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Covid-19Astrazeneca: Bessere Wirkung bei längerem Abstand zwischen Impfdosen

09. März 2021, 17:15 Uhr

Immer mehr Daten von bereits Geimpften zeigen: Der umstrittene Astrazeneca-Wirkstoff schützt so gut vor Corona, wie die mRNA-Impfungen – insbesondere dann, wenn mehr Zeit zwischen erster und zweiter Impfdosis vergeht.

von Clemens Haug

Daten aus England und Schottland haben es gezeigt: Der Vektorimpfstoff von Astrazeneca schützt auch Menschen über 65 Jahren zuverlässig gegen schwere Erkrankungen nach einer Infektion mit dem Sars-Coronavirus-2. Und zwar bereits nach nur einer Impfdosis. "Drei Wochen nach der ersten Impfung kommt die kritische Gruppe der Alten und Vorerkrankten nicht mehr in die Krankenhäuser", fasst Andrew Pollard die Daten aus Großbritannien zusammen. Pollard ist Professor an der Universität Oxford, wo die Entwicklung des Astrazeneca-Impfstoffs begann. Diese neuen Daten haben die Ständige Impfkommission (StiKo) in Deutschland dazu veranlasst, ihre Impfempfehlung anzupassen und Astrazeneca auch für Senioren zu empfehlen.

Immunantworten braucht Zeit, um auszureifen

Noch im Januar hatte die StiKo die Verwendung von Astrazeneca auf Menschen unter 65 Jahren eingeschränkt. Die Entscheidung begründete sie damals mit dem Mangel an Daten über die Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffs bei Älteren. Diese fehlenden Informationen konnten jetzt nachgeliefert werden, dank der praktischen Erfahrungen mit dem Impfstoff in Großbritannien. "Wir sind froh, dass die Empfehlungen für Deutschland jetzt angepasst wurden, das wird den Fortgang der Impfungen deutlich vereinfachen", sagt Bernd Salzberger, leitender Infektiologe am Universitätsklinikum Regensburg bei einem Pressebriefing des Science Media Centers Deutschland.

Professor Andrew Pollard von der Universität of Oxford. Bildrechte: University of Oxford, John Cairns

Und eine weitere, wichtige Erkenntnis liefern die Daten aus der Praxis: Die Effektivität der Astrazeneca-Impfung steigt offenbar, je größer der Abstand zwischen der ersten ("Prime") und der zweiten Impfung ("Boost") ist. "Viele Immunsysteme brauchen offenbar mehr Zeit, um ihre Antwort nach der ersten Dosis auszureifen. Je ausgereifter diese Antwort ist, desto besser der Effekt der zweiten Dosis", sagt Oxford-Forscher Pollard. Ähnliche Effekte hätten sich zuvor auch schon bei anderen Impfstoffen gezeigt, etwa bei der Impfung gegen Humane Papillomviren (HPV).

Nebenwirkungen bei zweiter Impfung geringer

Der zeitliche Abstand ist offenbar auch eine Ursache für das lange Zeit rätselhafte Ergebnis bei den klinischen Tests der Astrazeneca-Impfung. Damals war bei der britischen Versuchsgruppe eine höhere Effektivität des Impfstoffs gemessen worden, als bei der brasilianischen. Nun zeigt sich: Offenbar lag der beobachtete Unterschied nicht an den verabreichten Mengen des Impfstoffs, sondern am zeitlichen Abstand zwischen "Prime" und "Boost". Außerdem sei bislang keine Immunität gegen das Chadox-1 Impfvirus festgestellt worden, sagt der Forscher. Eine solche Immunreaktion war befürchtet worden und stand im Verdacht, die Impfwirkung abzuschwächen.

VektorimpfungDer Astrazeneca-Impfstoff ist wie Sputnik V aus Russland ein sogenannter Vektorimpftstoff. Dabei wird ein harmloser Erkältungsvirus seiner eigenen Erbinformation beraubt und stattdessen ein Stück Bauanleitung für das Coronavirus eingebaut. Das Impfvirus schleust diese Bauanleitung dann in das menschliche Immunsystem, wo Antikörper gegen das Coronavirus gebildet werden.

Eine weitere wichtige Erkenntnis betrifft die Nebenwirkungen. Dabei zeige sich ein umgekehrtes Bild zu den mRNA-Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna. Während dort viele Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit oder auch Fieber erst nach dem "Boost" auftreten, ist es bei der Vektorimpfung umgekehrt. Hier zeigten die aktuellen Daten, dass diese Effekte vor allem nach dem "Prime" auftraten und bei der zweiten Impfung viel seltener waren. Zudem ließen sie sich beim "Prime" mit Paracetamol abmildern, sagt Andrew Pollard.

Anpassung an Virusvarianten für Sommer geplant

Bezüglich der neuen Virusvarianten aus Brasilien und Südafrika ergibt sich ein gemischtes Bild. Im Fall der Mutation P.1 aus Brasilien gebe es bislang nur Daten für die mRNA-Impfung von Biontech. Dort sei kaum eine Schwächung der Impfwirkung festgestellt worden. Etwas anders ist das Bild für die Südafrikavariante B.1.351. Dort habe eine Studie mit jungen Versuchsteilnehmern gezeigt, dass die Astrazeneca-Impfung eine Infektion mit dem Südafrika-Virus nur selten verhindern könne. Allerdings seien alle Erkrankungen danach mild verlaufen. Es sei daher naheliegend, dass die Impfung nach wie vor schwere Covid-19-Verläufe auch mit B.1.351 verhindere.

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Zugleich planen die Forscher eine Weiterentwicklung und Anpassung des Impfstoffs gegen die Mutationen, sagt Sarah Gilbert, ebenfalls Forscherin an der Universität Oxford. "Wir sehen, dass überall auf der Welt ähnliche Veränderungen bei dem Virus auftreten und das ist eine gute Nachricht. Es bedeutet, dass wir nicht mit sehr vielen, sondern nur mit einer überschaubaren Anzahl an Mutationen zurechtkommen müssen." Die klinischen Tests für eine Anpassung der Astrazeneca-Impfungen seien bereits geplant und würden voraussichtlich in den Sommermonaten durchgeführt. Ebenso in der Pipeline seien Tests an Schwangeren und an Kindern.

Höhere Impfgeschwindigkeit zur "Mix and Match"

Sarah Gilbert ist Forscherin der Universität Oxford und war an der Entwicklung des Astrazeneca Impfstoffs gegen Corona beteiligt. Bildrechte: University of Oxford, John Cairns

Die Daten aus Großbritannien lassen auch in Bezug auf eine weitere offene Frage aufatmen. Steckten sich Geimpfte trotzdem mit dem Virus an, sei die Virenlast deutlich geringer, als bei nicht Geimpften, sagt Andrew Pollard. Zudem geben Geimpfte das Virus dann auch eine deutlich kürzere Zeit ab. Damit sind geimpfte Infizierte zwar nicht vollkommen ungefährlich für ihr Umfeld, aber deutlich weniger gefährlich als nicht Geimpfte.

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Weitere Studien im Vereinten Königreich sollen derzeit die Frage beantworten, ob verschiedene Impfstoffe für "Prime" und "Boost" kombiniert werden können. Hier deuten die ersten Daten darauf hin, dass die Immunantworten sehr robust sind, wenn für eine Impfung mRNA-Impfstoffe und für die andere Vektorimpfstoffe verwendet werden, sagt Forerschin Gilbert. Sollte dieses "Mixing and Matching" erfolgreich sein, würde es mehr Flexibilität bei den laufenden Impfkampagnen ermöglichen und damit die Geschwindigkeit weiter erhöhen.

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