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Klimaforschung in SachsenKann uns der Wald noch retten?

Stand: 02. April 2019, 17:09 Uhr

CO2 ist ein echter Killerfaktor fürs Klima. Forscher der TU Dresden sammeln seit Jahren Daten, die zeigen wie viel CO2 unsere Wälder abgeben und aufnehmen. Können die Bäume unsere Emissionen kompensieren?

Dr. Thomas Grünwald, Wissenschaftler am Institut für Hydrologie und Meteorologie an der TU Dresden erforscht den CO2-Austausch zwischen Boden, Pflanzen und Atmosphäre. Einmal wöchentlich fährt er zur Messstation - die etwa zehn Autominuten von seinem Büro entfernt ist: Sie ist eine von 13 deutschen Stationen im europäischen Treibhausgasbeobachtungsnetz.

Moderne Daten aus DDR-Containern

Mitten im östlichen Tharandter Wald, auf einem Niveau von 380 Metern über dem Meeresspiegel, stehen zwei alte Wohn-Container aus DDR-Zeiten. Rundherum ein Maschendrahtzaun mit einer alten Tür. Im Gelände stehen trichterförmige Netze und es ragen blaue Metallrohre aus dem Boden. Mehrere abgesteckte Flächen gibt es hier - jeweils einen Quadratmeter groß - Kabel kommen aus dem Boden:

Da messen wir Bodentemperatur, Bodenfeuchte jeweils in verschiedenen Tiefen und den Bodenwärmestrom. Mit den Netzen messen wir wie viel Biomasse in Form von Nadeln und Laub hier auf den Waldboden fällt.

Dr. Thomas Grünwald

Hoch oben über den Bäumen in 42 Metern Höhe auf einem Mast sind Sensoren und Luftschläuche angebracht, die messen, wie viel Sauerstoff und CO2 aus dem Ökosystem in die Atmosphäre aufsteigen. 20 Messungen pro Sekunde sind notwendig, um festzustellen, wie auch schnelle, kleine Wirbel die Atmung des Waldes mit der Luftschicht oberhalb vermischen.

Dr. Thomas Grünwald vor dem 42 Meter hohen Messturm. Bildrechte: MDR/ Karsten Möbius

Diese Flussmessungen der Atmosphäre geben uns eine Vorstellung darüber, wie groß der CO2-Austausch des gesamten Ökosystems ist. Das ist repräsentativ für einen Radius von 350 Metern um diese Station.

Dr. Thomas Grünwald

Der Wald hält Winterschlaf

Der aktuelle Wert von 436 ppm, also CO2-Teilchen pro Million, ist sehr hoch. Das war aber nicht anders zu erwarten, sagt Thomas Grünwald. Denn der Baum befindet sich quasi in einem Ruhezustand, wenn Frost herrscht und Schnee liegt. Dann gibt es weder durch Photosynthese eine CO2-Aufnahme, noch gibt es eine CO2-Abgabe über den Boden. Der Wald hält sozusagen Winterschlaf. Wenn die Temperaturen wieder steigen, beginnen die Nadelbäume als erste mit der Photosynthese.

Nadelbestände im allgemeinen nehmen tendenziell mehr CO2 auf als Laubbestände. Da Fichten ja immergrün sind, können die sofort loslegen mit Photosynthese. Bei Laubbäumen, die erst im Mai austreiben, geht das eben erst im Mai los mit der CO2-Senke.

Dr. Thomas Grünwald

Dr. Thomas Grünwald im Container der Messstation. Bildrechte: MDR/ Karsten Möbius

Der Wald hält nicht nur Winterschlaf - er schaltet auch einen Gang zurück, wenn es Nacht ist. Auch das sieht Thomas Grünwald anhand seiner Meßwerte. Dann steigen die CO2-Werte. Solang es dunkel ist, atmet der Wald also aus.

Nachts fehlt das Einatmen. Da wird nur ausgeatmet. Tagsüber ist beides: Atmung und Photosynthese. Das Ökosystem ist nachts immer eine CO2-Quelle.

Dr. Thomas Grünwald

Auch Flächen, die von Stürmen zerstört wurden, Flächen, auf denen nur junge Bäume wachsen, geben mehr CO2 ab, als sie verbrauchen. Es gibt zum Beispiel eine Fläche, die durch den Sturm Kyrill von Windbruch betroffen war. Heute wachsen dort vor allem junge Eichen. Und obwohl der Sturm schon vor über zehn Jahren wütete, messen die Wissenschaftler dort immer noch eine höhere CO2-Abgabe als eine Aufnahme. Thomas Grünwald sagt, dass es sehr lange dauert, bis ein nachwachsender Baumbestand wieder zu einer CO2-Senke wird.

Nur 13 Prozent werden kompensiert

Insgesamt entzieht das Ökosystem Wald der Atmosphäre aber CO2. Der Kohlenstoff wird beim Pflanzenwachstum eingelagert, Sauerstoff abgegeben.

Mit diesen Messgerät wird die Luft von dem 42 Meter hohen Messturm pepumpt. Im Gurkenglas soll die Luft nach den Pumpstößen zur Ruhe kommen und sich. Bildrechte: MDR/ Karsten Möbius


Thomas Grünwald hat auch dafür genaue Werte. 17 Tonnen CO2 bindet der Tharandter Wald pro Jahr und Hektar.

Wie viel CO2 die gesamte sächsische Waldfläche im Vergleich zu dem aufnehmen kann, was an CO2 in Sachsen in die Luft geblasen wird, hat er auch überschlagen. Dazu hat er die Werte seiner Messstation mit den Zahlen des Sachsenforsts kombiniert:

Die sächsischen Wälder kompensieren etwa 13 Prozent der sächsischen CO2-Emissionen.

Das heißt im Umkehrschluß, dass 87 Prozent der sächsischen CO2-Emissionen in den Ozeanen gelöst werden oder in der Atmosphäre bleiben. Was tun? Würden die Bäume die 48,6 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr komplett aufnehmen können, wenn ganz Sachsen mit Wald bedeckt wäre?

Aufforsten hilft nur wenig

Auf Grundlage der aktuellen CO2-Bilanz der sächsischen Wälder muss Thomas Grünwald leider nein sagen. Denn selbst wenn ganz Sachsen bewaldet wäre, könnte der Wald nur weniger als die Hälfte des emittierten CO2 aufnehmen. Kann man also gar nichts tun? Doch, sagt Thomas Grünwald.

Treibhausgasbeobachtungsstation der TU Dresden im Tharandter Wald. Bildrechte: MDR/ Karsten Möbius

Wenn man ein Braunkohlekraftwerk abschaltet, würde das wahrscheinlich viel mehr bringen, als zu versuchen, die landesweite Waldfläche um ein oder zwei Prozent zu vergrößern. Das würde in der Kohlenstoffbilanz deutlich größere Effekte haben.

Die Messstation, die Grünwald und vier weitere Kollegen von der TU Dresden betreuen, dient normalerweise nicht für solche fiktiven Rechnungen. Sie liefert ununterbrochen seit 1996 Daten über die CO2-Bilanz des Tharandter Waldes. Damit gehört diese Station zu den weltweit ältesten, die solche lückenlosen Daten bieten können. Das sei ein Schatz für die Klimaforschung, sagt Thomas Grünwald. Wöchentlich kämen Anfragen aus der ganzen Welt. Die Verträge der TU-Dresden mit dem europäischen Treibhausgasbeobachtungsnetz laufen noch mindestens bis 2030.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL Radio | 02. April 2018 | 14:50 Uhr