Corona-Medikamente Remdesivir – was hinter den unterschiedlichen Empfehlungen steckt

25. November 2020, 10:18 Uhr

Im Frühjahr war das Mittel noch Hoffnungsträger: Remdesivir sollte gegen Covid-19 helfen. Vor ein paar Tagen hat die Weltgesundheitsorganisation verkündet, dass sie nicht dazu rät, das Mittel anzuwenden. Deutsche Intensiv- und Notfallmediziner sowie Pneumologen dagegen halten weiterhin an dem Medikament fest. Das geht aus neuen Leitlinien zur stationären Behandlung von Covid-19 Patienten hervor. Gehen die Deutschen Ärzte damit ein Risiko ein?

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Die Who rät nicht zum Einsatz von Remdesivir, die anderen sagen, doch, kann man machen. MDR Wissen Reporterin Karolin Dörner beleuchtet die verschidenen Standpunkte.

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Das klingt nach Widerspruch, nach Uneinigkeit. Die einen sprechen sich dafür aus, die anderen dagegen. So scheint es auf den ersten Blick. Der ist aber falsch, sagt der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Uwe Janssens. Die Empfehlungen liegen eigentlich nah beieinander:

Porträt von Prof. Uwe Janssens: Mann mit kurzen, grauen Haaren, ohne Bart und Brille, mit weißem Kittel. Hintergrund gelblich, unscharf mit Muster und Dreiecken.
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Wir sind eigentlich ganz nah bei der WHO. Die WHO hat eine ganz schwache Empfehlung gegen das Remdesivir ausgesprochen. Das ist ein bisschen untergangen. Die Empfehlung ist schwach! Und wir sprechen eine ganz schwache Empfehlung dafür aus.

Uwe Janssens, DIVI

Aus der neuen Leitlinie für die stationäre Behandlung von Covid-19 Patienten gehe also jetzt hervor, dass Ärzte Remdesivir anwenden können, sie müssen nicht. Die Entscheidung treffen die Ärzte je nach Patient. Denn Erfolg verspricht Remdesivir nur in wenigen Fällen und vor allem, wenn es frühzeitig eingesetzt wird, erklärt Bernd Salzberger, Bereichsleiter Infektiologie des Universitätsklinikums Regensburg (UKR):

Prof. Dr. Bernd Salzberger
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Es gibt einen Effekt: Einige Patienten werden schneller besser. Das lässt uns ein bisschen daran festhalten, dass das einen Platz hat. Aber der große Hoffnungsträger, das hat sich wirklich zerstreut, muss man sagen.

Bernd Salzberger, UKR

Denn Remdesivir hat wohl bisher noch keine Menschenleben gerettet. Groß angelegte Studien konnten nicht zeigen, dass das Medikament Todesfälle verhindert. Außerdem ist die Anwendung teuer und aufwändig. Denn das Mittel muss in die Vene, also intravenös verabreicht werden. Auch daher wohl die Empfehlung der WHO, schätzt der Infektiologe aus Regensburg. Die WHO gibt Empfehlungen für die ganze Welt, sagt er, es gebe viele Situationen, wo der Einsatz mit einer intravenösen Substanz mit erheblichem logistischen Aufwand verbunden sei.

Bei uns machen wir das in der Ambulanz oder vor allem im Krankenhaus. Wir haben sichere Möglichkeiten, das zu applizieren. Wir haben sichere Möglichkeiten, die Nierenfunktionen zu überwachen. Das kann in anderen Ländern, wo alles das nicht möglich ist, den Einsatz von so einer Substanz komplizierter und schlechter machen.

Bernd Salzberger

Die aktuelle Studienlage ließe es derzeit zu, dass bestimmte Covid-19 Patienten in Deutschland Remdesivir erhalten. Sollte sich das ändern, werden die Leitlinien angepasst, verspricht Janssens. Dafür müsse die Studie aber ordentlich in einem wissenschaftlichen Journal publiziert worden sein. Das sei nämlich bei der Studie, auf die sich die WHO in ihrer Empfehlung bezieht, nicht der Fall:

Sie (die Daten, Anm.d.R.) sind einfach nur auf einem Pre-Print-Server abgelegt und haben noch keiner wissenschaftlichen Überprüfung standgehalten. Das fordern wir als Wissenschaftler schon ein bevor so eine gravierende Empfehlung gegen den Einsatz einer Substanz ausgeschlossen wird.

Uwe Janssens

Salzberger wirft ein, dass die WHO nicht vom Einsatz ab rät, sondern nicht zum Einsatz rät. Ein kleiner, aber wichtiger Unterschied. Die WHO warnt damit nämlich nicht vor dem Mittel, sondern sagt lediglich: Das Mittel hilft nicht gut genug, dass wir es empfehlen können.

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