Archäologie-Streit Himmelsscheibe: Eindeutig aus Nebra und der Bronzezeit

16. November 2020, 11:41 Uhr

Wie alt ist sie denn nun, die Himmelsscheibe von Nebra? Die jüngsten Belege für ihre Herkunft und ihr Alter kommen jetzt aus Österreich. 13 Forscherinnen und Forscher sagen: Die Scheibe stammt aus der Bronzezeit und aus dem sachsen-anhaltischen Nebra. Zuletzt hatten zwei Prähistoriker für Schlagzeilen gesorgt, die die Scheibe in die Eisenzeit datierten - womit der Fund nicht mehr die älteste astronomische Darstellung der Welt gewesen wäre.

Der Streit um das Alter der Himmelsscheibe von Nebra kann nun wohl zu den Akten gelegt werden. Einem deutsch-österreichischen Forschungsteam zufolge datiert die Himmelsscheibe eindeutig aus der Bronzezeit. Zu Beginn der Eisenzeit war sie demnach schon lange vergraben. Ihre Forschungsarbeit wurde jetzt in der Fachzeitschrift "Archaeologia Austriaca" veröffentlicht.

Im September 2020 hatten die zwei Prähistoriker Rupert Gebhard und Rüdiger Krause in einem Aufsatz die bisherige Datierung der Himmelsscheibe angezweifelt. Ihren Ausführungen zufolge stamme die Scheibe nicht vom ermittelten Fundort, sondern sei als Einzelfund ohne Kontext in die Eisenzeit zu datieren - und damit in einen Zeitraum von nur wenigen Jahrhunderten vor und nach Christus.

Nach Auffassung der 13 Forscherinnen und Forschern besteht kein Zweifel an der Authentizität der Fundstelle auf dem Mittelberg in Nebra. Sowohl gerichtliche Aussagen eines Raubgräbers und des Hehlers, Nachuntersuchungen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie in Sachsen-Anhalt und Markierungen im Gelände lassen eine eindeutige Lokalisierung des Fundortes zu.

Himmelsscheibe von beiden Seiten

Die Rückseite der Scheibe zeigt, dass die Erdreste im Bereich der Beschädigungen am oberen Rand abgeplatzt sind. Dies zeigt, dass die Beschädigungen durch die Raubgräber und nicht vorher verursacht wurden.

Himmelscheibe von Nebra
Bildrechte: Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie/J. Lipták
Himmelscheibe von Nebra
Bildrechte: Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie/J. Lipták
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Auch die erhöhten Gold- und Kupferkonzentrationen im Sediment, die nur durch lange Lagerung der Himmelsscheibe entstehen konnten, seien Belege dafür, dass die Fundstelle authentisch sei. Auch Bodenproben von dort und Spuren an der Himmelscheibe stimmten überein, genau wie auf einem ebenfalls dort entdeckten Schwert und einem Beil.

Was verraten die Gold- und Kupferreste um den Fundort?

Für die Forschungsarbeit wurden Spurenelemente und Bleiisotopenverhältnisse untersucht: Hier zeigte sich, dass das Kupfer für beides aus derselben Lagerstätte im Salzburger Land kommt. Das datiert wiederum in der frühen Bronzezeit, also zwischen dem 18. und dem 9. Jahrhundert v. Chr. - und damit vor dem Beginn der Eisenzeit. Das Gold dagegen stammt den Forschern zufolge aus dem Gebiet des Carnon River in Cornwall, wo für das 17./16. Jahrhundert v. Chr. ein Abbau nachgewiesen ist. Zudem seien die Objekte nach einem typischen Muster der frühen Bronzezeit angeordnet gewesen.

Das Forschungsteam führen noch weitere Punkte an, die gegen die Einordnung der Himmelsscheibe in die Eisenzeit sprächen: Die Zinn- und Bleiisotopenverhältnisse der Funde stimmen mit zahlreichen anderen frühbronzezeitlichen Objekten überein. Ein Schiff als Verzierung sei ein für die Bronzezeit typisches Motiv. Radiokarbondaten zeigten weiterhin, dass organische Reste an den Schwertern aus der Zeit von 1.600 vor Christus stammten.

