Eine Ärztin impft Patientin gegen Corona.
Corona-Impfung bei einer Hausärztin (Symbolfoto): Kommt es in den ersten Tagen nach der Impfung zu Reaktionen wie Kopfschmerzen oder leichtem Fieber ist das ein Zeichen dafür, dass das Immunsystem auf die Impfung reagiert. Bildrechte: imago images/Wilhelm Mierendorf

Corona-Impfungen Impf-Reaktionen: Nebenwirkungen können gute Immunantwort anzeigen

21. Oktober 2022, 17:00 Uhr

Die Impfung gegen Corona löst bei vielen Menschen unangenehme Reaktionen wie Kopf- und Gliederschmerzen und in einigen Fällen sogar Fieber aus. Studien zeigen: Je stärker die Nebenwirkungen, desto besser die Impfwirkung.

Autorenfoto von Clemens Haug
Bildrechte: Tobias Thiergen/MDR

Kopfschmerzen, Schüttelfrost, manchmal sogar ein bisschen Fieber: Nach einer Corona-Impfung erleben viele Menschen unangenehme Impfreaktionen. Dass es solche Reaktionen gibt, sei grundsätzlich ein gutes Zeichen, sagt Professor Michael Schaefer, Pharmakologe und Koordinator der Impfaktivitäten an der Universität Leipzig. Sie zeigen, dass Kraft und Energie in das Immunsystem gelenkt werden, damit es eine Verteidigung gegen das Coronavirus aufbaut. "Durch die Impfreaktionen nehmen wir eine Art Schonhaltung ein. Wir belasten uns nicht zusätzlich, denn hohe Belastungen würden dazu führen, dass die Immunreaktion herabgeregelt wird, etwa durch Stresshormone", erklärt Schaefer.

Eine neue Studie zeigt zudem, dass ein Immunsystem umso mehr Antikörper gegen das Ziel der Impfung bildet, je stärker die Impfreaktionen sind. Doch dazu gleich mehr.

Alarm im Körper lenkt Energie ins das Immunsystem

Professor Michael Schaefer von der Universität Leipzig
Professor Michael Schaefer von der Universität Leipzig Bildrechte: Universitätsklinik Leipzig

Im Grunde ist eine Impfung eine Art simulierte Infektion. Bei den in Deutschland zugelassenen Corona-Impfungen wird entweder eine in eine kleine Fetthülle verpackte mRNA-Bauanleitung für das Corona-Spikeprotein gespritzt. Oder diese Bauanleitung kommt mit einem Adenovirus in den Körper. In beiden Fällen bauen unsere Zellen das feindliche Eiweiß nach. Unser Immunsystem lernt das Spikeprotein kennen und reagiert darauf. Dafür braucht es viel Energie. "Der Körper soll deshalb in einen Ruhezustand gefahren werden, um sich mit dem fremden Eiweiß auseinandersetzen zu können", sagt Schaefer. Das sei so ähnlich wie nach dem Essen, wenn unsere Energie in die Verdauung geht. "Unser Körper hat solche Instrumente, uns in einen Zustand zu bringen, indem wir die jeweils vorrangige Aufgabe am besten erfüllen können."

Die Reaktion, die dann im Körper passiert, ist ausgesprochen komplex. Der Mediziner Professor Christian Bogdan ist Infektionsimmunologe und Mitglied der Ständigen Impfkommission, die auf Basis der jeweils verfügbaren Daten und Erkenntnisse Empfehlungen dazu abgibt, welcher Impfstoff für welche Personengruppe eingesetzt werden sollte. "Jede Impfung muss, um erfolgreich zu sein, sowohl das angeborene als auch das erworbene Immunsystem aktivieren", sagt Bogdan.

Abwehrzellen müssen stimuliert und Antikörper produziert werden

Man kann sich den Körper vielleicht wie ein großes Unternehmen vorstellen, das überraschend von einer Bande Einbrecher angegriffen wird. Die Sicherheitsabteilung wird alarmiert und muss als erstes verstehen, wie die Einbrecher überhaupt eindringen konnten. Dazu werden spezielle Ermittler ausgebildet, die sich mit den Angreifern beschäftigen und schließlich eine neue Fertigungsanlage aufbauen, die speziell zugeschnittene Abwehr-Werkzeuge produziert. Weil das alles so schnell wie möglich gehen muss, wird das ganze Unternehmen in Alarm versetzt und alle Aktivitäten auf die Abwehr ausgerichtet.

