
DNA-Analysen Masse der Hunnen waren genetisch Europäer
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25. Februar 2025, 16:54 Uhr
Die Hunnen gelten als Paradebeispiel für jene asiatischen Reitervölker, die einst über Europa herrschten. Eine kleine Elite waren von ihrer DNA her Nachfahren der ostasiatischen Xiongnu. Doch die Masse der Hunnen Europas waren genetische Europäer, so eine umfassende DNA-Analyse unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig.
Sie fallen 375/376 in Europa ein, zerschlagen die Reiche der Ostgoten und Westgoten und lösen die germanische Völkerwanderung aus, die zum Niedergang des Römischen Reiches führt. Unter ihrem König Attila beherrschen sie ein Reich, das von der Wolga bis zum Rhein reicht. Sie plündern Italien, bedrohen Rom und werden schließlich 451 in der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im heutigen Frankreich geschlagen. Nach Attilas Tod 453 verschwinden sie allmählich im Dunkel der Geschichte – die Hunnen.
Hunnen als Nachkommen der Xiongnu
Obwohl kaum ein anderes Volk die spätantike Geschichte Europas in so kurzer Zeit derart stark beeinflusst hat, war Herkunft und Ethnizität des Reitervolks der Hunnen lange Zeit umstritten. Das gilt insbesondere für die Frage, ob die Hunnen von den Xiongnu abstammten – einem antiken Stammesverband von Reiternomaden, deren Steppenreich zwischen dem 3. Jahrhundert vor Christus und dem 1. Jahrhundert n. Chr. weite Teile Zentralasiens beherrschte. Ungeklärt blieb dabei vor allem, was in den etwa 300 Jahren zwischen der Auflösung des Xiongnu-Reiches und dem Auftauchen der Hunnen in Europa geschah.
DNA-Analyse von Mongolei bis Karpatenbecken
Ein internationales Team von Genetikern, Archäologen und Historikern unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig ging der Sache nun auf den Grund. Die Forscher analysierten die DNA von 370 Individuen, die zwischen dem 2. Jahrhundert v. Chr. und dem 6. Jahrhundert n. Chr. in der heutigen Mongolei, in Kasachstan und im Karpatenbecken Mitteleuropas bestattet wurden. Ein besonderes Augenmerk galt dabei Bestattungen des sogenannten östlichen Typs aus der Hunnenzeit, der oft mit nomadischen Traditionen verbunden ist.
Tatsächlich identifizierten die Forscher unter den nach "östlicher" Art im Karpatenbecken bestatteten Hunnen eine kleine Gruppe von Individuen, die typisch ostasiatische Gen-Signaturen trugen und DNA-Abschnitte mit hochrangigen Eliten des späten Xiongnu-Reiches teilten. Dies bestätigte den Genetikern, dass einige der Hunnen in Europa direkte Nachkommen der späten Xiongnu-Elite waren.
Bevölkerung im Hunnenreich heterogen
Für die Masse der Bevölkerung des Hunnenreiches in Europa galt dies jedoch nicht. Sie blieb genetisch sehr heterogen. "DNA und archäologische Beweise zeigen einen Flickenteppich von Vorfahren, was eher auf einen komplexen Prozess der Mobilität und Interaktion als auf eine Massenmigration hindeutet", so Co-Erstautorin Zsófia Rácz von der Eötvös-Loránd-Universität in Budapest.
Die Studien-Ergebnisse zeigen nach Ansicht von Rácz und Kollegen, dass es nach der Ankunft der Hunnen keine große asiatische Gemeinschaft im Karpatenbecken gab. Das unterscheidet die Hunnen fundamental von den zwei Jahrhunderte später direkt aus Ostasien nach Europa vorstoßenden Awaren. Während viele Awaren bis zum Ende ihrer Herrschaft um 800 genetisch weitgehend Ostasiaten blieben, vermischten sich die Hunnen auf ihrem Weg nach Westen über viele Generationen mit Bevölkerungen in ganz Eurasien.
Genetischer Fußabdruck blieb begrenzt
Obwohl die Hunnen die politische Landschaft im Karpatenbecken "dramatisch umgestaltet" haben, so die Studien-Co-Autorin Zuzana Hofmanová vom Leipziger Max-Planck-Institut, blieb "ihr tatsächlicher genetischer Fußabdruck – abgesehen von bestimmten Elitebestattungen – begrenzt". Stattdessen scheint die Bevölkerung als Ganzes überwiegend europäischer Herkunft geblieben zu sein und lokale Traditionen fortgeführt zu haben, wobei einige neu angekommene Steppeneinflüsse eingewoben worden seien.
(dn)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 16. Dezember 2022 | 14:27 Uhr
MDR-Team vor 2 Wochen
Hallo Giselher,
von "Termindruck" kann man hier eher nicht sprechen... Nomadische Völker lebten in einem Zyklus von Wanderungen, der von verfügbaren Ressourcen und klimatischen Bedingungen abhing, nicht von einem festen Zeitrahmen.
Die Mongolen führten gewaltige Expansionen durch und vermischten sich während ihrer Eroberungen mit vielen verschiedenen Völkern. Diese Vermischung ist allerdings nicht ausschließlich eine „Frage der Rassenmischung“, sondern eine Folge politischer und militärischer Eroberungen, die zu einer langen Reihe kultureller und genetischer Einflüsse führten. Der Begriff „Rassenmischung“ ist zudem problematisch, da er heute eine ungenaue und veraltete Vorstellung von Ethnizität und Herkunft widerspiegelt.
Der genetische Beitrag der Hsiung-Nu zu den Ungarn ist indirekt und Teil eines komplexen ethnischen Mosaiks, das im Verlauf der Jahrhunderte viele verschiedene Einflüsse durchwandert hat.
- Das MDR WISSEN Team
Giselher vor 2 Wochen
Der Artikel gibt einige Rätsel auf. Und zwar über das Begriffsvermögen dieser Forscher. Dass ein Wandervolk über 300 Jahre unterwegs sein soll bis es sein Ziel in Europa erreicht hat, soll verwundern ? Dass die Hsiung-Nu keinen Termindruck hatten ? Und dass sich ihr Genpool nach 300 Jahren durch den gesamten asiatischen Kontinent durch Vermischung verändert hatte ? Die Mongolen hatten noch nie ein Problem mit Rassenmischung. Die nahmen, was ihnen unterwegs begegnete und das gleich in mehrfachem Wortsinn. Die heutigen Ungarn dürften noch die direktesten Nachkommen von ihnen sein, aber mit Sicherheit nicht die einzigen.