Ausbruch des VesuvsDie Verschütteten von Pompeji: DNA-Untersuchungen widerlegen lange gehegte Annahmen
Ein internationales Forschendenteam mit Leipziger Beteiligung hat genetische Untersuchungen über die Opfer des Vulkanausbruchs bei Pompeji durchgeführt. Die Ergebnisse widersprechen bisher gängigen Erzählungen.
Die neuen Informationen, die die Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (MPI-EVA) in Leipzig zusammen mit Experten der Universität Florenz und von der Harvard University gesammelt haben, stammen aus Skelettresten. Diese sind in Abgüssen von Opfern des Ausbruchs des Vesuvs im Jahr 79 nach der Zeitenwende eingeschlossen. Die Bewohner von Pompeji wurden von einem sich schnell bewegenden Strom aus heißen Gasen und vulkanischem Material überrascht, der ihre Körper in eine Ascheschicht einschloss und sie konservierte – sogar ihre Gesichtszüge. Seit dem 19. Jahrhundert wurde Gips in die Hohlräume gegossen, die die zerfallenden Körper hinterlassen hatten. In eben jenen Abgüssen wurden stark fragmentierte Skelettreste eingeschlossen, die jetzt genauer untersucht wurden.
Moderne Interpretationen über Geschlechter stehen im Widerspruch zu den DNA-Daten
So testeten die Forscher genetisches Geschlecht, Verwandtschaftsverhältnisse und verfolgten die Abstammung der Verstorbenen zurück. David Caramelli von der Universität Florenz erklärt: "Unsere Studie zeigt, wie die Analyse alter DNA auf archäologischen Daten basierende Interpretationen wesentlich ergänzen kann. Die Ergebnisse stellen gängige Vorstellungen in Frage, wie die Verbindung von Schmuck mit Weiblichkeit oder die Interpretation von physischer Nähe als Beweis für familiäre Beziehungen." So wurde etwa eine erwachsene Person, die einen goldenen Armreif trug, mit einem Kind auf dem Arm bisher als eine Mutter mit ihrem Kind eingeordnet. Die Untersuchungen zeigten jetzt, dass es sich dabei tatsächlich um einen Mann mit einem nicht mit ihm verwandten Kind handelte.
Auch über die Herkunft der Opfer des Vulkanausbruchs konnten die Wissenschaftler um Alissa Mittnik vom MPI-EVA neue Informationen liefern. So stammten die Eingeschlossenen hauptsächlich aus dem östlichen Mittelmeerraum, was den kosmopolitischen Charakter des römischen Reichs unterstreiche. "Unsere Ergebnisse haben weitreichende Konsequenzen für die Interpretation archäologischer Daten und das Verständnis vergangener Gesellschaften. Sie unterstreichen, wie wichtig es ist, genetische Daten mit archäologischen und historischen Informationen zu verknüpfen, um Fehlinterpretationen aufgrund moderner Annahmen zu vermeiden", erklärt Mittnick.
Link zur Studie
Die Studie "Ancient DNA challenges prevailing interpretations of the Pompeii plaster casts" ist im Journal "Current Biology" erschienen.
idw/jar
Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 03. Oktober 2024 | 17:12 Uhr
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