Nordlichter über Ruderboot in Wikinger-Siedlung von L'Anse aux Meadows
Rekonstruiertes Ruderboot der Wikinger an ihrem einzigen in Nordamerika nachgewiesenen Siedlungsplatz in L'Anse aux Meadows auf Neufundland. Bildrechte: IMAGO / Aurora Photos

Auf den Spuren der Wikinger Erste Europäer schon vor 1.000 Jahren in Amerika

20. Oktober 2021, 18:06 Uhr

Kolumbus war nicht der erste Europäer, der Amerika erreichte. Die Wikinger waren schon lange vorher da. Wann genau, war bislang unklar. Eine Radiokarbonanalyse zeigt nun, dass die Nordmänner bereits im Jahr 1021 in Kanada aktiv waren. Ein großer Sonnensturm vor über tausend Jahren hat die Lösung des archäologischen Super-Rätsels erst möglich gemacht.

Dass Christoph Kolumbus im Jahr 1492 nicht der erste Europäer war, der seinen Fuß auf den amerikanischen Kontinent setzte, ist lange bekannt. Die Wikinger entdeckten die "Neue Welt" bereits Jahrhunderte vor dem genuesischen Seefahrer in spanischen Diensten. Doch wann genau sie den Doppelkontinent erreichten, war bislang unklar. Ein internationales Team von Wissenschaftlern konnte nun eindeutig nachweisen, dass die ersten Europäer bereits 1021 n.Chr. – also vor genau 1.000 Jahren – in Amerika aktiv waren. Dieses Datum markiert damit auch den frühesten archäologisch belegten Zeitpunkt, an dem der Atlantik überquert wurde.

Fahrten der Wikinger

Nachgebautes Knorr Handelsschiff der Wikinger
Ein nachgebautes Knorr, eines der hochbordigen Handelsschiffe der Wikinger. Bildrechte: IMAGO / All Canada Photos

Bereits seit dem 9. Jahrhundert segelten und ruderten die Wikinger mit ihren schnittigen Langschiffen und ihren breiten, hochbordigen Handelsschiffen, den Knorrs, über große Entfernungen durch Europa, nach Nordafrika und in den Nahen Osten. Im Nordwesten gründeten sie Siedlungen auf Island, ab 985 in Grönland und schließlich einen Stützpunkt im heutigen L'Anse aux Meadows auf der zu Kanada gehörenden Insel Neufundland. Dort wurde ab 1961 die bislang einzige in Nordamerika nachgewiesene Wikinger-Siedlung ausgegraben und später auch rekonstruiert. Wann genau die Aktivitäten in L'Anse aux Meadows stattfanden, war bislang jedoch unklar.

Leiff Eriksson soll der Erste gewesen sein

Statue von Leif Eriksson in Brattahlid auf Grönland
Statue von Leif Eriksson in Brattahlid auf Grönland. Von hier soll er 999/1000 nach Amerika aufgebrochen sein. Bildrechte: imago images/Martin Zwick

Nach den isländischen Sagas soll Leif Eriksson im Jahr 999 oder 1000 von Grönland kommend als erster Europäer den von ihm als "Markland" (Land der Wälder) und "Vinland" (Weinreben- oder Wiesenland) bezeichneten amerikanischen Kontinent betreten haben.

Die Sagas wurden jedoch zunächst mündlich überliefert und erst Jahrhunderte nach den beschriebenen Ereignissen auch niedergeschrieben. Wann also genau die Wikinger in Nordamerika landeten und wie lange sie dort aktiv waren, war bislang ungeklärt. Vor allem eine archäologisch präzise Datierung ihrer Aktivitäten fehlte bislang. Diese Lücke konnte die neue Studie nun schließen.

