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Corona-ImpfstoffeWissenschaftler: Zweifel an Daten zu Sputnik V

30. April 2021, 10:27 Uhr

Forschern zweifeln an den Daten, die Russland zu seinem Covid-19-Impfstoff Sputnik V veröffentlicht hat. Einzelne Versuchspersonen zeigten auffällig ähnliche Werte, andere würden ohne ausreichende Erklärung aus den Daten ausgeschlossen.

Angeblich zu 91,6 Prozent soll Russlands Corona-Impfstoff Sputnik V vor einer Erkrankung an Covid-19 schützen. So stellten die Forscher des Moskauer Gamaleja-Instituts im Februar die Ergebnisse der klinischen Phase-3 Tests im renommierten Fachjournal The Lancet dar. Die Veröffentlichung war ein großer Erfolg für das Projekt. Die Zweifel, die aufgekommen waren, als Russland mit Impfungen begann, noch bevor die entscheidenden Tests zu Schutz- und Nebenwirkungen an großen Probandengruppen überhaupt begonnen hatten, schienen entkräftet zu sein.

Nun aber äußern unabhängige Wissenschaftler nach eingängiger Analyse der veröffentlichen Daten wiederholt Zweifel an den Studien zu Sputnik V. Daten verschiedener Probanden zeigen wiederholt gleiche Werte, entgegen statistischer Wahrscheinlichkeiten. Daten anderer Probanden werden aus der Studie ausgeklammert, den Forschern zufolge ohne ausreichende Begründung. Und für mehr Unruhe sorgen nun auch slowakische Wissenschaftler, die bei der Auslieferung einer Impfstoff-Charge an ihr Land festgestellt haben, dass der ausgelieferte Impfstoff offenbar nicht demjenigen entspricht, der in The Lancet beschrieben wurde.

Vektorviren bringen Risiken mit sich

Das Prinzip hinter Sputnik V ist eigentlich plausibel. Der Impfstoff nutzt zwei verschiedene Adenoviren als Vektoren. Die harmlosen Erkältungsviren wurden gentechnisch so verändert, dass sie nun die Erbinformation für das Spikeprotein von Sars-CoV-2 tragen, sozusagen den Schlüssel, mit dem Corona in menschliche Zellen eindringt. So soll Sputnik V die Bildung von Antikörpern anregen, die die Spikeproteine eintreffender Coronaviren verkleben und so dem Erreger der Covid-19 den Zugang zum menschlichen Körper versperren. Der bereits zugelassene Impfstoff von Astrazeneca setzt auf das gleiche Prinzip, nutzt lediglich ein etwas anderes Adenovirus dafür.

Wie der Fall des britisch-schwedischen Pharmakonzerns in den vergangenen Wochen jedoch eindrücklich gezeigt hat, ist die Impfung mit Vektorviren keineswegs frei von Risiken. Umso mehr sind Wissenschaftler nun besorgt angesichts der Ungereimtheiten, die sich bei den Daten der klinischen Studien von Sputnik V zeigen.

Forscher: Daten "zu schön, um wahr zu sein"

Enrico Bucci, Molekularbiologe, der ein auf die Überprüfung von wissenschaftlichen Daten spezialisiertes Institut in Italien leitet, hat in allen klinischen Studien zu Sputnik V Auffälligkeiten entdeckt. Wie er unter anderem Spiegel und n-TV berichtet, sei die Zahl der im Abschluss genannten Versuchspersonen niedriger, als in den Zwischenberichten zuvor. Laut den Zwischenstudien hätten einige Probanden exakt gleiche Antikörperwerte nach 21 und nach 28 Tagen gezeigt. Auch bei Werten zur Vermehrung von Zellen wiederholten sich bestimmte Muster, genau wie bei den Werten zur Antikörperbildung. All das sei statistisch extrem unwahrscheinlich. Eine Offenlegung aller bei den Studien erhobenen Daten lehnt das Gamaleja Institut aber weiterhin ab.

In einem Brief an das Fachmagazin British Medical Journal (BMJ) berichtet Bucci zusammen mit Florian Naudet und anderen Kolleginnen und Kollegen von weiteren, seltsamen Werten. So sei die Wirksamkeit der Impfung bei verschiedenen Altersgruppen auffällig gleich angegeben worden. Auch bei den im Herbst jeweils im Abstand von mehreren Wochen veröffentlichten Daten zur Wirksamkeit blieben die beobachteten Anteile jeweils auffällig gleich.

So sei am 24. November eine Wirksamkeit von 91 Prozent mitgeteilt worden. Damals hätten sich 8 von 14.095 Personen der Impfgruppe und 31 von 4.699 Personen der Placebogruppe mit Covid-19 infiziert. Am 14. Dezember, 4 Wochen später, hatten sich in der Impfgruppe 16 von 14.964 Versuchspersonen und in der Placebogruppe 62 von 5.682 Teilnehmern angesteckt – in beiden Gruppen hatte sich die Zahl der Fälle exakt verdoppelt. Diese Resultate seien "zu schön um wahr zu sein", schreiben Naudet und Kollegen.

Slowakei: Lieferung entspricht nicht Beschreibung in Studie

Ihre Funde haben die Forscher auch der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA übermittelt. Auch deren Experten haben wiederholt gefordert, Einblick in die unverarbeiteten Daten der klinischen Studien zu Sputnik V nehmen zu dürfen. Doch die hat das Gamaleja Institut nach wie vor nicht gewährt.

In dieser Woche stellten auch slowakische Forscher Unregelmäßigkeiten bei einer ausgelieferten Charge von Sputnik V fest. Das Land hatte den Impfstoff trotz fehlender Zulassung durch die EMA bestellt. Bei der Kontrolle der Lieferung von 200.000 Impfdosen kamen die Wissenschaftler jedoch zu dem Ergebnis, dass die Lieferung in "Merkmalen und Eigenschaften" von dem in The Lancet beschrieben Wirkstoff abweiche.

Auch bei weiteren russischen Corona-Impfstoffen fehlen Daten

Das Science Magazin berichtet aktuell über einen weiteren Streit, diesmal innerhalb Russlands. Dort stehen einerseits viele Menschen Sputnik V offenbar sehr skeptisch gegenüber. Gerade einmal 5 Millionen von 144 Millionen Russen sind vollständig geimpft. Zugleich wird bereits ein zweiter Impfstoff eingesetzt, EpiVacCorona, dessen Wirkstoff aus dem Virus ähnlichen Molekülen besteht. Doch auch hier gibt es nur wenige veröffentlichte Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit. Lediglich klinische Prüfungen der Phase 1 und 2 seien durchgeführt worden. Teilnehmer der Studien haben in einem Brief an das Gesundheitsamt in Frage gestellt, dass der Impfstoff eine Immunantwort gegen Coronaviren stimuliert. Zugleich wird bereits ein dritter russischer Impfstoff zugelassen, auch dieser ohne Daten aus einer Phase 3-Studie.

(ens)

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