Psychologie | Studie Wahrheit oder Lüge? Für Beziehungen gibt es eine klare Antwort

10. Februar 2025, 15:11 Uhr

Ihr Lieblingsmensch kommt heim, hat eine neue Frisur, die Ihnen nicht gefällt, und fragt: "Und? Gefällt's dir?" Wie halten Sie es dann mit der Wahrheit?

Mehrfachauswahl möglich

Toll, wenn Ihnen die neue Frisur gleich aufgefallen ist und gefällt. Schwierig, wenn nicht. Jedenfalls am Anfang. Das könnte dann so ein Moment sein, wie beim Vereinstreffen oder beim Elternabend, wenn gefragt wird, wer übernimmt dies oder jenes. Und alle kramen plötzlich geflissentlich in ihren Taschen, suchen nach Stiften, die plötzlich runtergefallen sind, gucken betreten zu Boden, tuscheln mit Nachbarn oder vertiefen sich ins Naseputzen. Frei nach dem Motto: Erst mal Zeit gewinnen ...

Kurzer Schmerz, lange Wohlfühl-Wirkung

Dabei ist die Lösung ganz einfach: Wer bei der Wahrheit bleibt, selbst wenn sie schmerzt, fährt besser. Wer lügt, riskiert Unfrieden und Misstrauen in der Beziehung. Ehrliche Aussagen dagegen führten bei beiden Partnern zu mehr Zufriedenheit, sowohl bei der Person, die ehrlich antwortete, als auch bei der Person, die mit einer unangenehmen Aussage konfrontiert wurde. Das jedenfalls legt eine Studie nahe, die bei 214 Paaren in Gesprächen untersucht hat, was (schmerzhafte) Ehrlichkeit in funktionierenden Beziehungen bewirkt. Allerdings ging es in den Laborgesprächen nicht um Frisuren, sondern um die Beziehung bedrohende Veränderungswünsche beim Partner. Die Paare wurden im Abstand von drei Monaten befragt, wie es ihnen mit den ehrlichen Antworten ihrer Partner bei Wünschen nach Veränderungen ging.

Eine Frau und ein Mann sitzen offensichtlich nach einem Streit auf einem Sofa
Ehrlichkeit kann Folgen haben ... lügen aber auch Bildrechte: IMAGO/Zoonar

Der Schaden durch den momentanen Schmerz, ausgelöst durch eine ehrliche Antwort, war kleiner als dagegen der Nutzen für die Beziehung. Das zeigte sich sowohl für die Beziehung an sich, als auch die beiden Einzelpersonen. Die ausgedrückte und wahrgenommene Ehrlichkeit sorgte so für mehr Wohlbefinden und stärkere Beziehungszufriedenheit. Außerdem erhöhte die Ehrlichkeit im Gespräch die Motivation, dass sich der Partner auf eine Verhaltensänderung einließ.

Spannend: Wir lügen leichter, wenn wir das Gegenüber nicht mögen

Ein weiterer Faktor beim Lügen ist die Einstellung zum Gegenüber, vor allen Dingen, wenn es sich um eine unbeliebte offizielle Instanz handelt. Das zeigt eine Studie, an der außer der Uni Kiel auch das Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) uni Leipzig beteiligt waren. Untersucht wurde, ob sich Menschen in derselben Sache anders verhalten, wenn sie dem Gegenüber positiv oder negativ gestimmt waren.

Getestet wurde das an Fischern, die unpopuläre EU-Entscheidungen umsetzen müssen. Knapp 900 deutsche Berufsfischer erhielten einen Brief, der eine Umfrage zu ökonomischen Entscheidungen ankündigte. Darin enthalten war auch die Aufgabe, vier Mal eine Ein-Euro-Münze zu werfen und den Forschenden zu melden, wie oft die Kopf- bzw. Zahlseite oben lag.