Ein Sonnensturm als Beweis

Mikroskopische Aufnahme eines Holzfragments aus den nordischen Schichten in L'Anse aux Meadows
Mikroskopische Aufnahme eines Holzfragments aus den "nordischen Schichten" in L'Anse aux Meadows. Bildrechte: Petra Doeve, University of Groningen

Dabei gelang es, drei zweifelsfrei durch die Wikinger bearbeitete Holzstücke aus L'Anse aux Meadows durch die Radiokarbonmethode genau auf das Jahr 1021 zu datieren. Dass die drei von verschiedenen Bäumen stammenden Holzstücke durch Europäer bearbeitet wurden, ließ sich anhand spezifischer Schnittspuren von Metallwerkzeugen nachweisen. Schließlich kannten die damaligen Ureinwohner Amerikas noch keine Metalle. Das genaue Bearbeitungsjahr der Holzstücke wiederum konnte deshalb so eindeutig bestimmt werden, weil sich im Jahr 992 n.Chr. ein massiver Sonnensturm ereignet hatte, der weltweit ein deutliches Radiokarbonsignal in Baumringen des Folgejahres erzeugt hatte.

29 Wachstumsringe später

Dr. Margot Kuitems an Radiokarbonanlage des Zentrums für Isotopenforschung Groningen
Dr. Margot Kuitems bereitet Proben in der Radiokarbonanlage der Uni Groningen vor. Bildrechte: Ronald Zijlstra

"Der deutliche Anstieg der Radiokohlenstoffproduktion zwischen 992 und 993 n. Chr. wurde in Baumringarchiven auf der ganzen Welt festgestellt", erklärt der Leiter der Forschungsarbeiten, Professor Michael Dee, von der Universität Groningen. Jedes der drei Holzobjekte weise dieses Signal 29 Wachstumsringe (entspricht 29 Jahren) vor der Rindenkante auf. Und seine Mitarbeiterin und Studien-Erstautorin, Dr. Margot Kuitems, ergänzt: "Die Tatsache, dass wir das Signal des Sonnensturms 29 Wachstumsringe vor der Rinde gefunden haben, erlaubt uns die Schlussfolgerung, dass die Schneideaktivität im Jahr 1021 n.Chr. stattfand."

Auch Gebiete weiter im Süden bereist

Zwar sind die Anzahl der Wikingerexpeditionen nach Amerika und die Gesamtdauer ihrer dortigen Aktivitäten noch immer nicht restlos geklärt. Auch scheint ihr kulturelles und ökologisches Erbe in der Neuen Welt eher gering gewesen zu sein. Doch konnten immerhin botanische Funde aus L'Anse aux Meadows mittlerweile zweifelsfrei bestätigen, dass die Wikinger seinerzeit auch amerikanische Gebiete weiter südlich als Neufundland erkundeten.

Dass die Nordmänner - Stand jetzt - jedoch die ersten Europäer waren, die mindestens 471 Jahre vor Kolumbus ihren Fuß auf den amerikanischen Boden setzten, ist nun auch archäologisch zweifelsfrei bewiesen.

Nachgebaute Wikinger-Siedlung in L'Anse aux Meadows Neufundland
Die nachgebaute Wikinger-Siedlung in L'Anse aux Meadows auf Neufundland: Die Häuser bestehen aus Grassoden. Das spart Bauholz und sorgt für eine hervorrragende Isolation. Bildrechte: imago/All Canada Photos

(dn)

1 Kommentar

part am 20.10.2021

Die ersten Europäer waren sie bestimmt nicht, die Amerika erreichten. Da war einerseits die letzte ausgehende Eiszeit, die durchaus eine langwierige Küstenwanderung entlang des Eisschelfes über die Westroute zugelassen hätte und andererseits war da wahrscheinlich eine Volksgruppe aus Spanien, die Meister waren in der Beherrschung der Steinschleuder, gute Seefahrer waren und sich wahrscheinlich in den Anden niedergelassen haben aus Verfolgungsdruck durch die Römer. Noch heute gibt es zahlreiche blonde Menschen bei den Nachkommen der ehemaligen Chachapoya in Peru.

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