Cover Von der Vermessung des Kosmos
Bildrechte: Kosmos Verlag

Wissen, was wir lesen Von der Vermessung des Kosmos. Und der Entdeckung von Laniakea

20. Juli 2021, 13:14 Uhr

Der Weltraum. Unendliche Weiten... Unsere galaktische Heimat, an sich schon größer als unsere Vorstellungskraft, ist nur ein kleiner Teil von etwas sehr viel Größerem. Egal, woher wir kommen, wir alle haben eines gemeinsam: Wir sind Laniakeaner*innen. Zu diesem Schluss kommt MDR WISSEN-Autor Patrick Klapetz nach der Lektüre einer Neuerscheinung zur Vermessung des Universums.

Patrick Klapetz
Bildrechte: Patrick Klapetz

Unsere Heimat im Universum

Wissen Sie eigentlich, wo Sie wohnen? Komische Frage, nicht wahr? Mir geht es dabei aber nicht um die Straße, die Stadt oder das Land, in dem Sie wohnen. Nicht einmal um den Kontinent! Wo sind wir im Universum zu Hause? Klar: Auf der Erde, in unserem Sonnensystem, und dies wiederum befindet sich in der Milchstraße. Und vielleicht wissen Sie auch noch, dass wir uns ziemlich an deren Rand befinden. Doch was kommt dann? Und genau davon handelt dieses Buch: Von unserem genauen Platz im Kosmos und davon, wie die Astronomen unserer Zeit Laniakea entdeckt haben.

Vier Bilder zeigen die Lage der Erde im Universum, in dem sie die Position in unterschiedlichen Maßstäben darstellen. Auf dem ersten Bild wird die Erde in unserem Sonnensystem gezeigt, auf dem zweiten dieses innerhalb der Milchstraße, diese dann innerhalb von Laniakea und schließlich deren Lage im Universum.
Die Größenverhältnisse, sehr anschaulich dargestellt. Bildrechte: Kosmos Verlag

Laniakea ist Hawaiianisch und steht für "unermesslicher Himmelshorizont". Die Entdecker, die uns diesen Horizont erschließen und zu denen auch die Autorin des Buches gehört, haben sich für den Namen entschieden, weil dieser sich in vielen Sprachen gut aussprechen lässt. Einfach mal ausprobieren: Laniakea, Laniakea… Ein bisschen wie in der Grundschule oder beim Lernen einer neuen Sprache fühle ich mich dabei, wenn ich versuche, mir diese neue Vokabel zu merken.

Die französische Autorin Hélène Courtois nimmt ihre Leserinnen und Leser mit auf eine Reise, die teils autobiografisch ist, teils eine Zusammenfassung der wichtigsten Forschungsergebnisse auf der langen Suche nach unserem Platz im All darstellt. Ihren Fokus hat Sie dabei vor allem auf Forscherinnen gelegt, denen trotz ihrer wichtigen Beiträge zur Astrowissenschaft oft weniger Aufmerksamkeit vergönnt ist als ihren männlichen Kollegen. Das Buch ist dabei aber kein feministisch-astronomisches Werk – auch ihre wichtigsten Forschungspartner werden natürlich vorgestellt, und unter denen gibt es einige Männer.

Was ist Laniakea?

Laniakea ist riesig. Dieser Supergalaxienhaufen ist um die 520 Millionen Lichtjahre groß und umfasst in etwa 100.000 Galaxien. Wir, mit unserer Milchstraße, befinden uns in nur einer davon. Doch da draußen gibt es noch mehr Supergalaxienhaufen, hinter denen die Wissenschaftler noch weitere Galaxien vermuten. Somit könnte Laniakea, wenn man es mit unserer Erde vergleicht, Australien oder Europa sein und hinter den schwarzen Ozeanen befinden sich weitere Kontinente.

Ein bunter Mix aus Wissen und Erlebtem

Die "Entdeckung von Laniakea" ist ein Mix aus autobiografischen Erzählungen, Theorien und praktischen Beispielen, eine Vorstellung von wichtigen Persönlichkeiten und die Entführung in einen riesigen Raum voller Türen – Türen, die einem ein Grundverständnis für die gewaltige Menge an kosmologischem Wissen liefern, mit dem sich heutige Forscherinnen und Forscher beschäftigen. Diese Abwechslung aus harten Fakten und kleinen Geschichten halten einen am Lesen.

Eine Kosmologin und Astronomin hat das Buch geschrieben

"Von der Vermessung des Kosmos" stammt von einer französischen Forscherin: Hélène Courtois. Sie hat ihr Leben an manch wunderschönen Orten verbracht – oft weit abgelegen, dort, wo man den Himmel am besten beobachten kann. Und das mit Hilfe von Teleskopen, die sie mühevoll ausrichten und damals noch per Hand mit Prismen bestücken musste. Courtois hat ihr Leben der Kartografie des Kosmos gewidmet und somit unsere galaktische Heimat entdeckt. Den mühsamen Weg bis dorthin zeichnet sie in diesem Buch auf.

