Klimakrise Wie sinnvoll ist es, das CO2 aus der Atmosphäre zu saugen?

17. Dezember 2021, 15:34 Uhr

Manche Ideen klingen zu merkwürdig, als dass sie schlecht sein könnten. Eine Schweizer Firma baut Gerätschaften, mit denen sich CO2 aus der Luft filtern lässt. Das funktioniert und ist effizient, sagen Forschende. Aber: Kein Allheilmittel.

Industrieanlage: Direct Air Capture von der Rückseite. 24 Lüftungsventilatoren aufgereiht an einem Block, Rohre, darunter zwei Männer die sich mit Händen in den Taschen unterhalten. 4 min
Bildrechte: imago images/Cover-Images

Wenn es darum geht, dieses olle CO2 endlich wieder loszuwerden (bzw. das, was zu viel davon da ist) – wieso hat eigentlich noch niemand darüber nachgedacht, das Zeug aus der Luft rauszusaugen? Mit einem gigantischen Staubsauger, sozusagen. Nun, darüber hat schon jemand nachgedacht. Zum Beispiel die Firma, die in Hinwil bei Zürich die futuristische Filterversuchsanlage Direct Air Capture betreibt – zu Deutsch etwa: Direkter Luftfang.

Die Anlage sieht zwar nicht aus wie ein Staubsauger, aber dafür wie 18 Staubsauger-Stummel. Fein aufgereiht ragen die kurzen Rüssel in die nordschweizerische Landluft, saugen, filtern, speichern. Die Idee hat ein bisschen was von der eines Weltraumlift – ein einleuchtendes Konzept, aber spätestens bei der Umsetzung kommen Fragen auf. Die Filteranlage ist hier allerdings schon einen Schritt weiter als der Fahrstuhl zur Umlaufbahn: Sie steht bereits und filtert schon. Fragen bleiben trotzdem bestehen: Allen voran zum Ressourcenverbrauch einer solchen Anlage.

CO2-Staubsauger: Ressourcenverbrauch über gesamten Lebenszyklus

Wo sich große Fragen auftun, ist die Forschung bekanntlich nicht so weit: Eine Studie hat den Großfilter jetzt unter die Lupe genommen, um sich anzuschauen, wie Ressourcen-effektiv die Gerätschaft über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg tatsächlich ist. Dazu zählen auch für den Betrieb notwendige Chemikalien und der Abtransport sowie die Speicherung des herausgefilterten CO2. Ressourcen heißt nicht nur Energie, sondern auch Materialien, Landfläche und Wasser. Die Forschenden wollten es so genau wissen, dass sogar die Feinstaubemissionen beim Bau und Abriss der Anlage einberechnet wurden.

Außenansicht einer Industrieanlage aus Froschperspektive. Rohr-Stumpen sind aufgereiht vor blauem Himmel, weitere Rohe und Leitungen.
18 kurze Rüssel saugen das CO2 aus der Luft. Bildrechte: MDR/Dietrich Karl Mäurer

Das Ergebnis: Eine Tonne CO2 aus der Luft zu filtern, verbraucht 1.000 Kilowattstunden grüne Energie. Die Betonung liegt auf grün, denn mit Energie aus Erdgas betriebene Filter wären CO2-ineffizient. Die Energiemenge sei vergleichsweise vertretbar, auch die anderen Kategorien lieferten gute Ergebnisse, die dem Konzept unterm Strich einen nützlichen Beitrag zur CO2-Reduktion bescheinigen. "Die Luftfilter schaffen viel Klimaschutz auf besonders wenig Platz, das ist angesichts der weltweit knappen Ressource Land ein großer Pluspunkt", erklärt Felix Creutzig vom Berliner Klimaforschungsinstituts MCC, das an der Studie beteiligt war. "Auf kurze Sicht ist es kosteneffektiver, durch Elektrifizierung des Endverbrauchs CO₂-Ausstoß zu vermeiden – doch in ein oder zwei Jahrzehnten, mit fortschreitender Dekarbonisierung der Wirtschaft, kann auch diese Option in großem Stil einen effizienten Beitrag für den Klimaschutz leisten."

Das Forschungsteam möchte mit seinen Erkenntnissen dazu beitragen, dass zu diesem Zeitpunkt keine Unsicherheiten mehr bzgl. der Effizienz der CO2-Sauger bestehen und die Technologie einsatzbereit ist, wenn sie gebraucht wird. "Denn die bisherige Unsicherheit über den genauen technischen Aufwand führt dazu, dass sich auch keine klaren Vorstellungen über Geschäftsmodelle und eine sachgerechte staatliche Förderung herausbilden können", so Studienleiterin Kavya Madhu von der Universität Freiburg. "Unsere Arbeit liefert einen Beitrag, um die eklatante Innovations- und Politiklücke in diesem Bereich zu schließen." Und bis dahin hat man zumindest im nordschweizerischen Hinwil gute Luft.

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Link zur Studie

Die Studie Understanding environmental trade-offs and resource demand of direct air capture technologies through comparative life-cycle assessment erschien am 28. Oktober im Fachblatt Nature Energy.

DOI: 10.1038/s41560-021-00922-6

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Mittelalter Mann mit Brille und kurzen dunklen Haaren lächelt, trägt ein hellblaues, offenes Hemd und ein graues Sakko und steht in einem Park. 2 min
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MDR SACHSEN-ANHALT Do 12.08.2021 14:07Uhr 02:09 min

https://www.mdr.de/wissen/audio-johannes-quaas-leipzig-klima-co-zwei-entnehmen-100.html

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14 Kommentare

nasowasaberauch am 04.11.2021

Die Verbringung von CO2 in Basaltgesteinsschichten und die dort stattfindende Umwandlung in ein Carbonat klingt doch vielversprechend als Zwischenlösung bis zur 0 Emission. Wir werden die damit erkaufte Zeit brauchen und der von den Klimajüngern prognostizierte Weltuntergang muss sich noch gedulden.

dimehl am 04.11.2021

Mir geht es im Wesentlichen um die Anpassung an die Folgen der Erderwärmung mittels technischer Möglichkeiten.
Und ich spoiler jetzt einmal: man wird nicht alle retten können...
Hier kommt dann das Thema Überbevölkerung wieder ins Spiel:
ein Küstenstreifen droht die Überflutung auf Grund des steigenden Meeresspiegels:
ist dieser Küstenstreifen von 10.000 Menschen bevölkert, kann man diese nach und nach in andere Landesteile umsiedeln.
Ist der Küstenstreifen mit 10 Millionen Menschen überbevölkert, scheidet diese Variante aus.
Man kann aber versuchen, einen Teil der Bevölkerung durch Sperrwerke zu schützen oder angepasste Bauten zu errichten (Pfahlbauten, schwimmende Häuser/Plattformen).
Das wird aber auf Grund der begrenzten Ressourcen nur in einem Teil des Küstenstreifens / nur für einen Teil der Bevölkerung des Küstenstreifens möglich sein...

Graf von Henneberg am 04.11.2021

Sehr verehrter Herr Leistner, ja es ist hier ein politischer Wille - da zählt 1+1=2 nicht ganz so. Es geht ja ums große Ganze. Ich nehme an, Sie kennen das. Hatten wir alles schonmal (mehrfach). MDRer => Quellennachweis => das Leben als solches.