Wirf eine Münze
Bildrechte: IMAGO / Panthermedia

Für jede Zahl-Meldung gab es 5 Euro. Allerdings gabe es drei verschiedene Brieftypen, entweder enthielten die Briefköpfe nur die Logos der Universitäten, die Logos der Universitäten und die der EU, oder die Logos der Universitäten, die EU-Flagge und einen Hinweis auf die Finanzierung der Studie. Alle 120 Personen, die an der Umfrage teilnahmen, wussten, dass ihre Angaben nicht kontrolliert werden konnten.

Ergebnis: Stand die EU-Flagge im Briefkopf, log jeder dritte Fischer; enthielten die Briefe nur die Uni-Logos, antworteten immerhin vier von fünf Fischern wahrheitsgemäß. Die Variante mit Hinweis auf die Finanzierung der Studie zeigte keinen messbaren Einfluss.

Woran erkannten die Forscher die Lüge?

Aber woher weiß man, dass die Fischer logen, wenn doch nicht kontrolliert wurde? Das ließ sich aus zwei anderen Tests ableiten. Zum einen, aus dem Abgleich, ob die Fischer, die Ein-Euro-Münze zurückschickten, und der Anzahl der gemeldeten Zahl-Würfe. Und aus einer weiteren Aufgabe, die zum Schummeln einlud. Die Fischer mussten aus einem beigefügten Blatt Schnipsel reißen und angeben, ob sie fünf Cent pro Schnipsel erhalten wollten, oder lieber 15 Cent pro Schnipsel, wenn sie mehr Schnipsel eingeschickt hätten als ein willkürlich gewählter Vergleichspartner. Die zurückgeschickten Schnipsel wurden gewogen, um zu sehen, ob die Versuchspersonen fremdes Papier beigemischt hatten. Bei zehn Ensendungen war das der Fall, und in diesen Fällen war auch die Anzahl der Münz-Zahl-Würfe höher gewesen. Aus diesen Zusatzinformationen leitete das Forschungsteam Schlüsse über die Ehrlichkeit der Probanden ab.

Der erste Lügner soll der Teufel gewesen sein.  Seitdem gilt die Lüge als Sünde und als etwas Schlechtes.  Aber das stimmt nicht ganz.   11 min
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Der erste Lügner soll der Teufel gewesen sein. Seitdem gilt die Lüge als Sünde und als etwas Schlechtes. Aber das stimmt nicht ganz.

Mi 25.12.2024 12:00Uhr 10:48 min

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Aber warum lügen wir überhaupt oder vermeiden die Wahrheit?

Wissenschaftlich lassen sich Lügen in verschiedene Typen einteilen. Da gibt es zum Beispiel die selbstlosen, sozialen Lügen: Kennen wir alle, die Märchen vom Osterhasen, dem Weihnachtsmann, dem Nikolaus, der Zahnfee ... Dann sind da die Lügen, die anderen schaden; und solche, die andere schützen sollen. Kennt man vielleicht noch aus der Schule, wenn man den Banknachbarn nicht reinreißen will, oder schlicht den anderen nicht verletzen will, wie auch die Hallenser Psychologin Annegret Wolf in einem Gespräch mit dem MDR erklärt: "Die Wahrheit tut manchmal einfach auch weh. Da geht es auch darum Kosten und Nutzen abzuwägen, wenn man zum Beispiel in einer Runde mit anderen Personen nicht möchte, dass sich der Partner blamiert, dann sollte man auch ehrlich und direkt sein." Eine schmerzhafte Wahrheit kann man dann zum Beispiel einleiten mit "Ich möchte dich nicht verletzen, aber ..."

Links/Studien

Die Studie der Universität Rochester "Expressed and Perceived Honesty Benefits Relationships Even When Couples Are Not Accurate" finden Sie über folgende digitale Kennnung: DOI 10.1177/19485506241312876 

Die Studie "Truth-telling and the regulator. Experimental evidence from commercial fishermen" lesen Sie hier im Original.

lfw

Dieses Thema im Programm: MDR | Die großen Fragen in 10 Minuten | 25. Dezember 2024 | 12:00 Uhr

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