Cover: Klima ist für alle da
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Wissen, was wir lesen Klima ist für alle da. Wie 60 junge Menschen uns dazu inspirieren, die Welt zu retten

19. Januar 2023, 16:32 Uhr

Vorneweg eine Binse: Die Klimakatastrophe ist eine globale Herausforderung. Dieses Buch zeigt, dass junge Menschen auf der ganzen Welt sie angenommen haben und auf der Suche nach Lösungen sind. Ein Mutmacher auf 300 Seiten, findet MDR WISSEN-Redakteur Matthias Vorndran.

Matthias Vorndran
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Das umfassende Bild einer Generation

"Ach ja, das Klima", so höhnt es regelmäßig aus den Kommentarspalten. "Was können wir da schon tun, solange die Sorge um den Planeten ein Hobby privilegierter Schulschwänzer ist und Emissionsriesen wie China sich beharrlich einen feuchten Haufen Feinstaub um die Zukunft des Planeten scheren?" Es ist zu vermuten, dass Herausgeber Ashkat Rathi, promovierter Chemiker und Journalist, irgendwann von solchen und ähnlichen Plattitüden die Nase voll hatte und sich vornahm, ihnen etwas entgegenzusetzen – nichts weniger als das umfassende Bild einer jungen Generation, die nicht nur begriffen hat, dass sie nur gemeinsam der Bedrohung entgegentreten kann, die der Klimawandel für die Menschheit darstellt, sondern die auch längst an Ideen und Projekten arbeitet, um ihren Teil dazu beizutragen, dass die Erde für uns alle bewohnbar bleibt.

Rathi hat zu diesem Zweck 60 Geschichten von jungen Menschen zwischen 11 und Ende 20 gesammelt, die alle eins verbindet: Mut, Entschlossenheit und Kreativität im Kampf um den Lebensraum Erde. Dabei nimmt uns das Buch mit auf eine Reise um die Welt, um die es geht – und beweist so beinahe nebenbei, dass die Bereitschaft, einen eigenen Beitrag zu leisten, beileibe nicht an den Grenzen der reichen Industrieländer endet.

Eine junge Frau mit gelockten braunen Haaren. Vor ihrem Körper ein großes Schild mit der Aufschrift "Love is in the air", auf der das Wort "Love" durchgestrichen und durch CO2 ersetzt wurde.
Klimaaktivistin Raina Ivanova Bildrechte: privat / Blanvalet Verlag

So erzählt in einem Kapitel die 25-jährige Delphin aus Burundi, dass sie ein soziales Unternehmen gegründet hat, das die Menschen dazu bewegen will, umweltfreundliche Kohle aus Maisresten statt Holz zum Kochen zu verwenden. Das Ziel: die Abholzung einzudämmen und – die Biokohle qualmt nicht – einen Beitrag zum Kampf gegen die Luftverschmutzung zu leisten.

Juan José Martin-Bravo ist 24, lebt in Chile und hilft in einem Freiwilligenprojekt, die Sumpfgebiete von Pichicuy und El Trapiche zu retten. Dafür wurden er und seine Mitstreiter mit dem "National Environment Award" geehrt, so etwas wie Chiles Nobelpreis für Umweltarbeit. Doch der schönste Teil der Arbeit, so Juan José, "waren die Dinge, mit denen wir nicht gerechnet hatten. Die Vögel kehrten ins Sumpfland zurück und nisteten dort, und wir freundeten uns mit den Einheimischen an, die mit uns zusammenarbeiteten."

Der 16-jährige Inder Aditya Mukarji erinnert sich in seinem Beitrag an einen Film, den er mit 12 sah: Einer Meeresschildkröte wurde unter großen Schmerzen ein Plastikstrohhalm aus der Nase gezogen. Heute engagiert sich Aditya mit seiner Kampagne #RefuseIfYouCannotReuse erfolgreich gegen die Verwendung von Wegwerfartikeln aus Plastik. Darauf ausruhen kann und will er sich nicht: "Falls wir nicht alle gemeinsam unsere Regierungen dazu bringen, entsprechende Vorschriften zu erlassen, und gleichzeitig die Verbraucher dazu bringen, ihre Konsumgewohnheiten zu ändern, sieht es düster aus."  

Cover: Klima ist für alle da
Bildrechte: Verlag Blanvalet

Die Daten zum Buch Akshat Rathi (Hrsg): Klima ist für alle da. Wie 60 junge Menschen uns dazu inspirieren, die Welt zu retten. Verlag Blanvalet 2021, 320 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3-7645-0778-7

Eine beeindruckende Quelle für Inspiration, Mut, Durchhaltevermögen

Dass der originale Buchtitel "United we are unstoppable" in der deutschen Übersetzung zu "Klima ist für alle da" wird, transportiert leider nicht in gleichem Maße die Wucht, die diese Sammlung von Lebensgeschichten, Erfahrungen und Ideen entwickelt, wenn man sich auf sie einlässt. Herausgeber Rathi ergreift nicht selbst das Wort, sondern lässt seine jungen Protagonisten erzählen – von ihren Beweggründen, den häufig traumatischen Erlebnissen, die manchmal die Initialzündung für ihr Engagement waren, von ihren kleinen wie großen Projekten und Zielen.

60 solche Geschichten erwarten die Leserinnen und Leser, und 60 Mal ist man berührt, begeistert und ja, manchmal auch beschämt von der Energie, die aus ihnen spricht.

