Anschauen reicht nicht Selbstüberschätzung: Das habe ich bei Youtube gelernt!

07. Mai 2018, 16:48 Uhr

Einfach lernen durch Video-Tutorials: Eine Studie von US-Psychologen zeigt, je öfter Menschen einen Trick per Film vorgeführt bekommen, desto schneller glauben sie, sie könnten das Kunststück einfach nachmachen. Doch sie irren sich.

Es ist eine hübsche Illusion: Die Kraultechnik beim Schwimmen lernen, in dem man sich einfach die richtigen Youtube-Videos anschaut. Sogenannte Tutorials gehören zu den beliebtesten Genres auf Googles Videoplattform. In zahlreichen Filmen führen Menschen Tricks beim Sport, im Haushalt oder beim Heimwerken vor.

Einfach anschauen und dann nachmachen? Tatsächlich sitzen offenbar viele Zuschauer dem Irrglauben auf, man könne durch ein paar Mal Film anschauen komplizierte Fähigkeiten lernen. Das zeigt jetzt eine Studie der US-Psychologen Michael Kardas und Ed O'Brien von der Universität Chicago, die im Fachjournal Psychological Science veröffentlich wurde.

Videotutorials sind beliebteste Lernhilfen

Einer Umfrage der Forscher zufolge waren Video-Tutorials bei mehr als zwei Drittel aller Befragten die beliebteste Lernhilfe. Fast drei Viertel gaben an, im Vergleich mit Texten oder Audios seien Videoinhalte am leichtesten zu verstehen. 72 Prozent glaubten, sie seien auch die effektivsten Mittel, etwas Neues zu lernen.

Mit sechs Experimenten testeten die Forscher schließlich praktisch, wie sehr Versuchsteilnehmer nach dem bloßen Ansehen von Filmen glaubten, sie könnten das Gesehene einfach nachmachen. Zunächst zeigten sie den sogenannten Tischtuchtrick. Dabei zieht ein Mensch eine Decke von einem Tisch, ohne das darauf stehende Geschirr zu beschädigen.

Von Darts bis Moonwalk: Zuschauer neigen zur Selbstüberschätzung

Wer das Video mehr als einmal zu sehen bekam, gab auf einer Skala von 1 ("Ich habe keine Chance, das zu schaffen") bis 7 ("Ich werde das auf jeden Fall schaffen") im Durchschnitt eine "4" an. Eine signifikante Menge von Befragten traute sich also zu, den Tischtuchtrick ohne weiteres Üben nachmachen zu können.

Mit weiteren Tests zeigten die Forscher auch, dass die Untersuchungsteilnehmer immer zu ähnlichen Selbstüberschätzungen kamen, egal ob sie Videos von einem Darts-Wettbewerb, Michael Jacksons Moonwalk oder einem Computer-Labyrinth-Spiel vorgeführt bekamen. Nur eine Konfrontation mit der Realität holte die Selbsteinschätzung wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Wer ein Video über Jonglage sah und danach ein paar Jonglage-Kegel in die Hand nehmen sollte, traf wieder realistische Einschätzungen darüber, wie viel er in dem Video wirklich gelernt hatte.

Gefahr: Riskante Aktivitäten ohne Übung

Anderen Menschen zuzusehen vermittle oft einen falschen Eindruck darüber, welche Fähigkeiten für einen besonderen Trick wirklich nötig seien, schreiben die Forscher. In den Filmen fehlten dagegen Informationen über die Anforderungen an die eigene Körperkoordination oder an die Sensorik. Es sei zwar positiv, dass sich Menschen nach dem Ansehen von Videos neue Erfahrungen zutrauen. Aber die Filme könnten auch riskante Verhaltensweisen fördern, wenn Menschen glauben, nicht viel üben zu müssen, bevor sie einen gefährlichen Sport beginnen, so die Autoren der Studie.

Und wenn Sie jetzt auch das Gefühl haben, dass Ihnen das irgendwie bekannt vorkommt, dann liegt das vielleicht daran, dass Sie diesen Song in den 1990er-Jahren gehört haben.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 10. März 2018 | 18:51 Uhr