Sie schafft es, dass man mit Ehrfurcht auf ihre Arbeit und die der vielen Kolleginnen und Kolleginnen weltweit blickt – aber nicht mit diesem erdrückenden und mulmig ehrfürchtigen Gefühl, dass manch einen in einer Kirche überkommt. Es ist vielmehr ein Ausdruck des Respekts, der verdienten Anerkennung, die man ihrer jahrzehntelangen Arbeit entgegenbringt. Hélène Courtois ist eine Astronomin und Kosmologin, die uns im Austausch mit vielen anderen eine galaktische Heimat gegeben hat.

Frau in rotem Pullover mit langen dunkelblonden Haaren, leicht geneigtem Kopf und einem freundlichen, offenen Blick
Die Autorin Bildrechte: Kosmos Verlag

Eine astronomische Reise auch für Laien

Auf knapp 170 Seiten hat die Autorin eine Vielzahl von kleinen Kapiteln eingebaut. Einige von ihnen sind ein Auszug aus den verschiedenen Forschungsphasen von Courtois‘ Leben. Andere Kapitel führen das Publikum in die Welt der Astronomie ein. Wer sich für dieses Feld interessiert und ein wenig Grundwissen mitbringt, für die oder den öffnen sich viele bekannte und auch neue Türen. Trotz der harten physikalischen Fakten und Theorien schafft es die Autorin, immer ein passendes und leicht zu verstehendes Beispiel zu liefern.

Besonders durch die gut gewählten und bildhaften Erörterungen wird die Entdeckung von Laniakea auch für Laien eine astronomische Reise, auf der sie vieles lernen können. Neben den meist kurzen Kapiteln gibt es immer wieder Einschübe, die Fachwissen noch einmal separat zusammenfassen. Aber selbst wenn Sie diese überspringen, sollten Sie den Worten der Autorin folgen können.

Cover Von der Vermessung des Kosmos
Bildrechte: Kosmos Verlag

Die Daten zum Buch Hélène Courtois: Von der Vermessung des Kosmos. Und der Entdeckung von Laniakea. Kosmos 2021, 184 Seiten, 20 €, ISBN 978-3-440-17033-5

Was tut eine Kosmologin?

Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Wikinger. Oder ein Mitglied der Kolumbus-Crew, die nach Amerika aufgebrochen ist. Sie sind in unbekannte Gefilde gereist, und um sich zu orientieren, haben Sie sich der Sterne oder der modernsten Instrumente der jeweiligen Zeit bedient. Sie wären Entdecker, die ihr Wissen weitergegeben haben. Manchmal durch Geschichten, andere Male durch Karten.

So hat sich der Beruf der Kartografen herausgebildet. Sie sind es, die die Welt so wiedergeben, schematisiert und in zwei Dimensionen übersetzt, dass man sich in ihr orientieren kann. Wenn Sie heute auf Google Maps gehen, machen Sie nichts anderes. Und was ein Kartograf für die Darstellung der Erde, ist der Kosmograf oder die Kosmografin für das Weltall. Sie fertigen (dreidimensionale) Karten von unserem Sonnensystem, unserer Milchstraße, von unserem galaktischen Umfeld an.

Abbildungen der sechs für die Katalogisierung hauptsächlich verwendeten Teleskope: Perkes, Green Bank, Manua Kea, Spitzer, Hubble und Arecibo
Sechs Tore zum Universum Bildrechte: Kosmos Verlag

Aber so logisch, wie dieser Beruf scheinen mag: Hatten Sie diesen auf dem Schirm? Ich nicht! Und ich beschäftige mich mit kosmischen Themen und dennoch habe ich nie einen Gedanken daran verschwendet, wer diese Informationen festhält, dass es dafür einen speziellen Beruf gibt. Bis ich die ersten Seiten dieses Buches gelesen habe. Ab jetzt werde ich ihn nicht mehr vergessen.

Darüber hinaus birgt dieses Buch noch weitere Geheimnisse und ist ein ideales Nachschlagewerk.

Patrick Klapetz
Bildrechte: Patrick Klapetz

Der Rezensent … liebt es, in Themen einzutauchen und sie greifbar zumachen. Seine Leidenschaft gilt dem Weltraum und der Raumfahrt. Und falls sich die Möglichkeit für einen Flug ins All ergibt, wäre er sofort dabei – auch wenn er bereits beim sich-treiben-Lassen auf dem Wasser seekrank wird. Für die multimediale Aufbereitung von Wissenscontent kann man ihn immer gewinnen.

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