
NS-Verbrechen Mit Partizipation gegen das Vergessen
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06. Mai 2025, 05:00 Uhr
Viele Gedenkstätten, Museen und Archive nutzen partizipative und digitale Formate für ihr Bildungsangebot. Eine neue Studie hat jetzt gezeigt, dass diese Form der Wissensvermittlung aktive Erinnerungsarbeit befördert.
Das Ende der NS-Herrschaft jährt sich dieser Tage zum 80. Mal. In den letzten Tagen, Wochen und Monaten fanden die runden Jubiläen der Befreiungen der Konzentrationslager mit den letzten Zeitzeugen des deutschen Terrors als Gäste und Redner statt. Schon lange stellt sich die Frage, wie die Erinnerung an die Verbrechen aufrechterhalten werden soll, wenn jene Überlebenden nicht mehr da sind. Viele Einrichtungen, die sich mit der Geschichte des Nationalsozialismus befassen, setzen schon lange auf aktive Erinnerungsarbeit statt auf reine Informationsvermittlung. Eine neue Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), der Arolsen Archives und der Hertie School hat die Wirksamkeit von solchen partizipativen und digitalen Bildungsangeboten jetzt untersucht.
Partizipative Methoden "stärken das Vertrauen in die eigene Wirksamkeit"
In zwei randomisierten Studien mit knapp 1.500 Personen half ein Teil der Teilnehmenden aktiv dabei, Karten von Häftlingen des Konzentrationslagers Buchenwald zu digitalisieren, während der andere Teil nur passiv teilnahm – die Teilnehmenden also hier entweder gar keine Informationen bekamen oder lediglich über die NS-Verfolgung und die archivierten Dokumenten informiert wurden.
In einer anschließenden Befragung zeigte sich, dass die aktive Gruppe stärker motiviert war, sich an Gedenkprojekten zu beteiligen. Auch ihre Bereitschaft, sich gegen Diskriminierung und für Menschenrechte einzusetzen, war höher als in den Vergleichsgruppen. Besonders hoch war ihre Motivation, einer Initiative beizutreten oder eine Petition zu unterschreiben, die sich gegen Antisemitismus richtet.
Erinnerungsarbeit kein "Nullsummenspiel"
"Unsere Ergebnisse belegen das Potenzial partizipativer Ansätze im Vergleich zu traditionellen Methoden, die sich auf reine Informationsvermittlung konzentrieren", sagt Studienkoordinatorin Ruth Ditlmann von der Hertie School. "Sie stärken das Vertrauen in die eigene Wirksamkeit – ein zentraler Motor für bürgerschaftliches Engagement."
Dazu zeigte sich, dass die aktive Auseinandersetzung mit den NS-Taten auch das Bewusstsein für andere historische Verbrechen schärfte. So waren Teilnehmende anschließend stärker motiviert, Opfern des deutschen Kolonialismus zu gedenken oder Archive zu unterstützen, berichten die Studienautoren. WZB-Forscherin Berenike Firestone erklärt: "Dies steht, zumindest auf der individuellen Ebene, im Gegensatz zur Annahme, Erinnerungsarbeit sei ein Nullsummenspiel, bei dem unterschiedliche Gedenkanlässe um Aufmerksamkeit konkurrieren."
Link zur Studie
Die Studie "Participating in a Digital-History Project Mobilizes People for Symbolic Justice and Better Intergroup Relations Today" von Ruth Ditlmann, Berenike Firestone und Oguzhan Turkoglu ist in der Zeitschrift "Psychological Science" erschienen.
idw/jar
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Nachrichten | 04. Mai 2025 | 15:30 Uhr
MDR-Team vor 5 Tagen
@Shantuma:
Es ist wichtig, unterschiedliche Perspektiven auf Geschichte ernst zu nehmen – besonders in einer vielfältigen Gesellschaft. Dennoch gilt: Bei Themen wie den Verbrechen des Nationalsozialismus sind die historischen Fakten eindeutig belegt und wissenschaftlich aufgearbeitet. Verschiedene Blickwinkel können zur Diskussion beitragen, aber sie dürfen nicht dazu führen, gesicherte Tatsachen zu relativieren.
Dies hat nichts mit mangelndem Respekt zu tun, sondern mit der Verantwortung, Geschichte einzuordnen und daraus zu lernen.
Und nun kehren Sie bitte zum Thema des Artikels zurück führen die Debatte sachlich.
Shantuma vor 5 Tagen
@MDR-Team:
"Partizipative Bildungsformate wollen Menschen nicht bevormunden, ..."
Habe ich überhaupt nicht behauptet.
Dazu kommt auch, dass ich partizipative Bildungsformate gut finde, und genau deshalb, jeden der gerne von Kriegsertüchtigung redet gerne eine partizipative Erfahrung zukommen lassen würde. Die Möglichkeit besteht und jeder Demokratie-Verteidiger kann sich dann messen lassen.
"... historischen Fakten."
Die Faktenlage ist sehr umfassend und je nach Standpunkt kann diese unterschiedlich interpretiert werden.
Wie ich es eben mit meiner Konversation mit einem Inder beschrieben habe.
Das ist auch keine Herausforderung der Deutungshoheit, sondern Respekt vor der Geschichte und unterschiedlicher Standpunkte.
Ein Konzept, was dem MDR wohl völlig fremd ist.
MDR-Team vor 5 Tagen
Hallo Pattel,
wenn wir aufhören zu erinnern, überlassen wir die Deutungshoheit denen, die Verdrängung oder Verharmlosung betreiben. Erinnern heißt nicht, in der Vergangenheit zu verharren, sondern Lehren für die Gegenwart zu ziehen: Es geht um demokratische Werte, Respekt vor Minderheiten und Wachsamkeit gegenüber Rassismus und Menschenfeindlichkeit. Partizipative Bildungsformate, bei denen sich junge Menschen aktiv mit den Geschichten von Opfern und Überlebenden auseinandersetzen, schaffen eigene, authentische Bezüge. Wer selbst forscht, diskutiert oder kreativ arbeitet, übernimmt Verantwortung und erkennt, wie wichtig aktives Erinnern und Engagement für unsere Gesellschaft sind.
Viele Grüße vom MDR WISSEN-Team