten ist es möglich, sichere Altersbestimmungen für Funde aus prähistorischer Zeit vorzunehmen. Dafür kommen zwei Methoden zum Einsatz: die sogenannte Dendrochronologie, die die Datierung auf Basis von Jahrringkalendern der Bäume ermöglicht, und die Radiokarbondatierung, welche das ungefähre Alter der Fundstücke mit dem Zerfall des in den Baumringen enthaltenen radioaktiven Kohlenstoffisotops 14-C berechnen kann.
Sonneneruptionen schlagen sich in Baumringen nieder
Einem Team unter Leitung der Uni Bern ist es nun gelungen, Bauhölzer der archäologischen Fundstelle Dispilio in Nordgriechenland – wo eine jahrgenaue Datierung bisher nicht möglich war – verschiedenen Hausbauaktivitäten zwischen 5.328 und 5.140 v. Chr. präzise zuzuordnen. Die Forschenden machten sich dabei den Niederschlag energetischer Partikel zunutze, die sicher in das Jahr 5.259 v. Chr. datiert werden können. Dazu nutzten die Experten die Erkenntnisse der japanische Physikerin Fusa Miyake, die im Jahr 2012 entdeckt hatte, dass ein massiver Zustrom kosmischer Strahlung, vermutlich aufgrund von Sonneneruptionen, einen starken Anstieg des 14-C-Gehalts in der Atmosphäre verursachen kann, der sich in Baumringen der jeweiligen Jahre niederschlägt. Auf Basis von Jahrringkalendern können diese starken Anstiege genau datiert werden, und weil sie globale Ereignisse sind, sind sie gerade in Regionen ohne durchgehende Jahrringchronologien wichtige Ankerpunkte. "Miyake erkannte erste Ankerpunkte dieser Art und leitete damit einen Paradigmenwechsel in der prähistorischen Archäologie ein", erklärt der Studienautor Albert Hafner.
Heute sind ein Dutzend dieser Miyake-Ereignisse bis 12.350 v. Chr. bekannt, die zwei wichtigen Ereignisse 5.259 und 7.176 v.Chr. wurden erst 2022 entdeckt. Dem Forschungsteam ist es mit der Untersuchung von 787 Bauhölzern aus der archäologischen Fundstelle Dispilio am nordgriechischen Orestida-See gelungen, eine 303 Jahre umfassende Jahresring-Chronologie aufzubauen, die im Jahr 5.140 v. Chr. endet. Die ermittelten Siedlungsphasen belegen verschiedene Hausbauaktivitäten über 188 Jahre hinweg zwischen 5.328 und 5.140 v. Chr. Möglich ist diese präzise Datierung, weil sich ein bekanntes Miyake-Ereignis von 5.259 v. Chr. in diesem Zeitraum befindet. "Der Balkan ist damit die erste Region weltweit, die vom erwähnten Paradigmenwechsel profitiert und unabhängig von einem durchgehenden Kalender erfolgreich absolute Datierungen ermitteln kann", resümiert Hafner.
Links/Studien
Die Studie "Absolute dating of the European Neolithic using the 5259 BC rapid 14C excursion" ist im Fachjournal "Nature Communications" erschienen.
cdi/pm
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR Aktuell | 30. April 2024 | 13:00 Uhr
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