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"Shenzhou 15" gestartetChina schickt weitere Raumfahrer in den "Himmelspalast"

30. November 2022, 14:11 Uhr

China hat drei weitere Raumfahrer in seine Weltraumstation "Tiangong", zu Deutsch "Himmelspalast", geschickt. In der Vergangenheit gab es mehrfach Probleme mit abstürzenden chinesischen Trägerraketen. Auch für die Umwelt ist die weltweit wachsende Zahl von Raketenstarts ein zunehmendes Problem. Sie produzieren schädliche Stickoxide, tragen zum Abbau der Ozonschicht bei und beschleunigen über Rußpartikel in der Stratosphäre die Erderwärmung.

China hat drei weitere Raumfahrer zu seiner Raumstation "Tiangong" geschickt. Das Trio startete am Dienstag an Bord des Raumschiffes "Shenzhou 15" (Götterschiff) vom Weltraumbahnhof Jiuquan im Nordwesten der Volksrepublik. Eine Rakete vom Typ "Langer Marsch 2F" brachte sie ins All, wie das chinesische Staatsfernsehen in einer Liveübertragung zeigte. Rund neun Minuten nach dem Start erreichte das Schiff den Orbit. Minuten später wurden die Solar-Module entfaltet. Läuft alles nach Plan, soll die "Shenzhou 15" später in einem automatisierten Manöver an die Raumstation andocken.

"Shenzhou-15" und seine Trägerrakete am 21. November beim Transport zum Startplatz. Bildrechte: IMAGO / Xinhua

Die Crew aus den "Taikonauten" Fei Junlong, Deng Qingming und Zhang Lu soll im gerade fertiggestellten "Himmelspalast" knapp einen Monat lang mit drei anderen Raumfahrern zusammenleben. Ende Dezember soll die jetzige "Tiangong"-Crew zur Erde zurückkehren. Die neue Besatzung wird rund sechs Monate in der Raumstation bleiben. Der "Himmelspalast" soll rund zehn Jahre lang in Betrieb bleiben.

Chinas ambitionierte Raumfahrtziele

Für seine ambitionierten Raumfahrtziele hat China bereits Milliardensummen investiert. Die Volksrepublik betreibt erfolgreich ein Erkundungsfahrzeug auf dem Mars, hat Gestein vom Mond geholt und als erste Nation ein Raumschiff auf der erdabgewandten Seite des Erdtrabanten landen lassen. In den nächsten fünf Jahren sollen Gesteinsproben von den Polarregionen des Mondes zur Erde geholt werden. Auch wird mit Russland an Plänen für eine Forschungsstation auf dem Mond gearbeitet. Bis 2025 will China zudem ein wiederverwendbares Raumschiff zum Einsatz bringen.

Problem mit abstürzenden Trägerraketen

Bis wann die Chinesen das Problem von immer wieder unkontrolliert abstürzenden Trägerraketen in den Griff bekommen wollen, ist jedoch nicht bekannt. Im April 2021 waren Überreste einer schweren chinesischen Trägerrakete "Langer Marsch 5B" unweit der Malediven in den Indischen Ozean gestürzt. Ende Juli 2022 stürzten Reste der letzten Stufe einer "Langer Marsch 5B" östlich der Philippinen-Insel Palawan in die Sulusee.

Die US-Raumfahrtbehörde Nasa warf China damals unverantwortliches und riskantes Handeln vor, weil es keine Informationen über die Flugbahn der Rakete bekanntgab. Insbesondere bei so großen Raketen wie "Langer Marsch 5B" bestehe ein erhebliches Risiko durch herabstürzende Trümmerteile. Tatsächlich bringt es die letzte Stufe dieses Raketentyps locker auf 18 Tonnen Gewicht. In wie viele Teile so eine Rakete zerbrechen kann, ist ungewiss. China betont stets, dass der größte Teil seiner Trägerraketen verglüht. Dennoch stürzen immer wieder Teile von ihnen zur Erde.

Raketenstarts belasten Klima und Atmosphäre

Doch nicht nur die unmittelbar physischen Gefahren durch abstürzende Trägerraketen und Raumstationen sind ein Problem der internationalen Raumfahrt. Auch die Umweltbelastungen durch die zunehmende Zahl der Raketenstarts sind enorm, wie neueste Studien unterstreichen.

So haben Wissenschaftler des University College London nachgewiesen, dass Raketenstarts im Verhältnis gesehen vielfach stärker Einfluss auf die Erderwärmung haben als die Emissionen der Flugzeugindustrie. Laut den Simulationen der britischen Forscher erwärmen die in die Stratosphäre gelangten Rußpartikel aus verbranntem Raketen-Treibstoff die Erde etwa 500-mal so effektiv wie Rußpartikel nahe dem Erdboden. Obwohl Raketen bisher nur 0,02 Prozent zum weltweiten Rußausstoß beitragen, machen sie demnach bereits sechs Prozent der Erderwärmung durch Ruß aus.

Ozon-Schäden und CO2-Emissionen

Auch die Auswirkungen von Raketenstarts, zurückfallenden Raketenstufen und zurückkehrenden Raumfahrzeugen auf die Ozonschicht sehen die britischen Wissenschaftler kritisch. Die Starts würden die obere Stratosphäre am stärksten treffen, also genau jenen Teil der Atmosphäre, der nach dem Montreal-Protokoll als einziger eine starke Ozon-Erholung aufweise. Die Ozonschicht schützt die Erde vor aggressiver ultravioletter Sonnenstrahlung.

Der Abgasschweif einer chinesischen Trägerrakete "Langer Marsch-7 Y6" nach dem Start. Bildrechte: IMAGO / Xinhua

Ein anderes großes Problem von Raketenstarts ist ihr enorm großer Kohlendioxid-Ausstoß sowie die Produktion schädlicher Stickoxide. So haben Wissenschaftler der Universität Nicosia auf Zypern berechnet, dass eine moderne Rakete während eines ein Kilometer langen Flugabschnitts in 70 Kilometer Höhe so viel CO2 ausstößt wie normalerweise 26 Kubikkilometer Luft in dieser Höhe enthalten. Grund dafür ist die geringere Luftdichte in diesem Bereich.

Gesundheitsschädliche Stickoxide

Doch auch weiter unten sind die Umweltbelastungen durch Raketenstarts enorm: In einer Höhe von bis zu zehn Kilometern hält der höhere Luftdruck die Abgasfahne der Rakete zusammen und damit heiß, so dass sich Stickoxide (Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid) bilden können. Die Menge der Stickoxide in einer Raketenspur ist dabei so groß, dass es für Menschen gesundheitsschädlich wäre, berichten die zypriotischen Forscher im Fachjournal "Physics of Fluids".

Kritisch sehen viele Wissenschaftler auch den aufkommenden Weltraumtourismus, den Firmen wie Space-X, Blue Origin und Virgin Galactic planen. "Solche Raumflüge sind klimaschädlich und eine reine Ressourcenverschwendung, nur weil einige reiche Leute dies als Statussymbol entdeckt haben", kritisiert Knud Jahnke vom Max-Planck-Institut (MPI) für Astronomie in Heidelberg. Seine britischen Kollegen vom University College London rechnen zudem damit, dass der Weltraumtourismus künftig den Ozonverlust über dem Nordpolargebiet massiv steigen lassen wird.

Links/Studien

(dpa/dn)

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