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Bildrechte: imago images/Max Stein

Covid-19Sars-CoV-2: "Wir werden dieses Virus nicht mehr loswerden"

11. Juni 2021, 11:19 Uhr

Deutsche Infektionsmediziner halten ein baldiges Ende der Maskenpflichten durch die Impfungen für möglich. Corona ist damit aber noch nicht vorbei. Bei der Behandlung Infizierter steht der Durchbruch noch aus.

von Clemens Haug

Der aktuelle Stand in Sachen Corona sei in Deutschland recht erfreulich, sagt Bernd Salzberger, Professor am Universitätsklinikum Regensburg und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie. Noch liege die Inzidenz neuer Corona-Infektionen in Deutschland etwa zehn Mal so hoch, wie im Sommer 2020. "Aber wir sind zuversichtlich: Mit weiter voranschreitenden Impfungen und Schutzmaßnahmen können wir die Fallzahlen weiter senken", so der Infektionsmediziner, der sich in der kommenden Woche mit seinen Fachkollegen zum virtuellen Kongress für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin treffen wird.

Therapie von Covid-19-Infektionen immer noch schwierig

Ganz ruhig sei die Situation aber noch nicht: Als Großbritannien, dessen Impfkampagne schon weiter vorangeschritten ist, diese Stufe erreicht hatte, stiegen die Fälle wieder um 50 Prozent, dank neuer Deltavariante, also der ursprünglich in Indien erstmalig festgestellten Corona-Mutation, die der menschlichen Immunantwort teilweise ausweichen kann.

Größere Sorgen machen sich Salzberger und andere Ärzte aber vor allem um die Therapie von Covid-19-Erkrankten. Hat die Infektion einmal voll zugeschlagen, seien bei der Behandlung nur etwa 50 Prozent der Todesfälle verhinderbar. "Wir haben hier zwar bedeutende, aber nach wie vor nur kleine Fortschritte gemacht", sagt er. Bei bakteriellen Erkrankungen könnten 90 Prozent der Todesfälle abgewendet werden.

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Durch entzündungshemmende Medikamente wie Dexamethason können Ärzte zwar das gefährliche Überschießen der Immunreaktion eindämmen. Auch gibt es inzwischen viele Biomarker, an denen man einen potenziell schweren Covid-19-Verlauf frühzeitig erkennen kann. Medikamente, die sowohl die Virenvermehrung selbst stoppen, als auch zu starke Entzündungen abmildern können, fehlen derzeit noch.

Es wird soweit kommen, dass wir die Maskenpflicht hinter uns lassen können.

Professor Bernd Salzberger, Uniklinikum Regensburg

Zumindest was die Wirksamkeit der Impfung angeht, bestehen für Bernd Salzberger und seine Kollegen keine Zweifel mehr. Die fortgeschrittenen Impfkampagnen in den USA, Israel und England zeigten, dass die Impfstoffe so wirksam seien, wie es die klinischen Studien nahegelegt hätten.

Dass Sars-CoV-2 dadurch zum Aussterben gebracht werden kann, glaubt Salzberger allerdings nicht. "Wir werden dieses Virus sicher nicht mehr loswerden. Es kann bei asymptomatischen Trägern überwintern und dann wieder übertragen werden. Die Frage ist, wie künftige Infektionswellen aussehen werden?", sagt er.

Ein Ende der Pflicht zum Tragen von Masken an öffentlichen Orten hält er allerdings bald für möglich. "Masken haben nur eine geringe Wirksamkeit bei der Übertragung des Virus zwischen Geimpften." In den USA habe die Maskenpflicht deshalb bereits aufgehoben werden können. In Deutschland seien dafür zwar noch nicht genügend Menschen geimpft. "Aber es wird auch bei uns soweit kommen, dass wir die Maskenpflicht hinter uns lassen."

Nach der Pandemie rücken Post- und Longcovid in den Vordergrund

Wenn Masken und andere Infektionsschutzmaßnahmen aufgehoben werden, wird allerdings auch die Übertragung anderer Atemwegsinfekte wie der Grippe und ähnlicher Viren wieder zunehmen, da sind sich die Infektionsmediziner sicher. "Es gibt möglicherweise neue Influenza-Stämme, die in den vergangenen Jahren nicht aufgetreten sind, die kommen könnten. Wir müssen im Herbst und Winter neben der Covid-Impfung auch die Impfung gegen Influenza gut und breit aufstellen", sagt Salzberger.

Professor Oliver Witzke Bildrechte: Uniklinikum Essen

Nach der akuten Pandemie werden die Langzeitfolgen von Corona in den Vordergrund rücken, glaubt Oliver Witzke, Direktor der Klinik für Infektiologie am Universitätsklinikum Essen. "Folgen wie chronische Müdigkeit nach einer Viruserkrankung waren uns auch vorher schon bekannt", sagt er. "Jetzt haben wir die Möglichkeit, gründliche Ursachenforschung zu machen." Denn durch die Pandemie seien solche Langzeitfolgen unglücklicherweise ein Thema geworden, das viele betreffe. Deshalb wurden umfangreiche Forschungsgelder bereitgestellt. "Das Netzwerk Universitätsmedizin hat viele wichtige Projekte gestartet", sagt Witzke. Deshalb hoffe er auf rasche Fortschritte.

Erste kleinere Studien deuten bereits an: Bei Patienten, bei denen das Virus lange aktiv bleibt, könnten therapeutische Impfungen weiterhelfen. Wer eine Infektion durchgemacht habe, solle sich auf jeden Fall sechs Monate danach gegen das Virus impfen lassen, rät Professor Witzke.

Kinderimpfung: Noch zu wenige Daten für unbekümmerte Impfung

Auch bei den Infektiologen gibt es noch kein uneingeschränktes Ja zur Impfung von Kindern und Jugendlichen. Markus Knuf, Chefarzt der Kinderklinik in Worms, sagt, es gebe zwar erste Hinweise darauf, das Long Covid auch bei Kindern auftreten könne. Außerdem seien einige Kinder vom "Paediatric Inflammatory Multisystem Syndrome" (PIMS) betroffen, einer heftigen Entzündungserkrankung, die auch nach einer nahezu symptomfreien Covid-19 auftreten kann. Aber in Bezug auf die Sicherheit der Covid-Impfung für Kinder seien die Daten noch spärlich.

Bildrechte: Klinikum Worms, Pakalski

"Bei nur etwas mehr als 1.000 Probanden in der klinischen Studie ist die Datenlage nicht so ausgeprägt, dass man unbekümmert impfen würde", sagt Knuf. Bei den Risikogruppen, also Kindern mit Diabetes oder neuroleptischen Erkrankungen wie Epilepsien, sei das allerdings anders. Sie sollten geimpft werden.

Da nun in den USA viele Kinder und Jugendliche geimpft würden, seien von dort aber bald mehr Daten zu erwarten. "Man sollte aber aktiver nach unerwünschten Wirkungen bei Kindern und Jugendlichen fragen", meint Knuf. Seiner Meinung nach werde hier mit zu wenig Nachdruck nach Nebenwirkungen gesucht.

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