Professor Christian Bogdan vom Universitätsklinikum Erlangen
Professor Christian Bogdan vom Universitätsklinikum Erlangen Bildrechte: Franziska Männel/Uni-Klinikum Erlangen

Im Körper passiert das in Form biochemischer Prozesse. "Zum angeborenen Immunsystem gehören zum Beispiel dendritische Zellen. Die produzieren Botenstoffe, die T- und B-Lymphozyten stimulieren", sagt Bogdan. Die B- und T-Lymphozyten gehören zu den weißen Blutkörperchen. Sie erkennen im Falle der COVID-19-Impfung das Spike-Protein, was dann zur Bildung der passenden Antikörper führt und zur Entwicklung von T-Lymphozyten mit Helferwirkung oder zellabtötender Funktion.

Die Botenstoffe seien aber auch an der Entstehung von Fieber beteiligt. Ein Impfstoff müsse solche Reaktionen auslösen, um wirkungsvoll zu sein, sagt Bogdan. "Diese sogenannte Reaktogenität kann zwar von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausgeprägt sein. Aber zumindest an der Einstichstelle muss etwas passieren, damit tatsächlich die Immunantwort ausgelöst wird."

Studie: Stärkere Impfreaktionen sind mit stärkerer Antikörperbildung verbunden

Diese Aussage bestätigt auch eine im Fachblatt JAMA Network Open erschienene Studie von Medizinerinnen an der New Yorker Columbia University. Das Team um Emilia Hermann und Elizabeth Oelsner hatte 928 Versuchspersonen (Mittleres Alter 65 Jahre, 61 Prozent Frauen) nach Reaktionen auf eine Corona-Impfung gefragt und mehrere Blutproben genommen. Während wenige Teilnehmer gar keine Reaktionen hatten, kam es bei 12 Prozent lediglich zu lokalen Reaktionen wie Schmerzen an der Einstichstelle oder ein schmerzender Arm. 48 Prozent dagegen erlebten sogar systemische Reaktionen wie Fieber. Die Symptome waren dabei tendenziell stärker, wenn die Geimpften jünger waren, Frauen waren, zuvor bereits einmal mit Covid-19 infiziert waren und wenn sie den Impfstoff von Moderna erhalten hatten.

Als die Forschenden die Blutproben untersuchten, stellten sie fest, dass nahezu alle Geimpften Antikörper gebildet hatten: 98 Prozent der Personen ohne Impfreaktionen und jeweils 99 Prozent der Personen mit lokalen und mit systemischen Reaktionen. Ein Vergleich der Antikörperwerte zeigte aber, dass Personen mit systemischen Reaktionen höhere Werte hatten, als diejenigen, die nur lokale Reaktionen hatten. Das bedeutet, die Impfung wirkte stärker bei Personen, die nach einer Dosis Fieber bekommen hatten, als bei denen, denen lediglich der Arm schmerzte.

Individuelle Impfreaktion lassen keine direkten Rückschlüsse auf die Immunantwort zu

Typische Reaktionsmuster lassen sich nur auf übergeordneter Ebene beobachten, also wenn man sehr viele geimpfte Menschen vergleicht. Individuelle Reaktionen bei einem Geimpften lassen nicht unbedingt Rückschlüsse auf dessen Immunantwort zu. "Es kann sein, dass Sie sehr gut Antikörper bilden, auch wenn sie keine starken Reaktionen haben. Und es kann umgekehrt sein, dass Sie sehr starke Reaktionen haben, während die Antikörperbildung noch moderat ist", sagt der Pharmakologe Michael Schaefer. 

Bekannt ist, dass jüngere Menschen zu mehr Reaktionen neigen. Kinder bekommen beispielsweise häufiger erhöhte Temperatur oder ein kurzes Fieber nach einer Impfung. Bei Älteren ist das deutlich seltener. Trotzdem werden sie sehr gut durch die Impfung geschützt, wie die aktuellen Corona-Statistiken zeigen. Die Gruppe der über 80-Jährigen war von der dritten Pandemiewelle in Deutschland kaum betroffen, weil viele von ihnen geimpft waren, sagt Christian Bogdan.

Gefährliche Nebenwirkungen von Impfungen sind sehr selten

Impfstoffe, die eine starke Impfreaktion provozieren, lösen im Allgemeinen auch eine deutliche Immunantwort aus. Da sind sich Immunologe Bogdan und Pharmakologe Schaefer einig. Allerdings gibt es in seltenen Fällen auch gefährliche Nebenwirkungen, etwa stark allergische, sogenannte anaphylaktische Reaktionen auf die Fetthülle, die die mRNA-Impfstoffe in den Körper bringt. Die treten meist innerhalb weniger Minuten oder Stunden nach der Impfung auf und können gut behandelt werden. Anders ist das bei den Fällen von Thrombosen mit Thrombozytopenien, die sehr selten nach Gabe der Vektorimpfstoffe beobachtet wurden. Sie traten, im Gegensatz zur normalen Impfreaktion, erst vier bis 16 Tage nach der Impfung auf. Hier starben nach Zählung des Paul-Ehrlich-Insituts bis zum 1. Juni insgesamt 21 Menschen an der Nebenwirkung, die bei frühzeitiger Entdeckung behandelt werden kann.

