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Elterntaxi vs. FußbusWarum Kinder den Schulweg selbst gehen sollten

31. August 2020, 16:39 Uhr

Die Schule hat begonnen und schon gibt es die ersten Meldungen über Staus vor den Eingängen. Gefundenes Fressen für die Satireseite "Der Postillon", die meldet, dass nun endlich die erste Drive-In-Schule eröffnet wurde, in der die Eltern die Kinder direkt ins Klassenzimmer bringen können. Klingt nach großem Spaß, hat aber einen ernsten Hintergrund. Denn Kinder mit dem Auto zur Schule zu bringen, ist nicht so gut, wie manche Eltern meinen.

Eins vorweg. Ja, es gibt sicher Gründe, warum Schüler nicht anders zur Schule kommen als mit dem Elterntaxi. Auch Corona zählt in diesem Jahr sicher dazu. Aber trotzdem sind es vermutlich weniger als man denkt.

Nehmen wir an, es gibt einen funktionierenden Nahverkehr, Schulbus oder einen Schulweg, den man zu Fuß schafft. Was bleibt dann noch übrig? Eigentlich nur Gründe, die gegen das Elterntaxi sprechen.

Vertrauen

Wer Kindern kein Risiko zutraut, bringt sie indirekt erst recht in Gefahr. Das sagt Herbert Renz-Polster, Kinderarzt, Wissenschaftler und Autor im Gespräch mit MDR Kultur.

Wir reden viel davon, dass unsere Kinder selbstständig sein sollen, reden von Autonomie. Und genau das ist eigentlich ein Übungsfeld für Autonomie: Selbstständigkeit, soziale Kompetenz, miteinander in der Gruppe Sachen aushandeln – das Gefühl: Das packe ich, das schaffe ich, ich bin groß. Die Kinder wachsen natürlich an solchen Dingen.

Herbert Renz-Polster, Kinderarzt

Auch der ADAC unterstützt das. Denn Kinder entwickeln kein Risikobewusstsein oder Verständnis für den Straßenverkehr, "wenn sie von den Eltern mit dem Auto zur Schule gebracht werden", sagt ADAC-Verkehrsexperte Ronald Winkler.

Unfälle

Ist der Schulweg im Elterntaxi sicherer? Nicht unbedingt. In der Broschüre "Das 'Elterntaxi' an Grundschulen" zitiert der ADAC aus einem Bericht des Statistischen Bundesamtes. Das hatte 2016 die Zahlen verletzter Sechs- bis Neunjähriger bei Verkehrsunfällen ermittelt.

Traurige Spitzenreiter der Zählung mit 3.247 Verletzten sind die Autokinder. Unter Fußgängern gab es 2.328 Verletzte, unter Radfahrern waren es mit 1.860 noch weniger. Verursacher vieler Unfälle sind dem ADAC zufolge oft die autofahrenden Eltern. Da werden in der morgendlichen Hektik Kinder übersehen oder riskante Park- oder Wendemanöver gehen schief und es kracht.

Üben

Natürlich heißt das nicht, dass Sie Erstklässler sofort allein zur Schule gehen lassen sollten. Man solle sein Kind gut beobachten und dann einschätzen, wie viel oder wie lange es Begleitung brauche, sagt Gritt Blümle von der Leipziger Verkehrswacht. "Man kann es ruhig mal alleine losziehen lassen und sich aus dem Hintergrund anschauen: Nimmt es den sicheren Weg zur Schule, schaut es richtig hin, vor dem Überqueren der Straße."

Gemeinsam zur Schule. Da lernt man was. Bildrechte: IMAGO / Rust

Eine gute Möglichkeit sei auch der sogenannte Fußbus, bei dem sich Kinder treffen und zusammen zur Schule gehen. Dabei passen die Kinder gegenseitig aufeinander auf und sind als Gruppe für andere Verkehrsteilnehmer auch besser zu sehen.

Kinderarzt Polster sieht das ähnlich. "Ich denke, die Eltern begleiten ihre Kinder. Und dann merken sie irgendwann: Mein Kind hat jetzt gelernt, vorausschauend zu denken." Und das beginnt schon schon im Grundschulalter.

Ersten Schulweg gemeinsam abgehen, dann klappt es später auch allein. Bildrechte: imago/pictureteam

Auch der ADAC unterstützt das und rät, Kinder bereits in der ersten Klasse allein zur Schule gehen zu lassen – nachdem man den Schulweg mit den Kleinen bereits vor dem ersten Schultag abgelaufen ist und geübt hat. “Hierzu gibt es für viele Schulen Schulwegpläne mit empfohlenen Querungsstellen und Verhaltenstipps“, so ADAC-Verkehrsexperte Ronald Winkler.

Noten

Und wenn das alles abgewogen ist, hier noch ein Argument. Autofahrten machen Kinder antriebslos, hat eine Untersuchung in Schweden gezeigt. Und das kann sich negativ auf die Motivation im Unterricht und auch auf die Noten auswirken.

gp/ens

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