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ForschungChloroquin-Hype bremst andere Studien aus

28. April 2020, 14:09 Uhr

Selbst die Hoffnung hat ungewünschte Nebenwirkungen. Das Malariamittel Chloroquin gegen Covid-19 klang so vielversprechend, dass Studien mit anderen potentiellen Medikamenten ins Stocken kamen, mangels Probanden.

Chloroquin gegen Sars-CoV-2 - diese Hoffnung hat sich zerschlagen. Dass Malariamittel hilft nicht, wie noch im Februar vermutet worden war, gegen Covid-19. Die US-Arzneimittelbehörde FDA, die Ende März Hydroxychloroquin und Chloroquin gegen Corona zugelassen hatte, ist inzwischen komplett von Chloroquin abgerückt und warnt vor dem Mittel als Medikament bei Covid-19. Zwei Studien in Frankreich und China hatten die Wirkungslosigkeit gezeigt. Vorläufige US-Forschungsergebnisse zeigten, dass das Mittel bei Sars-CoV-2 die Sterberate bei Corona-Patienten auf 28 Prozent erhöhte im Vergleich mit Erkrankten, die kein Chloroquin erhalten hatten (11 Prozent).

Fünf Personen dürfen in Brasilien derzeit Beerdigungen besuchen. Bildrechte: imago images/Fotoarena

Bei Tests in Brasilien waren elf Patienten in einer doppelblinden, randomisierten Studie an tödlichen Herzrhythmusstörungen bzw. Herzmuskelschäden gestorben. Sie hatten fünf Tage lang zweimal täglich eine erhöhte Dosis (450 Milligramm) Chloroquin bekommen. Schon nach zwei Tagen waren den Ärzten Herzrhythmusstörungen aufgefallen. In der Studie sollten zwei verschiedene Dosierungs-Mengen miteinander verglichen werden. Auf einige Nebenwirkungen hatten Internisten aus Kanada kurz zuvor hingewiesen. Sie könnten besonders dann auftreten, wenn Patienten zusätzlich das Antibiotikum Azithromycin einnehmen. Genau das war bei den Probanden im Tropeninstitut im brasilianischen Manaus der Fall. In Brasilien sind seit dem 17. April 4.543 Menschen an Covid-19 gestorben (Stand 27.04.2020). Seit Januar waren knapp 56.000 Menschen mit Atemwegserkrankungen in Krankenhäuser eingeliefert worden - 2019 waren es im selben Zeitraum nur gut 12.000 gewesen.

Nebenwirkung: Keine Probanden für andere Medikamente

Viele Medikamente bergen ungeschöpftes Potential - aber Tests brauchen Zeit und Freiwillige Bildrechte: imago/Science Photo Library

Während scheinbar alle Welt wie gebannt auf die Wirkung des Malariamittels gegen Corona schaute, hatte genau das noch weitere schwere Nebenwirkungen: Weltweit wurden klinische Studien ausgebremst, die andere Medikamente gegen Corona testen wollen. So jedenfalls sagt es Neurologe Sergio Iván Valdés-Ferrer vom Nationalen Institut für Medizinische Wissenschaften und Ernährung in Mexiko-Stadt, im Gespräch mit dem Magazin "Nature":

Es gibt eine enorme Verzerrung. Studien zu allen anderen Medikamenten, die in allen Altersgruppen und Schweregraden durchgeführt werden, sind in großen Schwierigkeiten.

Sergio Iván Valdés-Ferrer, Neurologe

Wie kommt es zu dieser Verzerrung? Patienten können in bestimmten Krankenhäusern zwischen klinischen Studien auswählen, die mit verschiedenen Medikamenten arbeiten. Wenn alle nur an der Chloroquin-Studie teilnehmen wollen, findet man nicht heraus, ob nicht auch andere Mittel wirken. Das bestätigt auch Sung-Han Kim an der südkoreanischen Universität in Seoul. Die Infektiologin will HIV-Medikamente gegen das Sars-Cov2 testen. Aber mögliche Probanden wollen ihre Chloroquin-Behandlung dafür nicht absetzen. Und so verstreicht wertvolle Zeit, auch wenn vielerorts geforscht wird.

(lfw)