Ehrgeizige Pläne Wie China Energie und Licht aus dem All holen will
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04. November 2019, 13:27 Uhr
Schon länger gibt es die Idee, die Erde mit Energie und Licht aus dem Weltall zu versorgen. Bis 2030 will China erste Projekte in die Tat umsetzen. Es geht um Stationen auf dem Mond und große Spiegel im Orbit.
2007 ertönten erstmals die Sirenen am Kosmodrom Xichang, einem von Chinas Weltraumbahnhöfen. Chinas langer Weg zum Mond begann mit dem ersten Start einer Sonde aus der Chang'e-Reihe. Gleich der erste Flug zum Mond war ein Erfolg. Weitere erfolgreiche Mondmissionen folgten.
Anlage auf dem Mond geplant
Aber - ist das nicht ein bisschen viel Aufwand, nur um des Prestiges willen? Ja, das wäre es, sagt der ehemalige Direktor des Institute for Space Systems Operations der Universität von Houston, David Criswell. Der Physiker hat China in den vergangenen Jahrzehnten beim Thema Energie aus dem All beraten. Er sagt: Das Land verfolge einen umfangreicheren Plan - nämlich auf dem Mond eine Anlage zur Energiegewinnung zu errichten.
Die Chinesen würden den Mond als einen einzigen, riesigen Satelliten zum Einfangen von Sonnenenergie betrachten, so der US-Wissenschaftler. Und das sei gar nicht mal so abwegig: "Man kann Bodenstationen auf beiden Seiten des Mondes errichten. Auf diese Weise wird eine von beiden immer von den Sonnenstrahlen getroffen. Solarkollektoren auf der bestrahlten Seite fangen das Licht ein, bündeln es und leiten es weiter auf die Erde. Das ist ein Energiestrom, der nie abreißt."
Solar-Satelliten im Orbit
Die Idee von Space Solar Power stammt noch aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Der ursprüngliche Plan sah vor, dass Satelliten die Erde umkreisen - und zwar auf der geostationären Umlaufbahn in 36.000 Kilometern Höhe. Das ist eine Entfernung, in der die Satelliten immer über demselben Punkt der Erdoberfläche stehen.
Schon 2021 wollen die Chinesen solch einen Prototypen in die Erdumlaufbahn schicken. Er wird derzeit in Chongqing im Südwesten Chinas zusammengebaut. Das erste voll einsatzfähige Modell soll dann 2030 folgen. Es wird tausend Tonnen wiegen. Das ist mehr als doppelt so viel wie die komplette Internationale Raumstation ISS auf die Waage bringt.
Sonne scheint auch nachts
Dass die halbe Welt nachts im Dunkeln liegt, ist eigentlich extrem unwirtschaftlich. Denn die Sonne scheint immer. Das sieht auch der Astronom und Astrophysiker Florian Freistetter so: "Wir bekommen die Energie von der Sonne. Allerdings ist das nur ein winzig kleiner Bruchteil der Gesamtenergie, die von der Sonne abgestrahlt wird, weil wir einfach nur den Teil nutzen können, der auf die Erde fällt. Und der Rest, der irgendwo in den Weltraum geht, mit dem können wir nichts anfangen."
Ein Spiegel für Chengdu
Deswegen hat China vor, im kommenden Jahr noch ein weiteres Projekt zu starten, das ebenfalls das Sonnenlicht im All nutzen soll: Für die Hauptstadt der chinesischen Provinz Sichuan, Chengdu, soll ein Spiegel auf eine Erdumlaufbahn gebracht werden. Er soll im All das Sonnenlicht einfangen und auf die Erde umlenken, wenn das Land der aufgehenden Sonne im Dunkeln liegt.
"Man kann einen solchen Satelliten genau auf der Tag-Nacht-Grenze im All positionieren", erklärt der US-Physiker Lewis Fraas. "Er wird dann ständig von der Sonne beschienen. Nutzt man vier solcher Spiegel und platziert sie jeweils im Abstand von 90 Grad, flöge vier Stunden lang jede Stunde ein Satellit über ein bestimmtes Gebiet, zum Beispiel in den Abendstunden von sieben bis elf."
Ersatz für Laternen
Fraas beschäftigt sich für das Unternehmen JXCrystals mit Spiegeln in Erdumlaufbahnen. Denn diese Idee ist kein Selbstzweck: Gerade abends oder morgens, wenn es dämmert, könnte das Licht aus dem All helfen, Strom zu sparen. Im Falle von Chengdu wäre das für eine Fläche von zehn mal achtzig Kilometern auf dem Boden. "So ließen sich Laternen ersetzen. Das könnte gerade für Entwicklungsländer reizvoll sein. So etwas plant die chinesische Stadt Chengdu nun für die kommenden Jahre. Eine Gemeinde kann sich dann entscheiden, ob sie weiterhin Straßenlaternen mit Strom betreiben oder ob sie einen künstlichen Vollmond als Lichtquelle nutzen will."
Denn in ungefähr dieser Helligkeit soll das Licht aus dem All die Erde erreichen: Hell wie eine Vollmondnacht. Mehr nicht. Aber auch nicht weniger. Es gäbe dann einen zweiten Mond am Himmel, schmunzelt Fraas. Das sei auch für Pflanzen und Tiere nicht weiter schlimm, denn einmal im Monat sei eh Vollmond - und der richte schließlich auch keinen Schaden in der Natur an.
Neues Geschäftsfeld möglich
Anfang der 1990er-Jahre hatte Russland als erste Nation mit Spiegeln im All experimentiert. Das Projekt verlief jedoch nicht erfolgreich, so dass die Russen bald aufgaben. Sollte China mit seinen Plänen in den kommenden Jahren mehr Glück haben, würde das auch ein völlig neues Geschäftsfeld auftun. Dann könnten Gemeinden künftig Unternehmen dafür bezahlen, dass die Spiegel zu bestimmten Zeiten über ihre Städte fliegen - und sie abends ein wenig aufhellen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 03. November 2019 | 09:20 Uhr