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Unsere Buchempfehlung zum Thema Dunkle Materie Bildrechte: Verlag C.H.Beck

Buchtipp der WocheDunkle Materie. Das große Rätsel der Kosmologie

19. Juni 2022, 12:00 Uhr

Sie macht den Großteil unseres Universums aus. Die "Dunkle Materie". Doch sehen können wir sie nicht. Wirklich messen geht auch nicht. Und wissen, dass es sie gibt? Nun, das ist das Rätsel, um das es in diesem Sachbuch von Sibylle Anderl geht. MDR WISSEN-Autor Patrick Klapetz hat es gelesen und befindet sich im Zwiespalt, ob er die Existenz der Dunklen Materie für möglich hält.

von Patrick Klapetz

Es ist relativ wenig, was wir sehen oder messen können

Ob Sie, ob ich, ob unsere Haustiere, ja sogar die Erde, die Planeten und Sterne in unserem Universum – sie alle bestehen aus sichtbarer Materie. Doch all das, was leuchtet und was wir messen können, macht je nach Ansatz nur etwa 15 Prozent des gesamten Kosmos aus. Fünf Prozent davon sind leuchtende Materie, zehn Prozent sind heißes Gas. Die anderen 85 Prozent bestehen aus Materie, die wir eigentlich gar nicht verstehen. Trotzdem wissen wir nach jahrelanger Forschung recht viel über diese "Dunkle Materie". Und genau um dieses Mysterium geht es in "Dunkle Materie. Das große Rätsel der Kosmologie".

Grundlagen werden kompakt, aber nachvollziehbar dargestellt. Bildrechte: Verlag C.H.Beck

Geschrieben von einer Astrophysikerin und Wissenschaftsjournalistin

Geschrieben wurde das Sachbuch von Sybille Anderl, deren Namen Sie vielleicht aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kennen. Dort ist die Astrophysikerin und Philosophin seit vielen Jahren als Wissenschaftsjournalistin tätig und gewann 2019 sogar den "Hanno und Ruth Roelin-Preis für Wissenschaftspublizistik". Dieser wird vom Max-Planck-Institut für Astronomie an Autoren und Autorinnen verliehen, die neue Erkenntnisse aus der Raumfahrt und Astronomie der breiten Öffentlichkeit anschaulich vermitteln können.

Theorien und Modelle geben den Stand der Forschung wieder. Bildrechte: Verlag C.H.Beck

Das Problem mit der fehlenden Masse

Eines vorweg: Die Existenz von Dunkler Materie kann man bis heute nicht beweisen. Dennoch sind Wissenschaftler und Forscherinnen aus aller Welt darum bemüht, die Existenz dieser mysteriösen Materie zu belegen und glauben fest daran, dass es sie gibt. Denn wie sonst kann man das Paradoxon der Galaxien beschreiben? Die leuchtende Materie reicht nämlich nicht aus, um die Planeten und Objekte im Außenbereich von Spiralgalaxien anzuziehen. Sie müssten eigentlich rausgeschleudert werden – doch sie bleiben irgendwie an Ort und Stelle, wie festgeklebt.

Also muss es irgendetwas geben, dass die leuchtende Materie festhält. Das kann man sich ähnlich vorstellen wie auf einem Spielplatz: Kennen Sie noch diese kleinen Karussells? So lange Sie sich ziemlich im Zentrum des schnell rotierenden Karussells befanden, passierte Ihnen nicht viel – außer, dass Ihnen möglicherweise schlecht wurde. Wenn Sie sich aber am Rande des Karussells befanden, mussten Sie sich stark festhalten, um nicht nach außen geschleudert zu werden. Und gerade das passiert eben nicht bei Galaxien. Dort scheint es eine unsichtbare Masse zu geben, die Sie anzieht.

Unsichtbare Materie in der Milchstraße? Bildrechte: Verlag C.H.Beck

Dunkle Materie oder ein Fehler im Standardmodell der Kosmologie?

Es spricht somit einiges für das Dasein der Dunklen Materie. Zunächst weist die Autorin auch plausible Erklärungen dafür auf. Im Laufe des Buches beschreibt Anderl aber auch die Probleme der Dunklen-Materie-Hypothese – z.B., dass Forschende auch nach jahrelangen Untersuchungen und Simulationen keinen Beweis für die Existenz der Dunklen Materie aufbringen konnten. Dabei taucht die Dunkle Materie doch überall als mögliche theoretische Erklärung für die Lücken im Standardmodell der Kosmologie (ΛCDM-Modell) auf.

Vielleicht ist ja das Standardmodell fehlerhaft? Vielleicht ist die Dunkle Materie eine ebenso fixe Idee wie der Äther, der dem Licht bei seiner Ausbreitung behilflich sein sollte? Vielleicht braucht es eine neue Hypothese, die das Rotationsverhalten von Galaxien beschreibt? Wie wäre es mit der modifizierten Newtonschen Dynamik (kurz: MOND)? Doch wie das Standardmodell hat auch die MOND-Hypothese ihre Schwächen. Während das Standardmodell auf kleinen Skalen (wie der Beschreibung von Galaxien) seine Probleme hat, kann die MOND-Hypothese die großen kosmologischen Maßstäbe nicht bedienen.

Unsere Buchempfehlung zum Thema Dunkle Materie Bildrechte: Verlag C.H.Beck

Die Daten zum BuchSibylle Anderl: Dunkle Materie. Das große Rätsel der Kosmologie.
C.H.Beck Wissen 2022, 128. Seiten, 9,95 Euro, ISBN 978-3-406-78360-9

Zweifler oder Gläubiger? Kann es die Dunkle Materie wirklich geben?

Wie Sie merken: Ein hochkomplexes Thema. Und dennoch schafft es die Autorin dieses Thema mit etlichen seiner Facetten auf gerade einmal 120 Seiten zu beschreiben. Anderls Sachbuch gehört zu einer Wissens-Buchreihe des C.H. Beck Verlages, die kleine, handliche und kompakte Taschenbücher zu wissenschaftlichen Themenbereichen veröffentlicht. Die Bücher dieser Reihe wirken von ihrer Aufmachung her zunächst wie ein Taschenbuchroman. Wer nun aber einen solchen erwartet, ist fehl am Platz.

Der Mikrolinseneffekt Bildrechte: Verlag C.H.Beck

Für dieses Buch braucht es etwas Hirnschmalz, denn es geht in die Tiefen der komplexen Kosmologie.

Patrick Klapetz

An einigen Stellen wirkt Anderls Sachbuch zwar wie ein wissenschaftlicher Aufsatz (nur ohne die nervigen Klammern mit Quellenangaben), dennoch kann man ihr folgen. Nach knappen 120 Seiten stellt sich dann nur noch eine Frage: Halten Sie die Dunkle Materie für möglich oder ist es eine fixe, aber falsche Annahme, wie es der Äther war? Ich hatte zumindest mit der MOND-Hypothese meinen Spaß und kann mir trotzdem vorstellen, dass es Dunkle Materie gibt – zumindest hoffe ich es, da sie eine logische Antwort auf das große Rätsel der Kosmologie ist.

Bildrechte: Patrick Klapetz

Der Rezensent… liebt es, in Themen einzutauchen und sie greifbar zu machen. Seine Leidenschaft gilt dem Weltraum und der Raumfahrt. Und falls sich die Möglichkeit für einen Flug ins All ergibt, wäre er sofort dabei – auch wenn er bereits beim Sich-treiben-lassen auf dem Wasser seekrank wird. Für die multimediale Aufbereitung von Wissenscontent kann man ihn immer gewinnen.

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