Astronomie Ein Stern außerhalb der Milchstraße – zum ersten Mal in Nahaufnahme
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25. November 2024, 10:58 Uhr
Es ist eine astronomische Sensation: Die erste Nahaufnahme eines Sterns außerhalb unserer Galaxie, die jemals gemacht wurde. Und sie zeigt ein Monster mit staubiger Hülle, das jederzeit explodieren kann.
WOH G64 ist ein sterbender Stern. Umgeben von einer Hülle aus Staub und Gas, die der Stern am Ende seines stellaren Lebenszyklusses verliert – bevor er zur Supernova wird. Dieser gigantische Stern ist 2.000-mal größer als die Sonne. Die Astronomen bezeichnen ihn auch als Behemoth-Stern nach dem Ungeheuer im Alten Testament.
Er befindet sich jenseits der Milchstraße in der Großen Magellanschen Wolke (GMW), unserer Nachbargalaxie, rund 160.000 Lichtjahre entfernt. GMW gehört wie die Milchstraße zur sogenannten Lokalen Gruppe und ist von der Südhalbkugel der Erde im Sternbild Schwertfisch gut zu sehen. Sie ist übrigens auf Kollisionskurs mit unserer Galaxie, aber bis das passiert, haben wir voraussichtlich noch zweieinhalb Milliarden Jahre Zeit.
Aber zurück zu WOH 64. Wie haben die Astronomen der Europäischen Südsternwarte ihn entdeckt und ein Foto von ihm gemacht? Dazu nutzten sie das VLTI-Instrument, das Very Large Telescope Interferometer. Wer einen Physik-Leistungskurs in der Schule hatte, wird sich vielleicht erinnern, dass Interferometrie etwas mit der Interferenz, also der Überlagerung von Wellen zu tun hat. Astronomen nutzen das, um das Potential ihrer Teleskope zu vergrößern, indem sie aus vielen einzelnen, auch kleinen, ein großes virtuelles Teleskop machen. Und so gelang die Aufnahme von WOH G64 dank eines 2016 installierten Instruments namens Gravity. Das ist in der Lage, das Licht der vier großen 8-Meter-Hauptteleskope oder der vier kleinen Teleskope zu kombinieren.
Nur so gelang es, den Stern und seinen Kokon aus Staub und Gas zu deutlich sichtbar zu machen. Bisher haben Astronominnen und Astronomen etwa zwei Dutzend vergrößerte Bilder von Sternen in unserer Galaxie aufgenommen und so deren Eigenschaften erforscht, schrieben die Astronomen der Eso. Doch es gibt unzählige weitere Sterne in anderen Galaxien, die so weit entfernt sind, dass es bisher eine extreme Herausforderung war, auch nur einen von ihnen im Detail zu beobachten. Bis jetzt. "Wir sind begeistert, weil dies mit dem heftigen Ausstoß von Material des sterbenden Sterns vor einer Supernova-Explosion zusammenhängen könnte", sagt Keiichi Ohnaka, Astrophysiker an der Universidad Andrés Bello in Chile. Er hat mit seinem Team die Entdeckung gemacht und die Ergebnisse in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics veröffentlicht.
Die neuen Aufnahmen zeigt Erstaunliches, so Gerd Weigelt, Professor für Astronomie am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn und Mitautor der Studie. "Wir haben festgestellt, dass der Stern in den vergangenen zehn Jahren eine erhebliche Veränderung erfahren hat, was uns die seltene Gelegenheit bietet, das Leben eines Sterns in Echtzeit zu beobachten." Wir werden also Zeuge davon, wie ein Stern vergeht. Ein Prozess, der Tausende von Jahren andauern kann.
"Dieser Stern ist einer der extremsten seiner Art, und jede drastische Veränderung kann ihn einem explosiven Ende näherbringen", fügt Co-Autor Jacco van Loon, Direktor des Keele Observatory an der Keele University, Großbritannien, hinzu. Es könnte also jederzeit passieren, dass wir eine Supernova in der Großen Magellanschen Wolke beobachten. Die Astronomen werden jedenfalls weiter hinschauen. Demnächst auch mit dem Update des Gravity-Instruments Gravity+, das laut ESO "die Abbildung von schwächeren und weiter entfernten astronomischen Objekten als bisher ermöglichen" soll.
Links/Studien
Die Studie "Imaging the innermost circumstellar environment of the red supergiant WOH G64 in the Large Magellanic Cloud" ist in Astronomy and Astrophysics erschienen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 20. November 2024 | 17:00 Uhr