Eine Frau sitzt auf einer Bank unter blauem Himmel
Der Flugverkehr kam durch die Coronakrise fast vollständig zum erliegen. Vielerorts waren kaum noch Kondensstreifen am Himmel zu sehen und die Luft klarte merkbar auf. Bildrechte: imago images/MiS

Klimakrise und Corona Stärkster Rückgang bei Klimagasen seit Zweitem Weltkrieg

26. Mai 2020, 15:14 Uhr

Die Coronakrise hat zum stärksten Rückgang der CO2-Emissionen seit dem Zweiten Weltkrieg geführt: Über eine Milliarde Tonnen wurden weniger ausgestoßen. Klimaforscher hoffen auf Lerneffekte für die Verkehrspolitik.

Anfang April liefen in viele Ländern der Welt umfangreiche Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Läden mussten schließen, Mitarbeiter wurden ins Homeoffice geschickt, an manchen Orten kam die Wirtschaft komplett zum Stillstand. Während dieser Zeit lagen die täglichen Emissionen des Klimagases CO2 weltweit um rund 17 Prozent unter denen des Vorjahres. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des Global Carbon Project, unter der Leitung von Rob Jackson von der US-Universität Stanford, die jetzt im Fachjournal Nature Climate Change veröffentlicht wurde.

90 Prozent der CO2-Verursacher-Länder hatten die Wirtschaft eingeschränkt

In absoluten Zahlen lagen die CO2 Emissionen täglich um 17 Millionen Tonnen unter denen von 2019. Sie fielen damit auf den Stand des Jahrs 2006. 43 Prozent davon gingen auf den Rückgang des Verkehrs auf dem Boden zurück, also auf Straßen- und Schienenfahrzeuge, die nicht fuhren. Weitere 43 Prozent sparten Industrie und Kraftwerke, die heruntergefahren wurden. Der Luftverkehr, der am stärksten betroffen war, trug 10 Prozent zur Verringerung bei.

Die Wissenschaftler haben insgesamt 69 Länder analysiert, die zusammen für 97 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich sind. Die Regionen, die zusammen normalerweise 89 Prozent des CO2 in die Atmosphäre entlassen, hatten zum Höhepunkt des Lockdowns alle mindestens einige Beschränkungsmaßnahmen ergriffen.

Größte CO2 Einsparung durch Beschränkungen in China – Europa auf Platz 3

Grundlage dieser Berechnungen sind Daten über einzelne Wirtschaftssektoren und ihre Leistung in der Zeit vor der Krise. Auf dieser Basis haben die Wissenschaftler die Einsparungen durch die Einschränkungen geschätzt. Demnach wurden bis Ende April über eine Milliarde Tonnen CO2 weniger emmitiert.

Größter Einsparer war die Volksrepublik China mit 242 Million Tonnen CO2. Sie hatte bereits seit Ende Januar umfangreiche Beschränkungen verfügt. Auf Platz zwei liegen die USA mit 207 Millionen Tonnen. Die Europäische Union folgt auf Platz drei mit 123 Millionen Tonnen, Indien auf Platz vier mit 18 Millionen Tonnen.

Größer Rückgang des CO2 Ausstoß seit dem zweiten Weltkrieg

Was die Auswirkungen dieser Entwicklung für die Gesamtbilanz der Klimaemissionen von 2020 bedeutet, hat das Forscherteam mit zwei Szenarien abgeschätzt. Demnach könnte der CO2-Ausstoß um vier Prozent unter dem von 2019 liegen, wenn die Wirtschaft ab Juni wieder vollumfänglich läuft. Sollten dagegen einige Beschränkungen noch bis Jahresende bestehen, könnte insgesamt bis zu sieben Prozent weniger CO2 ausgestoßen werden.

Zum Vergleich: Die Finanzkrise von 2008 hatte einen weltweiten Rückgang von nur 1,5 Prozent zur Folge. Die Reduktion durch die Coronakrise wäre demnach die größte Einsparung von Klimaemissionen seit dem zweiten Weltkrieg. Allerdings sind sich die Forscher sicher, dass dieser Effekt temporär ist. "Diese extremen Rückgänge dürften jedoch nur vorübergehend sein, da sie keine strukturellen Veränderungen im Wirtschafts-, Verkehrs- oder Energiesystem widerspiegeln", sagt Corinne Le Quéré von der Universität East Anglia, die an der Studie beteiligt ist. Solche Reformen seien allerdings notwendig, um Netto-Null-Emissionen zu erreichen.

Die Autoren betonen, dass die politischen Führungen jetzt aber eine große Chance hätten, wenn sie bei den Wiederbelebungsmaßnahmen der Wirtschaft nach Covid-19 Klimaschutz zu einem wichtigen Ziel machen. Möglichkeiten zu nachhaltiger Veränderung seien da, besonders beim Verkehr. So könne die Luft und Lebensqualität in Städten erheblich verbessert werden, wenn statt dem Bau von Straßen der Fuß- und Fahrradverkehr gefördert würde.

Durch Corona: Deutliche Veränderung der Verkehrsmuster in Deutschland

In manchen Ländern hat es während Corona bereits Veränderungen der Verkehrsgewohnheiten gegeben. Das zeigen erste Ergebnisse einer Studie von Forschern der TU Dresden. Die Wissenschaftler hatten mit einem Fragebogen untersucht, wie sich Mobiltätsmuster während des Lockdowns geändert haben. Nahezu alle Befragten (98,4 Prozent) berichteten über mindestens einen täglichen Weg, der weggefallen war. Ursache dafür waren vor allem wegbrechende Freizeitaktivitäten, davon waren 85 Prozent betroffen.

58 Prozent, gaben an, andere Verkehrsmittel genutzt zu haben. Während öffentlicher Nah- und Fernverkehr gemieden wurde, gab es große Zuwächse beim Rad- und Fußverkehr. Grund dafür war laut den Befragten die Angst vor Ansteckungen und Vorsorge für die eigene Gesundheit durch mehr Bewegung.

Blauer Himmel über Los Angeles

Standford-Wissenschaftler Rob Jackson glaubt, dass die positiven Auswirkungen auf die Umwelt von vielen Menschen bemerkt würden. "Die Leute staunen, wie schnell die Luft wieder klar wurde, als wir aufhörten zu fahren", sagt Er. "Mein Sohn in Los Angeles rief an und sagte: 'Dad, der Himmel ist blau!' Die Umwelt ist widerstandsfähig, und die Menschen sind es auch."