Illustration Antikörper
Wie die in dieser Grafik weiß dargestellten Antikörper soll auch das Fusionsprotein von Formycon das Coronavirus blockieren. (künstlerische Darstellung). Bildrechte: imago images/Science Photo Library

Covid-19 Corona-Täuschkörper: Neues Medikament aus Deutschland vor klinischer Testphase

05. Mai 2022, 11:54 Uhr

Die deutsche Biotechfirma Formycon entwickelt ein Corona-Medikament, das schwere Verläufe lindern und Infektionen verhindern soll. Versuche mit Tiermodellen waren erfolgreich, nun steht die klinische Phase bevor.

Immer wieder weicht Sars-Coronavirus-2 durch Mutationen den bei Impfungen oder Infektionen gebildeten Antikörpern aus. Neue Virusvarianten mit leichten Veränderungen am Spikeprotein führen dazu, dass alte Antikörper nicht mehr binden und die Viren menschliche Zellen wieder infizieren können. Im Verlauf der Pandemie haben diese Mutationen immer wieder für Rückschläge gesorgt und neue monoklonale Antikörper wirkungslos oder Impfstoffe schwächer gemacht. Bei dem biotechnologisch hergestellten Fusionsprotein, das die Firma Formycon entwickelt, ist diese Gefahr sehr viel geringer.

ACE-2 Täuschkörper gegen Corona

Formycon hat ein ACE-2 Molekül entwickelt und mit einem Teil eins menschlichen Antikörpers verbunden. Dadurch entstand ein sogenanntes Fusionsprotein. ACE-2 ist ein Enzym, das eigentlich auf der Oberfläche menschlicher Zellen sitzt und eine Art Ankerpunkt und damit Eintrittspforte für Corona darstellt. Coronaviren binden mit ihren Spikeproteinen an das ACE-2 und bekommen so Zugang zu den Zellen, in denen dann das Virus vermehrt wird.

Das Formycon-ACE-2 dagegen soll in Blut und Gewebe wie ein Täuschkörper für die Viren wirken. Die Bindung an das Fusionsprotein blockiert die Viren und verhindert ihren Zelleintritt. Durch den mit dem ACE-2 verschmolzenen Antikörperteil wiederum sind die Viren für die Fresszellen des Immunsystems markiert. Zudem stabilisiert der Antikörper das Eiweiß.

Medikament wirkt gegen alle bisher bekannten Varianten von Sars-CoV-2

Solange das Virus über ACE-2 in die menschlichen Zellen gelangt, solange ist auch das Fusionsmolekül wirksam. Eine Mutation, die das Virus immun dagegen macht, würde dem Erreger zugleich diesen Eintrittsweg nehmen und es dadurch wahrscheinlich für Menschen ungefährlich machen. Zudem wirkt das Fusionsmolekül auch gegen alle anderen Sars-Coronaviren, die ACE-2 als Eintrittspforte nehmen. Es ist also breit wirksam.

"Diese breite Wirksamkeit konnten wir inzwischen in einer ganzen Reihe von Versuchen belegen", sagt Nicolas Combé, Vorstand bei Formycon. Das Unternehmen, das eng mit der Münchner Virologin und Coronaexpertin Ulrike Protzer kooperiert, ist mit dieser Idee zudem nicht allein. Vor kurzem zeigte auch eine japanische Forschungsgruppe im Fachjournal Science Translational Medicine, dass ein ACE-2 als Täuschkörper gegen alle möglichen Virusvarianten wirkt.

Antikörpersektion macht Protein langlebiger

Bei den Versuchen mit Tiermodellen zeigte sich allerdings eine Schwierigkeit: Die natürlichen Prozesse im menschlichen Körper bauten lösliches ACE-2 ohne Antikörperteil innerhalb weniger Stunden ab. Um wirksam zu sein, müssten Patienten also ständig neuen Wirkstoff erhalten – also permanent über einen Tropf an Infusionen angeschlossen bleiben.

Die Entwickler bei Formycon wollten eine deutlich längere Wirksamkeit erreichen, am besten über Tage oder mehrere Wochen. "Hier besteht ein entscheidendes Differenzierungsmerkmal unseres Ansatzes", sagt Combé. Denn durch die entsprechende Anpassung des Antikörperteils des Fusionsproteins könne dessen Abbau im Körper erheblich verlangsamt werden.

Entscheidende Daten im Mai erwartet

Damit soll der Wirkstoff nicht nur für die Therapie von bereits erkrankten Patienten einsetzbar sein sondern auch präventiv wirken, zur sogenannten passiven Immunisierung. Patienten, die aufgrund eines geschwächten Immunsystems keine eigenen Antikörper bilden können, könnten mit einigen Dosen des Medikaments vor einer Ansteckung geschützt werden, so die Hoffnung der Entwickler.

Im vergangenen halben Jahr haben die Entwickler dafür das Fusionsprotein angepasst. "Wir erwarten in Kürze ein Datenpaket, das dann die Grundlage für die nun anstehenden klinischen Tests mit menschlichen Patienten sein soll", sagt Combé. Erfüllten die Daten die Erwartung, will Formycon auch Gespräche mit potenziellen Partnern beginnen, die das Medikament dann weiterentwickeln, in großem Maßstab herstellen und global vermarkten können.

Ein erfolgreicher Wirkstoff könnte noch jahrelang Leben retten

Selbst wenn bis zur Marktreife noch einige Zeit vergehen wird, die ständige Entstehung neuer Virusvarianten und neuer Infektionswellen zeigt: Der Bedarf nach einem breit und lang wirksamen Medikament gegen Corona bleibt. Ist die Entwicklung erfolgreich, wird das Fusionsprotein auch in einer endemischen Phase noch viele Leben retten können.

(ens)

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