Ansicht der Takarkori Rock Shelter in Südlibyen.
Bildrechte: Archaeological Mission in the Sahara, Sapienza University of Rome

Archäologie Wie kommt die Neandertaler-DNA in die Sahara?

09. April 2025, 16:43 Uhr

Als vor tausenden Jahren die Sahara grün war, lebte dort eine isolierte menschliche Abstammungslinie. Sie lernte die Viehhaltung durch kulturellen Austausch und ihre Vorfahren hatten Sex mit Neandertalern.

Bis vor 5.000 Jahren war die Sahara grün. Fast zehntausend Jahre lang, während der "African Humid Period", gab es Wasser und Leben in dem Gebiet, das heute die größte Wüste der Welt ist. Damals lebten dort Menschen, die offenbar keine Vorfahren südlich der Sahara besaßen, aber durch kulturellen Austausch zu Viehhirten wurden und auch auf Neandertaler trafen. Das zeigen DNA-Analysen eines Forschungsteams des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie Leipzig. Die DNA dieser Menschen fanden die Forscher im Takarkori Rock Shelter, einem Felsgebiet in Südlibyen.

Isoliert in der grünen Sahara

Die fehlenden genetischen Übereinstimmungen mit Menschen, die damals südlich der Sahara lebten, lassen die begründete Vermutung zu, dass die Takarkori-Individuen lange isoliert geblieben waren. Allerdings sind sie laut den Forschenden genetisch sehr eng mit 15.000 Jahre alten Jägern und Sammlern verwandt, die während der Eiszeit in der Taforalt-Höhle in Marokko lebten. Diese wiederum werden mit der Iberomaurusischen Steinwerkzeugkultur in Verbindung gebracht, die der Zeit der grünen Sahara vorausging. Entgegen früheren Annahmen, so die Schlussfolgerung, gab es in dieser Zeit offenbar keinen Genfluss zwischen den Bevölkerungsgruppen südlich der Sahara und Nordafrikas.

7.000 Jahre alte natürliche Mumie (Individuum H1), die in der Takarkori Rock Shelter in Südlibyen gefunden wurde.
Die Takarkori-Felsenhöhlen in Südlibyen, wo die Forschenden aus Leipzig diese Mumie gefunden haben, werden bereits seit Jahrzehnten wissenschaftlich untersucht. Bildrechte: Archaeological Mission in the Sahara, Sapienza University of Rome

Der Pastoralismus, die Wanderviehhaltung, die die Menschen von Takarkori praktizierten, wurde offenbar durch kulturellen Austausch weitergegeben, so Studien-Erstautorin Nada Salem vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. "Unsere Forschung stellt bisherige Annahmen über die Bevölkerungsgeschichte Nordafrikas in Frage und belegt die Existenz einer tief verwurzelten und lange isolierten genetischen Abstammungslinie."

Austausch mit Neandertalern

Einen genetischen Einfluss jenseits Afrikas konnte das Forscherteam dagegen klar nachweisen: Neandertaler-DNA. Zwar zehnmal weniger als bei Menschen außerhalb Afrikas – in Europa sind das heute noch bis zu zwei Prozent, die jeder von uns in sich trägt –, aber mehr als heutige Subsahara-Afrikaner. "Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die frühen nordafrikanischen Populationen zwar weitgehend isoliert waren, aber aufgrund des Genflusses von außerhalb Afrikas Spuren von Neandertaler-DNA erhielten", sagt Johannes Krause, leitender Autor und Direktor am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. Mit anderen Worten: Die Vorfahren der Menschen in der grünen Sahara hatten irgendwann Sex mit Neandertalern.

Illustration einer Frau mit dunkler Haut und schwarzen Haaren, die zur Gruppe von Zlatý kůň gehört. 3 min
Bildrechte: Tom Björklund

MDR KULTUR - Das Radio Fr 13.12.2024 12:27Uhr 02:40 min

https://www.mdr.de/wissen/audios/neandertaler-homo-sapiens-vermischung-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

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gp/pm

Anmerkung: Wir haben den Einstieg und den letzten Satz geändert. Der Genaustausch mit den Nandertalern kann schon rein zeitlich nicht direkt stattgefunden haben. Danke für den Korrekturhinweis.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport Leipzig | 02. April 2025 | 17:30 Uhr

21 Kommentare

MDR-Team Gestern

Wissenschaft will nicht „recht haben“, sie prüft ständig neu – auch die Evolutionstheorie. Zweifel sind fester Bestandteil wissenschaftlicher Arbeit, aber sie betreffen meist Details, nicht das Grundprinzip: Dass sich Arten über lange Zeit verändern, ist durch Fossilien, Genetik und Embryologie vielfach belegt. Es gibt innerhalb der Evolutionsforschung sehr wohl unterschiedliche Ansätze – und sie werden offen diskutiert. Aber alternative Modelle müssen sich an denselben Maßstäben messen lassen: Belege, Logik, Reproduzierbarkeit. Wissenschaft lebt vom offenen Diskurs – aber auch davon, sich von gut belegten Ideen nicht aus ideologischen Gründen zu verabschieden.

MDR-Team Gestern

Hallo @Pupsburger Augenkiste,
der Unterschied zwischen Mensch und Schimpanse ist trotz ~98 % genetischer Übereinstimmung sehr bedeutsam. Aber genau darum geht es in der Evolutionsbiologie – wie aus kleinen Unterschieden über Zeit große Unterschiede entstehen. Darwin hat nie behauptet, dass Affen zu Menschen werden, sondern dass beide gemeinsame Vorfahren haben. Und: Nein, Darwin hat seine Theorie nicht grundsätzlich widerrufen – das ist ein Mythos. Die Information in der DNA entsteht nicht durch „Zufall“, sondern durch Mutation, Selektion und Weitergabe über Generationen. Bewusstsein ist tatsächlich etwas Besonderes – aber auch hier zeigt Forschung: Selbst komplexe Eigenschaften haben evolutionäre Wurzeln. Das macht sie nicht weniger wertvoll.
Herzliche Grüße

MDR-Team Gestern

Skepsis ist legitim, @Pupsburger Augenkiste, denn Wissenschaft lebt vom Hinterfragen. Aber zur Einordnung: Die Evolutionstheorie ist durch Fossilien, Genetik, Anatomie und Verhaltensforschung vielfach belegt. Der Mensch stammt nicht vom Affen ab, sondern hat mit ihnen gemeinsame Vorfahren. Übergangsformen wie Australopithecus sind gut dokumentiert. Dass wir kein Fell mehr haben, hängt mit Temperaturregulation, Werkzeuggebrauch und Kleidung zusammen – kein „Kapitalismusplan“. Bewusstsein, Mitgefühl und Kooperation sind evolutionär erklärbar: Sie fördern das Überleben sozialer Gruppen. Evolution ist kein „täglicher Formwechsel“, sondern ein langsamer Prozess über Generationen. Werkzeuge und DNA-Funde in Kombination lassen sich datieren und zuordnen – das ist keine Fantasie, sondern wissenschaftliche Methodik.
Herzliche Grüße

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