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Covid-19Corona: Infektion schützt offenbar besser gegen Delta-Variante als Impfung

02. September 2021, 15:43 Uhr

Laut einer israelischen Studie bietet die Immunität nach einer Corona-Infektion einen besseren Schutz vor der Delta-Variante als eine Impfung. Die Forschenden betonen aber, dass am besten beides kombiniert werden sollte – und in keinem Fall deswegen komplett auf das Impfen verzichtet werden darf.

Die Studie der israelischen Forschenden liegt bisher nur als Preprint vor, das heißt sie wurde zwar schon der Öffentlichkeit vorgestellt, aber noch nicht von unabhängigen Gutachtern bewertet. Dennoch sind ihre Ergebnisse sehr interessant, denn in ihr wurden die Krankendaten von 32.000 Israelis zwischen dem 1. Juni und dem 14 August dieses Jahres ausgewertet, als die neue, viel ansteckendere Delta-Variante des Coronavirus sich bereits im Land verbreitet hatte.

Damit sei die Untersuchung laut den Autoren die bisher größte Beobachtungsstudie, bei der die durch Infektion und Impfung erworbenen Immunitäten gegen Sars-CoV-2 miteinander verglichen wurden. Im Resultat schneidet die Ansteckung besser ab, da durch sie die Wahrscheinlichkeit deutlich stärker sinkt, sich erneut mit der Delta-Variante zu infizieren, Symptome zu entwickeln und ins Krankenhaus eingewiesen werden zu müssen als mit einer doppelten Impfung mit dem Vakzin von Biontech/Pfizer.

Absichtliche Infektion für Ungeimpfte sehr riskant

Die Forschenden sind sich der Wirkung dieser Ergebnisse durchaus bewusst und haben sie deshalb gleich mit einem großen "Aber"-Schild versehen: Die Corona-Impfstoffe bleiben ein wichtiges Mittel, gerade um vor schweren Verläufen zu schützen. Dazu sei eine absichtliche Infektion für Ungeimpfte extrem riskant. "Wir wollen nicht, dass die Leute rausgehen und Infektionspartys feiern", sagte der nicht an der Studie beteiligte Immunologe Michel Nussenzweig von der Rockefeller University in einem Artikel des Fachmagazins "Science" zum Thema. "Denn dabei könnten auch Menschen sterben." Dem stimmt die Immunologin Marion Pepper von der Universität Washington zu, die sagt, dass in der israelischen Untersuchung zwar die Vorteile der natürlichen Immunität dargelegt werden – aber nicht, was das Virus dem Körper antut, bis man diese erlangt hat.

Die in der Studie festgestellten Unterschiede zwischen genesenen und geimpften Menschen waren dabei erstaunlich groß. Betrachtet wurden insgesamt 32.430 Personen, je zur Hälfte Menschen, die zuvor eine Infektion durchgemacht hatten oder doppelt Geimpfte ohne Infektion. Von den Geimpften infizierten sich 238 mit Covid-19 (entspricht einem Anteil von 2 Prozent der Geimpften). Bei den Genesenen kam es zu 19 Reinfektionen (entspricht 0,1 Prozent). Damit war die Wahrscheinlichkeit für die doppelt Geimpften, sich mit der Delta-Variante zu infizieren, sechs bis 13 Mal so hoch wie für die Genesenen. Das Risiko, Symptome zu entwickeln, war für die Geimpften um den Faktor 27 erhöht und die Gefahr, ins Krankenhaus eingeliefert werden zu müssen, um den Faktor acht. Beachtet werden muss hierbei allerdings, der insgesamt geringe Anteil an Impfdurchbrüchen beziehungsweise Reinfektionen.

In einem weiteren Schritt verglichen die Autoren nun noch jeweils Reinfektionen von Genesenen mit Reinfektionen von Genesenen, die später eine Dosis der Impfung erhalten hatten. Beide Gruppen enthielten die Daten von jeweils 14.029 Personen. Bei den nur Genesenen kam es zu 37 Reinfektionen, bei den Genesenen mit einfacher Impfung waren es 20 Reinfektionen. Das Risiko einer erneuten Ansteckung sank durch die Impfung also nochmal um fast die Hälfte.

Da niemand in der Studie verstarb, konnte kein Vergleich der Todesraten angestellt werden. Dies sei jedoch ein sicheres Zeichen, dass Impfungen weiterhin einen guten Schutz bieten – wenn auch anscheinend einen nicht ganz so guten wie die natürliche Immunität.

Impfung nach Ansteckung stärkt Immunität

Eine weitere interessante Erkenntnis der Studie: Offenbar schützt die Kombination aus Ansteckung und Impfung mit einer Dosis von Biontech/Pfizer besser vor einer weiteren Infektion als nur die Ansteckung. Damit könnte auch die Diskussion um die Notwendigkeit einer zweiten Impfung für Genesene neue Nahrung bekommen – eine Dosis könnte für sie ausreichen, wie es beispielsweise in Deutschland auch schon gehandhabt wird.

Laut Michel Nussenzweig bestätigt die Studie aus Israel die Ergebnisse zu sowohl infizierten als auch geimpften Menschen in einer Reihe von Untersuchungen, die Kollegen von ihm an der Rockefeller University durchgeführt haben und die in "Nature" sowie "Immunity" veröffentlicht wurden. Demnach produziert das Immunsystem von Personen, die erst eine natürliche Immunität gegen Sars-Cov-2 entwickelt haben und danach geimpft werden, außergewöhnlich viele und leistungsfähige Antikörper gegen das Coronavirus. In einem weiteren Preprint stellten die Rockefeller-Forschenden sogar fest, dass eine Infektion plus Impfung mit mRNA-Vakzin dazu führt, dass die Probanden gegen ein eigens gezüchtetes, ungefährliches Virus immun wurden, das 20 verschiedene Corona-Varianten auf seinen Spike-Proteinen trug.

Das Phänomen, das eine natürlich erworbene Immunantwort besser als eine Impfung schützt und langfristig anhält, ist übrigens auch von anderen Infektionskrankheiten bekannt – etwa von Sars-CoV-1 und Mers-CoV (Nahost-Atemwegssyndrom). Andererseits können andere Coronaviren, die nur Erkältungssymptome hervorrufen, bereits Infizierte immer und immer wieder anstecken.

cdi/ens

Anmerkung: Wir haben in dieser Studie die absoluten Zahlen ergänzt, um die Dimensionen klarer zu machen. Zwar haben Geimpfte häufiger Impfdurchbrüche, als das Genesene sich erneut mit Covid-19 anstecken. Aber in beiden Gruppen sind diese Fälle selten. Am besten schneiden Genesene mit einfacher Impfung ab.

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