Studie Tiere in der Kindheit helfen gegen Stress als Erwachsener

02. Mai 2018, 19:12 Uhr

Kontakt mit Nutztieren hält gesund, denn die halten das Immunsystem nicht nur fit, sondern sorgen auch dafür, dass es in Stresssituationen gelassener reagiert. Das hat ein internationales Forscherteam herausgefunden, indem es die Reaktionen des Immunsystems von Stadtmenschen und Landbevölkerung in Stresssituationen verglichen hat.

Stadtmenschen haben selten direkten Kontakt zu Kühen, Ziegen oder Schweinen. Die Folgen sind bekannt - die Stadtbevölkerung leidet häufiger unter Allergien und Asthma als Menschen auf dem Land.

Eine Kuh steht in einem Stall.
Bildrechte: MDR/Juliane Maier-Lorenz

Und es kommt noch dicker: Das Immunsystem des Städters reagiert auch auf Stress stärker als das von Landmenschen, wie ein Forschungsteam um Professor Dr. Stefan Reber herausgefunden hat. Reber leitet die Sektion für Molekulare Psychosomatik an der Ulmer Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Grund für die Überreaktionen des Immunsystems ist der fehlende Kontakt zu den "Stressfressern" aus dem Kuhstall, also zu Umweltbakterien, mit denen der Mensch Jahrtausende zusammengelebt hat - und mit denen Menschen in der Großstadt heute kaum oder gar keinen Kontakt mehr haben.

Das Team der Unis Ulm, Erlangen, London und Boulder in den USA untersuchte die Antworten des Immunsystems von 40 Männern auf eine gestellte Stresssituation: Sie mussten ein fingiertes Bewerbungsgespräch mit steigendem Stresslevel absolvieren, bei dem zwischendurch Kopfrechenaufgaben gelöst werden sollten und bei Fehlern von vorn angefangen wurde.

Warum wurde so ein enges Probanden-Raster gewählt? Für die Studie wurde die größtmögliche Vergleichbarkeit angestrebt und deshalb gezielt extreme Gegensätze in der Probandengruppe gewählt, sagt Stefan Rebner im Gespräch mit MDR Wissen. Gesunde junge Männer, die auf dem Land mit Nutztieren bzw. in Städten über 100.000 Einwohnern ohne Haustiere aufgewachsen waren.

Anhand der Speichel- und Blutproben vor und nach dem Test ließ sich die körperliche Stressreaktion vergleichen: Bei Großstadt-Probanden, die ohne Haustiere aufgewachsen waren, stieg nicht nur der stressinduzierte PBMC-Wert stärker - auch die Werte für den Entzündungsmarker Interleukin 6 blieben länger erhöht als bei den "Ländlern". Städter ohne Tierkontakt produzierten außerdem deutlich weniger Interleukin 10 (eine antientzündlich wirkende Substanz) als die Menschen auf dem Land, die mit Tieren großgeworden waren. Nur bei der Bewertung des gefühlten Stresslevels und dem basalen Stresshormonlevel zeigten die Landbewohner höhere Werte in Blut und Speichel als die Großstadt-Probanden.  

Was die Kuh auf dem Land, ist für die Städter der Hund?

Wie kann nun die Stadtbevölkerung ihren Immunhaushalt fit halten und den der Kinder trainieren? "Der wichtigste Zeitraum für einen lebenslangen Effekt sind die ersten drei Lebensjahre", sagt Professor Reber im Gespräch mit MDR Wissen und setzt nach:

Leider ist der Effekt nicht vererbbar.

Stefan Rebner

Bei Versuchen mit Mäusen hatte Reber schon früher nachgewiesen, dass sich die Stressresilienz der Tiere, auch bei erwachsenen Exemplaren, durch eine Impfung mit altbekannten Umweltbakterien verbessern lässt. Ob sich das eins zu eins auf den erwachsenen Menschen übertragen lässt, ist noch unbekannt, weil noch nicht untersucht. Mit welchen Tieren können denn Städter ihr Immunsystem trainieren? Reber rät zu großen Tieren mit viel Fell im Haushalt, also in der Stadt am ehesten Hunde. Eine hervorragende Idee seien auch Bauernhof-Kindergärten, in denen Kinder täglich Kontakt zu Tieren hätten.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | LexiTV | 26. April 2018 | 15:00 Uhr