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Die Bleichlochtalsperre in Thüringen - eine der größten Talsperren Deutschlands Bildrechte: Karsten Möbius

MDR Wissen unterwegsIn den Katakomben der Bleilochtalsperre

01. Oktober 2019, 15:17 Uhr

Die Bleilochtalsperre bei Schleiz hat nicht nur das größte Oberbecken Deutschlands. Sie ist auch beliebt bei Wanderern und Wassersportlern. Doch kaum einer weiß, wie es in ihrem Inneren aussieht. Karsten Möbius durfte in fachkundiger Begleitung in die Katakomben der Staumauer steigen und hat von dort seltene Einblicke mitgebracht.

Ihre Existenz hat die Bleilochtalsperre dem Hochwasser der Saale im November 1890 zu verdanken. Um künftig die Fluten im Zaum zu halten und weil das Unternehmen Carl-Zeiss-Jena eine neue Stromquelle brauchte, begann die AG Obere Saale 1926 mit dem Bau und nutzte dafür die bereits vorhandenen Bleilöcher. Innerhalb von sieben Jahren wurde die gigantische Staumauer hochgezogen - aus rund 180.000 Kubikmetern Beton und Mauerwerk. Um die riesigen Mengen an Material zur Baustelle zu bringen, wurde sogar eigens eine Eisenbahnstrecke dorthin errichtet.

Betriebsleiter Thomas Beyer vor der Staumauer und dem Krafthaus der Talsprerre Bildrechte: Karsten Möbius

1932 wurde das Bauwerk eröffnet - das Herzstück bildet die Staumauer, die sich über 205 Meter von einer Seite des Tals zur anderen erstreckt. Unter ihrer Krone führt ein Kontrollgang entlang, den außer den Mitarbeitern kaum jemand zu Gesicht bekommt. MDR WISSEN-Reporter Karsten Möbius wagte den Einstieg in die Mauer - in fachkundiger Begleitung von Thomas Beyer, dem Betriebsleiter Vattenfall für die Saaletalsperren.

Der Weg zu den verborgenen Wartungsgängen der Bleilochtasperre Bildrechte: Karsten Möbius

Für Licht sorgen in den bunkerähnlichen Gängen allein die Neonröhren, ohne sie wäre es stockdunkel. Von einer Seite der Staumauer drücken mehr als 200 Millionen Kubikmeter Wasser, das sich durchaus auch den Weg ins Mauerinnere bahnt. Für Thomas Beyer ist das nichts Ungewöhnliches:

Das ist Sickerwasser. Das kommt aus den umliegenden Felshängen, aber auch durch geringfügige Leckagen, die durch die Fugen der Staumauer dringen. Es ist kaum zu erwarten, dass bei einem so großen Bauwerk wirklich alles zu 100 Prozent dicht ist.

Alte "Dame" mit hoher Standfestigkeit

Bei seiner Einschätzung zieht er auch das Alter des Bauwerks in Betracht, das seit 87 Jahren bis zu 215 Millionen Kubikmeter Wasser zurück hält. Die Ingenieure, die damals beteiligt waren, hatten auf deren Standsicherheit und Dichte besonders großen Wert gelegt. In jahrelangen Vorversuchen hatten sie mit verschiedenen Mischungsverhältnissen für einen Beton experimentiert, der den hohen Ansprüchen gerecht werden würde. Auch während der Bauzeit überwachten sie, wie sich das Material verhielt. Das Ergebnis: Nur wenige Wasserfäden zogen sich nach der Fertigstellung noch durch das Gemäuer, die jedoch durch ein dichtes Entwässerungsnetz abgefangen und durch Sammelkanäle abgeführt werden.

Innerhalb der Staumauer wird Sickerwasser gezielt abgeleitet. Bildrechte: Karsten Möbius

Flexibel dank Bewegungsfugen

Damit die riesige Mauer weder bei Temperatur- noch Druckschwankungen Risse bekommt, haben die Ingenieure das Bauwerk in einzelne Blöcke aufgeteilt, die durch Bewegungsfugen miteinander verbunden sind. Kupferbleche und Asphaltdichtung verhindern, dass dort Wasser eindringt. Schächte und Gänge im Inneren der Mauer sorgen dafür, dass sie ständig überprüft werden können - wie eben durch Thomas Beyer:

Dieses Bauwerk bezeichnen wir als technisch dicht. Wir haben hier einige wenige Liter pro Sekunde, die eindringen und die wir messen - angesichts von Größe und Alter ein sehr, sehr guter Wert.

Thomas Beyer, Betriebsleiter Saaletalsperren

Thomas Beyer überwacht und kontrolliert die Meßeinrichtung. Bildrechte: Karsten Möbius

Auch die Neigung der Staumauer misst Thomas Beyer mit einem Gerät. Sie variiert um Millimeter, mit dem bloßen Auge wäre das kaum zu sehen. Diese Veränderung sei aber eher von den jahreszeitlich bedingten Temperaturschwankungen abhängig als vom Wasserspiegel hinter der Mauer, so Beyer.

Am Ende des Kontrollgangs geht es nach etwa 15 Minuten Fußmarsch wieder hinaus ins Freie. Vom Ausgang führt ein kleiner Waldweg hinunter zum sogenannten Krafthaus, das Turbinen, Generatoren und Pumpen beherbergt und fast die gesamte Breite des Tales einnimmt.

Die Pumpen und Turbinen der Bleilochtalsperre sind nur wenige Jahre jünger als die Titanic - und ebenso genietet und nicht geschweißt. Bildrechte: Karsten Möbius

Das Tal hier ist so eng, dass kein Platz für eine Straße ist. Die hätte man in dem Fels auch nur sehr schwierig bauen können. Deswegen hat man damals auch eine Schwerlast-Seilbahn erbaut.

Thomas Beyer

Diese Seilbahn schmiegt sich in einer Länge von etwa 100 Metern eng an den Fels und transportiert von schweren Maschinenteilen bis hin zu Betonmischfahrzeugen alles. Zwei extrem dicke Wasser-Rohre führen aus dem Stausee durch die Sperrmauer zu den Maschinen. Mit einem Durchmesser von je viereinhalb Metern führen sie so viel Wasser zu den Turbinen, dass sie nur ein paar Stunden pro Tag für die Stromproduktion geöffnet werden können. Alles andere würde unterhalb der Talsperre Überschwemmungen verursachen und dazu führen, dass die Bleilochtalsperre leer läuft. Aber sie soll ja nicht nur Strom erzeugen, sondern vor Hochwasser schützen - als Teil der fünffach gestuften Saalekaskade, zu der auch die Talsperren Burgkammer, Walsburg, Eichicht und die Hohenwartetalsperre gehören.