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Was hat die Silberlinde mit der griechischen Mythologie zu tun? Und was ist ihr Rezept für hohe Hitze, was macht sie anders als andere Bäume?

MDR FERNSEHEN Mi 02.11.2022 15:30Uhr 04:19 min

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Bäume im Klimawandel Die clevere Silberlinde und ihre Tricks

07. November 2022, 10:20 Uhr

Was hat die Silberlinde mit der griechischen Mythologie zu tun? Und was ist ihr Rezept für große Hitze, was macht sie anders als andere und damit zum Kandidaten für die Bäume, die für den Klimawandel gerüstet sind?

Sie waren ein Ehepaar, arm, aber herzlich, Philemon und Baucis, zwei Figuren der griechischen Mythologie. Eines Tages standen vor ihrem Häuschen zwei arme Wanderer, die im ganzen Dorf abgewiesen und davongejagt wurden.

Historischer Holzschnitt: Zwei Personen verwandeln sich in Bäume, aus den händen sprießen Zweige anstelle von Fingern
Die Verwandlung von Philemon und Baucis, dargestellt in einem Holzschnitt Bildrechte: imago images/KHARBINE-TAPABOR

Die freundlichen Eheleute jedoch nahmen die beiden auf und bewirteten sie. Dabei ahnten sie nicht, dass in Wirklichkeit die Götter Jupiter und Hermes bei ihnen zu Gast waren. Zum Dank erfüllte sich ihr Wunsch, gemeinsam und gleichzeitig sterben zu können: als ihre Zeit gekommen war, verwandelten sie sich im Sterben in zwei eng umschlungene Bäume: Philemon in eine Eiche und Baucis in eine Linde.

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Die Silberlinde ist anhand ihrer rundlichen, eiförmigen Krone leicht zu erkennen. Bildrechte: imago/blickwinkel

Diese Linde muss eine Silberlinde gewesen sein. Denn sie stammt ursprünglich aus Südosteuropa, dem ehemaligen Jugoslawien, der Balkanregion und Nordgriechenland. Dort also, wo die griechische Mythologie ihren Ursprung hat. Auch im Bergland in der nördlichen Türkei gibt es Silberlinden, ergänzt Roland Strunk. Er ist Gartenexperte in den Saalebaumschulen Halle und hat täglich mit Klimawandelbäumen zu tun. Die dekorative Silberlinde mag er besonders. "Die Krone ist rundlich, eiförmig, kompakt-buschig, zudem ist die Silberlinde winterhart und kommt mit hohen Temperaturen ganz gut zurecht. Auch trockenheitsresistent ist sie. Die wird auf jeden Fall im innerstädtischen Bereich ihre Zukunft haben."

Die Zauberwaffe der Silberlinde

Je nach Standort werden Silberlinden bei uns 15 bis 25 Meter hoch. In unseren Breiten gibt es sie seit dem 19. Jahrhundert. Reisende aus Südosteuropa brachten sie mit und wegen ihres dekorativen Aussehens pflanzte man sie als Zierbäume in Parks.

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Hier sieht man den Unterschied zwischen ober- und Unterseite der Silberlindenblätter recht gut. Bildrechte: imago images/Panthermedia

Besonders exotisch, gerade im Vergleich zu den einheimischen Linden, wirken ihre Blätter, die an der Unterseite silbrig glänzen. Und genau diese Blätter sind auch ihre Zauberwaffe im Kampf gegen Sonne und Hitze, weiß die Biologin Susanne Böll, die im Forschungsprojekt "Stadtgrün 2021" unterschiedliche Bäume über mehr als zehn Jahre untersucht hat. Bei der Silberlinde konnte sie bei hoher Sonneneinstrahlung ein ganz besonderes Phänomen beobachten: Es ist eindeutig, dass sie zur Sonnenseite hin, oben in der Krone ihre Blätter nach außen drehen. Und die sind unterseitig silberfarben, weiß und auch sehr flauschig. "Das heißt, die heizen sich zum einen von Haus aus nicht so auf, weil sie diesen Pelz haben. Und zum anderen reflektieren sie."

Blätterdrehen zur Abkühlung

Wie ein Spiegel wirft die Silberlinde also das Sonnenlicht zurück, wenn es zu viel wird. Dadurch reguliert sie ihre Temperatur um zwei bis drei Grad nach unten. "Das ist oft entscheidend", sagt Susanne Böll, "denn damit bleibt der Baum meist unter der 40-Grad-Marke". Und das kennt man ja von uns selber, ab 40 Grad Fieber wird es kritisch, und das ist bei Pflanzen nicht anders. "Da fangen die Proteine an, sich zu zersetzen, und die heimischen Arten sind schon häufiger über dieses Limit gegangen. Und das macht was mit den Blättern." So übersteht die Silberlinde Hitzeperioden also unbeschadet, indem sie ihre Blätter als "Spiegelschutzschild" benutzt.

Wozu der späte Laubabwurf gut ist

Für einen Baum sind heiße Sommertage aber immer auch verlorene Tage, denn wenn die Temperaturen zu hoch sind und es zu trocken ist, können die Bäume keine Nährstoffe aufnehmen und nicht wachsen, erklärt Roland Strunk. Die Silberlinde habe auch dafür einen Trick: Sie kann ihre Vegetationszeit ein bisschen verlängern, indem sie später das Laub abwirft. Sie kann im Nachhinein noch einmal mehr assimilieren, das bedeutet also Nahrung durch Photosynthese. Sie ist dann etwas später mit einem Laubfall, der sich aber nur um ein paar Tage verschiebt. "Aber die Bäume können durch eine verlängerte Vegetationsperiode diese heißen Tage noch mal ein bisschen besser ausgleichen als die Einheimischen."

Silberlinde: der gedeckte Tisch für späte Insekten

Auch für die heimische Insektenwelt ist die Silberlinde sehr nützlich. Das liegt an ihrer günstigen Blütezeit, sagt Roland Strunk. Sie blüht Ende Juli bis Anfang August. Gut für die Bienen, denn im Spätsommer ist mit Baumblüte sonst nicht mehr viel zu holen. Die meisten Bäume blühen im Frühjahr und die Linde ist spätblühend und deshalb auch wichtig. Nützlich ist die Silberlinde außerdem für die Medizin. In ihren Knospen stecken Substanzen, die die Nerven stärken und bei Unruhe, Schlafstörungen und Ängsten helfen. Da ist es doch schon irgendwie beruhigend, so einen Baum künftig häufiger in der Nähe zu haben.

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