Bronze- oder Eisenzeit? Der Streit um die Himmelsscheibe geht weiter
Hauptinhalt
24. November 2020, 12:07 Uhr
Der Streit um die Himmelsscheibe von Nebra geht in die nächste Runde: Es geht immer noch um die Frage, wie alt die Himmelsscheibe ist. Dazu gab es jüngst eine Studie. Die bestätigte, dass die Himmelsscheibe aus der Bronzezeit stammt. An der Studie gibt es jetzt Kritik und zwar von zwei Wissenschaftlern, die man in der Debatte schon kennt. Mit der ganzen Geschichte, die schon als "Kleinkrieg" bezeichnet wird.
Für uns ist das Thema eigentlich durch, heißt es vom Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle. Die Studie, die vor rund zwei Wochen vorgelegt wurde, zeige schließlich so eindeutig, wie eben möglich: Die Himmelsscheibe von Nebra komme aus der Bronzezeit. Damit sei sie eben genau dieser Sensationsfund, als der sie seit rund 20 Jahren gefeiert wird, sagt der Sprecher Alfred Reichenberger im Gespräch mit MDR Wissen:
Die Himmelsscheibe ist sicherlich einer der bestuntersuchten archäologischen Funde der letzten Jahrzehnte überhaupt in Deutschland, wahrscheinlich in Europa. Insofern haben wir alle Möglichkeiten ausgeschöpft, die man ausschöpfen konnte. Für uns ist es wissenschaftlich ad acta gelegt.
Nicht aber für den Professor für Vor- und Frühgeschichte Europas in Frankfurt/M., Rüdiger Krause und den Direktor der Archäologischen Staatssammlung München, Rupert Gebhard. Beide hatten schon im Frühjahr von sich Reden gemacht: In einem Bericht hatten sie analysiert, dass die Himmelsscheibe jünger sei und aus der Eisenzeit komme. An diesem Befund ändere die neue Studie gar nichts, sagt nun Rupert Gebhard:
Die Studie bestätigt im Grunde genommen nicht die bronzezeitliche Zeitstellung. Sie wiederholt nur das, was bisher an Argumenten bekannt wurde. Es sind dort keine neuen Forschungsergebnisse, die die Meinung, die wir zu dem Objekt haben, verändern würden.
Die einen sagen also: Die Himmelsscheibe stamme aus der Bronzezeit. Die anderen, sie komme aus der Eisenzeit. Warum kann man das denn aber nicht eindeutig beantworten? Alfred Reichenberger:
Es ist natürlich so, dass die Himmelsscheibe als einzigartiges Objekt per se nicht datierbar ist. Und es gibt auch derzeit noch keine Möglichkeit Metalle absolut chronologisch zu datieren.
Das heißt: Die Himmelsscheibe selbst beantwortet die Frage nach ihrem Alter nicht. Aufschluss darauf geben aber der Fundort und die Beifunde, darunter zwei Schwerter. Bei einem fanden Forscher Reste von Birkenrinde im Griff. Die gab die Antwort: Bronzezeit! Dann ist die Sache doch klar, oder? Nicht für Rupert Gebhard, für ihn gibt es zwei entscheidende Probleme, sagt er:
Sind die Schwerter tatsächlich gleichzeitig mit der Scheibe gefunden worden? Wir sagen: Nein! Das zweite ist: Wo ist denn die Scheibe gefunden worden und die Schwerter? Man glaubt, dass das der Mittelberg bei Nebra ist. Da sagen wir auch 'Nein' dazu.
Wir erinnern uns: Die Himmelsscheibe von Nebra wurde ja nicht während archäologischer Grabungen gefunden, sondern sie wurde von zwei Raubgräbern ausgebuddelt. Wo die Himmelsscheibe also genau lag, ob sie mit den Schwertern zusammen in die Erde gekommen ist, ob es sich also um einen zusammengehörigen Fund handelt? Das haben Forscher rund um das Landesmuseum versucht nachzuvollziehen, mit zahlreichen Methoden, wie die jüngste Studie zeigt. Den einen ist das nicht genug. Die anderen sagen: Es reicht und mehr sei nicht zu machen.
MDR-Team am 25.11.2020
Hallo @part, im Artikel werden die Aussagen der wissenschaftlichen Spezialist*innen wiedergegeben. Eine lautete dabei: "Es ist natürlich so, dass die Himmelsscheibe als einzigartiges Objekt per se nicht datierbar ist. Und es gibt auch derzeit noch keine Möglichkeit Metalle absolut chronologisch zu datieren." - Dr. Alfred Reichenberger. Sie können Ihre Anregungen sehr gern an das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt senden. Liebe Grüße
part am 24.11.2020
Obwohl auch Eisen in der Eisenzeit sehr kostbar war und vornehmlich für Waffen und Werkzeuge verwendet wurde, so stellt diese Himmelsscheibe einen bronzezeitlichen Aussaatkalender dar. Dieser Aussaatkalender der eben mit das Wichtigste darstellte zum Überleben von nordeuropäischen Kulturen war in der Eisenzeit schon nicht mehr gültig, deshalb wurde die Scheibe wahrscheinlich auch umgestaltet und letztendlich entsorgt in einem religösen Ritual. Als dringliche würde ich die Frage erachten, weshalb haben die Schwerter so große Griffe (Erle) oder wie groß waren die Hände der damaligen Krieger, sofern es keine rituellen Schwerter waren?
goffman am 24.11.2020
Wenn es keine Möglichkeit gibt "Metalle absolut chronologisch zu datieren", kann man da nicht eine Menge Schmu mit solchen Funden machen?
Z.B. alte "wertlose" Metallfunde aus Epoche xy einschmelzen bzw. zu einem Unikat umarbeiten und diesen "Sensationsfund" von Grabräubern finden lassen?
Ohne exakte wissenschaftliche Dokumentation des Ausgrabens scheint mir da jegliche epochale Einordnung fraglich ... oder kann man eine Bearbeitung zumindest innerhalb der letzten Jahrhunderte anhand von Materialuntersuchungen ausschließen?