Matthias Vorndran

Das Buch will keineswegs eine Art Bedienungsanleitung für die Klimakrise sein, auch wenn man sich in seinem Alltag von den hier vorgestellten Projekten prima etwas abschauen kann. Stattdessen ist es eine beeindruckende Quelle für Inspiration, Mut, Durchhaltevermögen - und manchmal eben auch ein sanfter Tritt in den Wohlstands-Hintern. Denn mal ehrlich: Was hindert uns eigentlich daran, es der 11-jährigen Lilith aus den Niederlanden gleichzutun, die im Alter von sieben Jahren einfach anfing, in ihrem Viertel Müll aufzusammeln, woraus später das Projekt Lilly’s Plastic Pickup wurde?  

Porträtfoto im Halbprofil. Ein dezent lächelnder Mann mit kurzen schwarzen Haaren, einem schwarzen Vollbart und einer schwarzen eckigen Brille, durch die freundlich leuchtende Augen zu sehen sind.
Der Journalist Akshat Rathi Bildrechte: Jason Alden / Bloomberg

Ein Chemiker als Sammler

Akshat Rathi lebt in London und ist Journalist für Bloomberg News. "Sein" Thema: der Klimawandel. Er promovierte in Oxford in Organischer Chemie an der University of Oxford und hat einen Bachelor of Technology im Fach Chemieingenieurwesen, den er am Institute of Chemical Technology in Mumbai erlangte. Doch die eigentlichen Autoren sind natürlich die Beitragenden, deren Geschichten Rathi zusammengestellt hat.

Larissa Rabe hat die englischsprachige Originalausgabe mit viel Einfühlungsvermögen ins Deutsche übersetzt, die Illustrationen stammen von Naomi Wilkinson aus Bristol.

Eine im Stil naiver Malerei gezeichnete Weltkarte mit Pflanzen, Tieren und einer Fabrik. Dazwischen junge protestierende Menschen.
Das Buch zeigt, dass Aktiviäten junger Menschen zum Schutz des Klimas überall auf der Welt stattfinden. Bildrechte: Naomi Wilkinson 2020

Neue Perspektiven für den Klimaschutz

"Was kann ich denn schon gegen den Klimawandel ausrichten?" Dieser Satz kann nach der Lektüre dieses Buches keine ernstzunehmende Ausrede mehr sein. Egal, wie alt Sie sind, völlig gleichgültig, wo Sie leben: Gehen Sie davon aus, dass unter den 60 hier versammelten Vorbildern auch ein passendes für Sie dabei ist. Oder um es mit Klimaaktivistin Raina Ivanova zu sagen, die das Vorwort beigesteuert hat: "Diese jungen Leute sorgen nicht nur für neuen Schwung im Klimakampf – sie bringen auch neue Perspektiven ein, frische Taktiken und unerschütterliche Entschlusskraft. Sie begreifen nicht nur, dass alles in der Welt miteinander in Beziehung steht, sie wissen auch, wie man die Kluft überbrückt, die sich aufgetan hat."

Matthias Vorndran
Bildrechte: Tobias Thiergen

Der Rezensent Matthias Vorndran, seit 2018 Onlineredakteur bei MDR WISSEN, liest aus beruflichen Gründen häufig ungesund viele Kommentare auf Social Media und versucht deshalb, zwischendurch möglichst oft mit möglichst sinnstiftender Lektüre gegenzusteuern.

4 Kommentare

THOMAS H am 06.12.2021

Dietmar: Da ich Ihren zweiten Satz, als Kritik zu meinem Kommentar auffasse, möchte ich Ihnen mitteilen, das ich die Veröffentlichung der 60 Geschichten durch MDR Wissen ernst meine, da dadurch viel mehr Menschen diese lesen könnten und der Satz "Gehen Sie davon aus, das unter den 60 hier versammelten Vorbildern auch ein passendes für Sie dabei ist." von Herrn Vorndran auch Wirkung zeigen kann. Allein der Verkauf des Buches wird nur wenige Menschen erreichen, da viele finanziell (z. B. ALG-II, niedrige Einkommen usw) nicht in der Lage sind, dieses Buch zu erwerben und andere dafür kein Geld ausgeben werden, weil es sie nicht interessiert, wobei sich die Frage stellt: Wie hoch ist den die erste Auflage, um die Milliarden Menschen zu erreichen, so daß die Geschichten als Vorbilder wirken könnten?
Ich habe mir z. B. eine Sendung (örR), die über die richtige Trennung von Verpackungen berichtet hat, zum Vorbild genommen und versuche nun die Verpackungen in ihren Einzelteilen wegzuwerfen.

Dietmar am 06.12.2021

Thomas H. ein sehr schöner Vorschlag die 60 Geschichten zu veröffentlichen. Vlt. kann man sogar das Lesen einer Geschichte als Voraussetzung für die Veröffentlichung eines Kommentars machen...

THOMAS H am 05.12.2021

Ich mache den Vorschlag, die 60 Geschichten oder Berichte auf MDR Wissen veröffentlichen oder an alle Haushalte ein Freiexemplar (wobei das schon wieder Papierverschwendung ist) gesendet, so daß sie allen zur Kenntnis gelangen. Dies wird aber nicht passieren, da es ja wieder mit Geld zusammenhängt, welches dann dem Autor verloren geht.