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Aktueller Stand zur Sars-CoV-2-ImpfungSo weit sind wir bei der Suche nach einem Corona-Impfstoff

21. Juli 2020, 16:56 Uhr

Weltweit wird fieberhaft nach einem Impfstoff gegen Sars-CoV-2 gesucht. Besonders weit sind aktuell die britische Firma AstraZeneca in Zusammenarbeit mit der Uni Oxford. MDR Wissen stellt den Stand der Forschung vor.

Was sagen Experten dazu, wann Impfstoffe einsatzbereit sind?

Laut Dr. Soumya Swaminathan, der Chefwissenschaftlerin der Weltgesundheitsorganisation (WHO), befinden sich aktuell 20 Impfstoffkandidaten in klinischen Studien. Die Expertin ist zuversichtlich, dass zumindest einige von ihnen funktionieren werden. "Es wäre sehr viel Pech, sollten alle scheitern", sagte die gebürtige Inderin in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. Anfang 2021 sollte es erste Ergebnisse geben, Mitte des kommenden Jahres dann einen Impfstoff auf breiter Basis.

Auch Dr. Sebastian Ulbert vom Leipziger Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI) prognostiziert, dass es im kommenden Jahr mehrere zugelassene Impfstoffe geben wird. "Der große Wurf wird da aber wahrscheinlich noch nicht dabei sein", schränkt er jedoch ein. Die ersten Mittel dürften wohl nur bestimmten Gruppen, wie jungen, gesunden Menschen zu Gute kommen. Senioren, deren Immunsysteme oft nicht so gut auf Impfungen reagiert, müssten wahrscheinlich länger warten.

Ein besonderer Impfweg könnte die Stimulation von neutralisierenden körpereigenen Antikörpern durch eine Impfung sein. "Die wichtigsten Bauteile einer Immunabwehr sind von Natur aus bereits vorhanden, diese müssen nur noch richtig durch eine Impfung zusammengefügt werden", erläutert Prof. Dr. Clemens Wendtner von der München Klinik Schwabing. Der Infektiologe plädiert jedoch für genügend Geduld: "Erst wenn feststeht, dass eine Impfung die Menschheit wirklich vor Covid-19 schützt, ist das Klassenziel erreicht."

Welche Impfstoffe sind jetzt bereits in einer klinischen Phase-3-Studie?

Erst bei einem Impfstoffkandidaten sind die klinischen Phase-3-Studien schon richtig angelaufen: AZD1222. Allerdings lässt sich erst nach Monaten feststellen, ob die Impfung die tausenden Probanden tatsächlich geschüzt hat. "Es ist wichtig, Wirksamkeitsdaten aus kontrollierten klinischen Prüfungen zu bekommen. Dafür braucht man aber hohe Infektionsraten", sagt dazu Klaus Cichutek, Präsident des für Impfstoffe bundesweit zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts.

Dass Corona derzeit so stark eingedämmt wurde - ausgerechnet in Großbritannien und China, wo es Projekte mit vergleichsweise großem Fortschritt gibt - für die Wirksamkeitsforschung einer Impfung ist das eher ein Problem. Tatsächlich finden Phase-3-Studien zu zwei dieser Impfstoff-Kandidaten nun in einem Land statt, in dem das Virus weiterhin weit verbreitet ist: Brasilien.

Entwickelt haben den Impfstoff das britische Unternehmen AstraZeneca und die ebenfalls britische Universität Oxford. Beide Institutionen hatten am 20. Juni damit begonnen, an ca. 5.000 Freiwilligen die Wirksamkeit ihres Impfstoffs zu prüfen, der auf manipulierten Viren basiert, die eigentlich bei Affen vorkommen. Die Studie läuft bis Juli 2021, aber Ergebnisse werden vorher schon erwartet.

Die WHO begrüßte die Studienergebnisse bereits als "gute Nachricht" und hob dabei heraus, dass sowohl das Vakzin erfolgreich getestet worden sei als auch keine ernsthaften Nebenwirkungen aufgetreten seien. "Dennoch ist es noch ein langer Weg", sagte WHO-Nothilfekoordinator Mike Ryan. Nun müssten weitere Studien in größerem Umfang folgen.

Das Tempo bei der Entwicklung solcher Impfstoffe sei insgesamt sehr hoch, erklärt Soumya Swaminathan. Nur knapp drei Monate Dauer von der Veröffentlichung des Viren-Genoms bis zum ersten Impfstofftest habe es zuvor noch nie gegeben. "Aber der Abschluss von klinischen Phase-3-Studien bedeutet nicht zwingend, dass der Impfstoff wirksam, sicher und einsatzbereit ist", so die WHO-Chefwissenschaftlerin.

Wie sieht es mit der Immunität aus?

Prof. Dr. Mascha Binder (vorn). Bildrechte: Zentrale Fotostelle UKH

Umstritten bleibt die Frage, ob Menschen sich ein zweites Mal mit Sars-CoV-2 infizieren können. Der Chefvirologe des Uniklinikums Leipzig hatte MDR Wissen berichtet, dass er genau dies an zwei Fällen beobachtet habe. Allerdings ist unklar, ob die Personen tatsächlich zweimal erkrankt oder die Tests nicht exakt genug waren.

"Aktuell ist auch vollkommen unklar, welche Immunantworten für einen sicheren Impfschutz benötigt werden", meint Dr. Julian Schulze zur Wiesch vom Hamburger Uniklinikum. Denn die durch eine natürliche Infektion hervorgerufenen Immunantworten können nur bedingt mit denen von Impfstoffen verglichen werden.

Laut Prof. Dr. Mascha Binder bestehen zudem Zweifel daran, dass die bisher bei Covid-19 beobachteten Immunantworten ein langlebiges Gedächtnis im Immunsystem hervorrufen und damit einen Schutz vor einer erneuten Infektion. "Dies zeigt die Risiken des Konzeptes eines 'Immunitätspasses' auf und unterstützt die Aufrechterhaltung der Hygiene- und Distanzregeln für alle Bevölkerungsgruppen", betont die Direktorin der Klinik für Hämatologie und Onkologie am Uniklinikum Halle.

(cdi/dpa)

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