(lfw)

Korrektur: In der ursprünglichen Fassung des Artikel hatten wir von einem "österreichischen Team" geschrieben. Die Arbeit ist in der Zeitschrift "Archaelogia Austriaca der Zeitschrift zur Archäologie Europas" in Wien erschienen. Im Editorial heißt es dort: "Neben den archäologischen Untersuchungen stützen sich die Autor*innen auf die Ergebnisse von rekonstruierten Deponierungsprozessen, Sedimentanhaftungen, die chemischen Konzentrationen von Gold und Kupfer im geologischen Untergrund des Fundortes, astronomische Referenzen, typologische Analogieschlüsse sowie polizeiliche Ermittlungen und abgeschlossene Gerichtsverfahren. Der kürzlich geäußerten Skepsis an der Datierung dieses einzigartigen Depotfundes in die frühe Bronzezeit ist damit eine deutliche wissenschaftliche Antwort entgegengesetzt."

Dreharbeiten von Lexi-TV im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle, anlässlich 15 Jahre Erforschung der Himmelsscheibe von Nebra. 1 min
Bildrechte: MDR/Karsten Möbius
1 min

MDRklärt: So kam die Himmelsscheibe von Nebra nach Halle

Mi 03.07.2019 15:29Uhr 01:00 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/halle/video-316322.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

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3 Kommentare

MDR-Team am 16.11.2020

@TNawrath, vielen Dank für den Hinweis. Sie haben Recht, es ist ist ein deutsch-österreichisches Team. Und natürlich ist die Veröffentlichung einer Reaktion auf die Vorwürfe, denn die hatten sich auch darauf gestützt, dass es keine wissenschaftliche Veröffentlichung zum Thema gab. Diese liegt nun vor. In der Veröffentlichung heißt es:
"Neben den archäologischen Untersuchungen stützen sich die Autor*innen auf die Ergebnisse von rekonstruierten Deponierungsprozessen, Sedimentanhaftungen, die chemischen Konzentrationen von Gold und Kupfer im geologischen Untergrund des Fundortes, astronomische Referenzen, typologische Analogieschlüsse sowie polizeiliche Ermittlungen und abgeschlossene Gerichtsverfahren. Der kürzlich geäußerten Skepsis an der Datierung dieses einzigartigen Depotfundes in die frühe Bronzezeit ist damit eine deutliche wissenschaftliche Antwort entgegengesetzt."

TNawrath am 15.11.2020

Das 13-köpfige Wissenschaftler-Team umfasst zwar mit Wolfgang Kainz (Uni Wien), Ernst Pernicka (Heidelberg und Mannheim) und Thomas Stöllner (Bochum) drei Österreicher. Aber ist es deshalb ein österreichisches Forscherteam? Viel mehr wird das Team durch Hallenser Wissenschaftler geprägt, angeführt durch den Chef von Landesmuseum und LDA Harald Müller. Ihm zur Seite die LDA-Mitarbeiter Alfred Reichenberger, Christian-Heinrich Wunderlich, Mechthild Klamm, Thomas Koiki, Jan-Heinrich Bunnenfeld und Ralf Schwarz sowie von der MLU Halle-Wiitenberg Gregor Borg. Hinzu kommen aus Mannheim Gerhard Brügmann und aus Freiburg Jörg Adam. Die meisten dieser Wissenschaftler sind schon seit Längerem mit der Himmelsscheibe von Nebra verbunden, z.T. seit der Erstbeschreibung. Man kann also kaum von unabhängigen Wissenschaftlern sprechen. Eher ist dies die erwartbare Reaktion auf die Kritik an der zeitlichen Einordnung. Die Debatte um die Kritik aus München ist also mitnichten beendet.

part am 13.11.2020

Die Himmelscheibe ist das eine Artefakt, die Schwerter in der Austellung der Arche, ob Orginal oder als Nachbildung weisen von der Größe des Griffes auf Träger hin, die über sehr große Hände verfügt haben müssen. Entweder wurde hier nicht Maßstabsgerecht nachgebildet oder die Krieger von damals hatten Hände wie ...der berühmte Auspruch aus der Neuzeit...