Innere Uhr Nachts heilen Wunden langsamer
Hauptinhalt
An diesem Wochenende kommt sie wieder aus dem Takt – unsere innere Uhr. Denn wir stellen um auf Sommerzeit. Aber wo steckt eigentlich diese innere Uhr? Und was genau bewirkt sie? Damit befassen sich Chronobiologen und die können uns zum Beispiel erklären, warum Wunden nachts langsamer heilen.
Wer morgens schlecht aus dem Bett kommt, der ist nicht unbedingt faul. Die innere Uhr wird einfach später aktiv. Vom Chronotyp, also Zeittypen her sind das Eulen. Wer morgens um 6 Uhr schon energiegeladen eine Runde joggen geht, ist hingegen eine Lerche. Welcher Chronotyp wir sind, steht in unseren Genen. Damit tickt die innere Uhr bei jedem Menschen etwas anders.
Eine Drüse steuert unseren Schlaf
"Ich bin ein abendaktiver Typ", sagt zum Beispiel Kneginja Richter. Sie leitet die Schlafambulanz am Klinikum Nürnberg und kennt das Zentrum der inneren Uhr. "Unser Schlaf-Wach-Rhythmus wird gesteuert von einer winzig kleinen Drüse, die mitten im Gehirn sitzt", erklärt sie.
Das ist der Hypothalamus. Das ist der zentrale Taktgeber, der alle unsere Vorgänge im Körper steuert. Diese zentrale Drüse sagt, wie sich die Zellen der Leber, der Haut oder des Knöchels erneuern.
Und das kann Auswirkungen auf die Dauer eines Heilungsprozesses haben. Hautverletzungen, die nachts zugefügt wurden, heilen 60 Prozent langsamer als solche die tagsüber entstanden sind. Wissenschaftler haben den Heilungsprozess untersucht und ihre Erkenntnisse im Fachmagazin Science Translational Medicine veröffentlicht. Der Unterschied ist enorm, wenn man sich zum Beispiel eine Verbrennungswunde anschaut. Wer sich nachts verbrennt, hat durchschnittlich 28 Tage die lästige Wunde. Verbrennungen, die am Tag passieren, heilen innerhalb von 17 Tagen.
Jede Zelle hat ihren Rhythmus
Wie die Reparaturzellen der Haut, hat jede Zelle ihren eigenen Rhythmus, der von der inneren Uhr gesteuert wird. Daher bestimmt sie auch, wie wir Medikamente aufnehmen sollten. Der Zeitpunkt der Einnahme kann daher die Wirkung stark beeinflussen, sagt Achim Kramer, Chronobiologe an der Charité in Berlin.
Dabei ist die Leber von zentraler Bedeutung, so Kramer, denn sie "verstoffwechselt" Fremdsubstanzen und aktiviert manche Substanzen erst. Und die Enzyme, die dafür verantwortlich sind, haben einen starken Tagesrhythmus.
Daher kommt es, dass die Medikamenteneinnahme zu unterschiedlichen Zeiten ganz unterschiedliche Wirkungen hervorrufen kann, zum Beispiel, weil ein Medikament länger im Körper ist, als zu einer anderen Zeit.
Deshalb wirkt die Schmerztablette auch manchmal richtig gut, ein anderes Mal müssen es doch zwei sein.
Besser am Nachmittag zum Zahnarzt
Und am Hören-Sagen, man sollte nachmittags zum Zahnarzt gehen, ist auch was dran. Chronopharmokologen haben herausgefunden, dass Lokalanästhesie nachmittags dreimal so lang hält wie morgens. Das Betäubungsmittel wird nachmittags einfach langsamer abgebaut.
Und für jeden deutlich wird die innere Uhr auch beim Sekt zum Brunch. Der geht schneller in den Kopf als am Abend. Weil der Magen am Morgen viel stärker durchblutet ist und der Alkohol schneller in den Blutkreislauf gelangt. So ist es auch bei Tabletten.
Es ist also nicht nur wichtig, welches Medikament wir nehmen, sondern auch wann. Mit der Erkenntnis steht die Medizin aber noch am Anfang, sagt Achim Kramer.
Die Chronomedizin steckt noch in ihren Kinderschuhen. Für viele Medikamente ist es noch gar nicht untersucht, ob sie tageszeitlich unterschiedlich wirkt.
Zeitgesteuerte Medikamente
Daher kann es sein, dass der behandelnde Arzt gar nicht weiß, wann die Einnahme optimal wäre. Es gibt aber Ausnahmen. Zum Beispiel Betablocker, die gegen Bluthochdruck helfen, sollten morgens genommen werden. Für Rheumapatienten gibt es inzwischen ein Medikament, das gegen die schmerzenden Glieder nach dem Aufstehen helfen soll und das chronotherapeutisch wirkt.
Heißt übersetzt: Das Medikament hat eine Art Zeitsteuerung. Man nimmt es abends ein - im Fall der Rheumapatienten zum Beispiel ein Immunsupressivum - und es beginnt aber erst später zu wirken.
Zum optimalen Zeitpunkt, drei Uhr in der Nacht, wenn es die Entzündungsmarker runter reguliert. Früher hat man es morgens eingenommen, das war dann aber schon zu spät.
Erst seit zwei Jahren erfährt die innere Uhr mehr Aufmerksamkeit in der Medizin. Auslöser war der Nobelpreis für drei Wissenschaftler aus den USA, die das Rätsel um die innere Uhr gelöst haben. Seitdem wird mehr zum Zusammenhang von Medikamenten und der inneren Uhr geforscht.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 31. März 2019 | 09:20 Uhr