"Wenn mit so einer Verzögerung zusätzliche Reaktionen auftreten, muss man besonders hellhörig werden", sagt Michael Schaefer. "Das ist meist nicht mehr im Rahmen der normalen Reaktogenität, sondern möglicherweise ein Zeichen einer ernsthaften Impfnebenwirkung." Die Erfassung von Impfnebenwirkungen ist Aufgabe des Paul-Ehrlich-Instituts, die dann wiederum in die Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission einfließen. "Vor der Empfehlung einer Impfung müssen wir uns unter anderem die Frage stellen, ob neue Signale aufgetreten sind, die die Sicherheit eines Impfstoffs betreffen. Hierbei geht es auch um Hinweise auf seltene, schwerwiegende Nebenwirkungen, die nicht in den ersten ein bis zwei Wochen, sondern vielleicht erst nach einigen Monaten in Erscheinung treten", sagt Christian Bogdan.

Sehr seltene Komplikationen von Impfungen werden im Rahmen der klinischen Zulassungsstudien nicht immer entdeckt, da daran meist nur mehrere zehntausend Menschen teilnehmen, die Nebenwirkung aber manchmal erst bei einem von 100.000 Geimpften auftritt. Erst, wenn sehr viele Menschen in relativ kurzer Zeit geimpft werden, können solche Wirkungen sichtbar werden. "Hierbei besteht allerdings immer die Notwendigkeit genau zu untersuchen, ob zwischen einer Impfung und dem Auftreten einer als Impfkomplikation interpretierten Erkrankung tatsächlich ein kausaler Zusammenhang besteht, oder ob es sich nur um ein zufälliges Zusammentreffen von zwei unabhängigen Ereignissen handelt", sagt Bogdan. Dass dieses System funktioniert, zeigt das Beispiel der Astrazeneca-Impfung, für die die Empfehlungen nach der Entdeckung der Thrombosen mit Thromozytopenien geändert wurden.

Wir haben in diesem Artikel die Zahl der nach einer Impfung mit Astrazeneca an Thrombosen mit Thrombozytopenien verstorbenen Patienten ergänzt.

89 Kommentare

MDR-Team am 01.10.2021

@leo...
auch die mRNA-Impfstoffe profitieren maßgeblich von den Erkenntnissen aus der jahrzehntelangen Impf-Geschichte. "Langzeit-Nebenwirkungen, die erst nach Jahren auftreten, sind bei Impfstoffen generell nicht bekannt", erklärt Susanne Stöcker, Pressesprecherin des Paul-Ehrlich-Instituts im Gespräch mit ZDFheute. Die meisten Nebenwirkungen von Impfungen treten innerhalb weniger Stunden oder Tage auf. In seltenen Fällen auch mal nach Wochen." (https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/corona-impfstoff-langzeitschaeden-100.html)
Noch einmal: Wenn eine schwere Nebenwirkung wie z.B. Narkolepsie erst nach Monaten auftritt, gibt es dafür i.d.R. bereits kurz nach der Impfung Anzeichen. Diese Anmerkung ist kein Widerspruch zu Prof. Bogdans Aussage. Das können Sie natürlich ganz anders interpretieren. Da die Argumente dennoch ausgetauscht sind, verabschieden wir uns an dieser Stelle aus der Diskussion.

MDR-Team am 30.09.2021

@leo...
wir haben Prof. Bogdan keineswegs widersprochen. Die seltenen, schwerwiegenden Nebenwirkungen mögen erst später auftreten. Anzeichen dafür gibt es in der Regel jedoch kurz nach der Impfung. Ein Beispiel dafür ist die Pandemrix-Impfung: Bereits innerhalb der ersten zwei Monaten zeigten sich Symptome der Narkolepsie. Problematisch dabei war, dass die Nebenwirkung so extrem selten auftrat, dass sie in einer Probandengruppe mit ca. 2.000 Personen nie hätte gefunden werden können.

MDR-Team am 22.09.2021

@leo...
im Artikel steht auch "Anders ist das bei den Fällen von Thrombosen mit Thrombozytopenien, die sehr selten nach Gabe der Vektorimpfstoffe beobachtet wurden. Sie traten, im Gegensatz zur normalen Impfreaktion, erst vier bis 16 Tage nach der Impfung auf". Auch seltene und schwere Impfnebenwirkungen treten nicht erst Monate oder Jahre nach der Impfung auf, sondern Tage bis wenige Wochen nach dem Piecks. Das ist auch bei allen anderen Impfungen so. Bei schweren Nebenwirkungen ist also nicht der Zeitraum ihres Auftretens das Problem, sondern ihre Seltenheit: Sie können erst entdeckt werden, wenn viele tausend Menschen geimpft wurden.