Gegen Ausbreitung von Aerosolen Simple Corona-Lüftungsanlage für Schulen doch nicht so genial?

04. Dezember 2020, 11:29 Uhr

Ende Oktober machte eine Erfindung Furore, mit der auf simple Art das Problem der Corona-Aerosole in Klassenräumen angegangen werden kann. Dagegen regt sich nun massive Kritik: Ist das System nicht so genial wie gedacht?

Bei der Entwicklung handelt es sich um eine Lüftungsanlage aus Baumarktteilen, die zusammen nicht mehr als 200 Euro kosten. Mit ihr soll die warme Luft, die Schüler in Klassenräumen produzieren, über ein Rohrsystem nach draußen transportiert werden - und damit auch die sogenannten Aerosole, die als eine mögliche Quelle für Corona-Infektionen gelten.

Erdacht hatte die Konstruktion der Forscher Frank Helleis vom Max-Planck-Institut für Chemie (MPIC) in Mainz, dessen Frau als Lehrerin an einer Schule in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt arbeitet. Über sie kam der Kontakt zur Integrierten Gesamtschule Mainz-Bretzenheim zustande, an der die Lüftungsanlage getestet wurde. Nach Aussage von Helleis wurde dabei eine Entfernung der Aerosole um 90 Prozent gemessen.

Massive Kritik von verschiedenen Seiten

Allerdings kam schon kurz nach Veröffentlichung Kritik vom Fachverband Gebäude-Klima e.V. (FGK), der vor "vor scheinbar einfachen und billigen Lösungen" warnte. Vor allem der fehlende Luftwechsel bei angekippten Fenstern wurde darin moniert, womit sich die Anlage von selbst disqualifiziere. Daran beteiligt war auch das Hermann-Rietschel-Institut der TU Berlin, das von Prof. Martin Kriegel geleitet wird.

Nun hat ein Forscherteam der Hochschule Trier und vom Umwelt-Campus Birkenfeld mit einer Stellungnahme nachgelegt, die einem Verriss gleichkommt. Die Wissenschaftler um Prof. Christoph Kaup kritisieren dabei gleich sechs Punkte am Lüftungskonzept von Helleis. Zu ihnen gehört, dass sich die Abluft auch durch Querströme im Raum verteilen kann und nicht nur nach oben strömt. Auch sei der Volumenstrom in den Abzugshauben nicht ausreichend. Zudem müsste immer wieder Außenluft in die Räume strömen, was bei niedrigen Außentemperaturen zu Problemen führen könnte. Außerdem erhöhe sich die Brandlast, da die Anlage aus Kunststoff besteht. Zu guter Letzt sei das Konzept auch nicht nachhaltig, da es "unter den rauen Bedingungen des Schulalltags" nur eine geringe Lebensdauer besitze.

Aufgrund der genannten Punkte kann der Aufbau und der Betrieb der 'Abluftanlage für Klassenräume' des Max-Planck-Instituts für Chemie (MPI) nicht empfohlen werden. Bereits mit einer konsequenten Umsetzung einer regelmäßigen Stoßlüftung gemäß der Lüftungsregeln des Umweltbundesamtes können wahrscheinlich bessere Luftwechselraten bei höherem Komfort erreicht werden.

Stellungnahme zum Lüftungskonzept

Helleis kann mit Kritik "hervorragend leben"

Auf Anfrage von MDR Wissen äußerte sich Frank Helleis zu der Kritik. Der Wissenschaftler versprach zeitnah eine ausführliche Stellungnahme, die auf der Website des MPIC veröffentlicht werde. In einem Ad-hoc-Statement erklärte Helleis: "Gemessen an der Kritik, mit der uns Herr Kriegel nichtöffentlich konfrontiert hat, können wir mit den Pressemeldungen und der Tatsache, dass unser Vorschlag zur Selbsthilfe vom Fachverband lediglich 'nicht empfohlen' wird, hervorragend leben."

Mit Prof. Kriegel sei der Mainzer Forscher in einem detaillierten Gedankenaustausch, in dem aus seiner Sicht alle wesentlichen Kritikpunkte entkräftet werden konnten. "Letztlich wirft man mir lediglich vor, dass ich mit unseren Volumenflüssen im realen Schulbetrieb niemals die Haubeneffizienzen erreichen hätte können, die ich im semirealen Laborbetrieb gemessen habe. Aber das habe ich weder erwartet noch behauptet", betont Helleis. Insgesamt hätte er eine Reaktion von so vielen in einem Fachverband organisierten Professoren gar nicht erwartet, da seine Entwicklung nicht in Konkurrenz zu deren ausgefeilter Raumlufttechnik treten soll.

cdi

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