
Wissen-News 9.000 Jahre alt! Forscher entschlüsseln Ursprung einer Genmutation, die vor HIV schützt
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09. Mai 2025, 15:42 Uhr
Dänische Forscher haben sich auf die Suche nach dem Ursprung einer Mutation gemacht, die resistent gegen HIV macht. Sie fanden ihn – und der erste Mutant war gegen das Virus gewappnet, Jahrtausende, bevor es entstand.
Fast ein Viertel aller Dänen tragen eine Genmutation in sich, die sie resistent oder gar immun gegen HIV machen kann. Dieses Wissen wird genutzt, um moderne Behandlungen gegen das Virus zu entwickeln. Doch woher kommt die Resistenz gegen ein relativ junges Virus? Forscher aus Kopenhagen haben sich auf die Suche nach dem Ursprung dieser Mutation gemacht und haben ihn gefunden. Sie entdeckten einen Menschen, der vor 9.000 Jahren im Schwarzmeerraum lebte und als Vorfahr aller Träger der genetischen Veränderung gilt.
Ursprung in der Nähe des Schwarzen Meers
Um den ersten Mutanten zu finden, untersuchten die Wissenschaftler des Novo Nordisk Foundation Center for Basic Metabolic Research (CBMR) an der Universität Kopenhagen das genetische Material von 2.000 lebenden Menschen weltweit. In der Folge entwickelten sie dann eine neue KI-gestützte Methode, um die Mutation in alter DNA von Skeletten zu identifizieren. 900 menschliche Überreste wurden untersucht, aus der frühen Steinzeit bis in die Wikinger-Ära.
"Es stellt sich heraus, dass die Variante bei einem Individuum auftrat, das vor 6.700 bis 9.000 Jahren in einem Gebiet in der Nähe des Schwarzen Meeres lebte", sagt Simon Rasmussen vom CBMR. Die Forscher stellten fest, dass die Mutation bis zu einem gewissen Zeitpunkt nicht in den Knochenresten vorhanden war, bis sie dann auf einmal auftauchte und sich in rasendem Tempo ausbreitete. Mit dem historischen Wissen über die Migrationsbewegungen dieser Zeit gelang es den Wissenschaftlern, das Herkunftsgebiet genau zu bestimmen. So konnten die Forscher die Mutation bei einem Menschen aus der Schwarzmeerregion vor bis zu 9.000 Jahren lokalisieren – einem Individuum, von dem alle Träger der Mutation abstammen.
Schutz vor einer Krankheit, die es damals noch nicht gab
Rasmussen ergänzt: "HIV ist eine relativ neue Krankheit - weniger als 100 Jahre alt - daher ist es fast zufällig und sehr faszinierend, dass eine genetische Variation, die vor Tausenden von Jahren entstanden ist, auch vor einem modernen Virus wie HIV schützt." Aber warum tragen so viele Dänen eine jahrtausendealte Genmutation, die vor einer Krankheit schützt, die es damals noch nicht gab?
Die Forscher glauben, dass die Mutation entstanden ist und sich schnell verbreitet hat, weil sie unseren Vorfahren einen Vorteil verschaffte. "Menschen mit dieser Mutation konnten besser überleben, wahrscheinlich, weil sie das Immunsystem in einer Zeit dämpften, in der die Menschen neuen Krankheitserregern ausgesetzt waren", erklärt Leonardo Cobuccio, einer der Erstautoren der neuen Untersuchung. Ein Immunsystem, was in Folge der Mutation weniger aggressiv ist, hätte einen evolutionären Vorteil verschafft. "Als die Menschen von Jägern und Sammlern zu einem engen Zusammenleben in landwirtschaftlichen Gesellschaften übergingen, nahm der Druck durch Infektionskrankheiten zu, und ein ausgeglicheneres Immunsystem könnte von Vorteil gewesen sein", erklären Cobuccio und die zweite Erstautorin Kristine Ravn.
Link zur Studie
Die Studie "Tracing the evolutionary history of the CCR5delta32 deletion via ancient and modern genomes" ist in der Fachzeitschrift "Cell" erschienen.
pm/jar
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Nachrichten | 23. April 2025 | 19:30 Uhr