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Nach der Pandemie wollen wir zwar nicht mehr bei Freunden, aber doch bei Fremden ein bisschen mehr Abstand als früher. Bildrechte: imago images/Westend61

Persönliche WohlfühlzoneWünschen wir uns nach der Pandemie mehr Abstand?

15. Juni 2021, 16:00 Uhr

Wie viel Platz wir um uns herum brauchen, um uns unter Fremden wohl zu fühlen, könnte sich während der Corona-Pandemie verändert haben. Einer aktuellen Studie zufolge könnte es bei vielen Deutschen deshalb auch nach der Pandemie weiterhin heißen: Bitte etwas mehr Abstand halten! Nicht ganz so viel wie momentan, aber dennoch hätte es Einfluss auf unser soziales Miteinander, sagt ein Forschungsteam der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und der Ludwigs-Maximilians-Universität München.

Bei großen Konzerten Schulter an Schulter stehen, im Club auf engstem Raum mit Fremden tanzen oder sich im Fußballstadion bei einem Tor mit Umstehenden in die Arme fallen: Nach so einem "normalen" Miteinander und sozialen Events sehnen sich derzeit viele Menschen. Doch in Pandemie-Zeiten - undenkbar! Haben die Abstandsregeln zur Eindämmung der Pandemie unser soziales Verhalten vielleicht nachhaltig verändert?

Wollen wir größere Wohlfühlzonen?

Die Studienergebnisse eines Forschungsteam der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und der Ludwig-Maximilians-Universität München weisen auf eine mögliche Verhaltensänderung hin: Demnach könnten viele Menschen auch nach einem Ende der Corona-Pandemie darauf achten, einen größeren Abstand zu anderen Menschen zu halten als vor der Pandemie. Die Forschungsergebnisse sind in der Fachzeitschrift Scientific Reports publiziert worden.

Das Forschungsteam hat für die Studie insgesamt 136 deutsche Probandinnen und Probanden getestet. Sie haben bereits im Frühjahr vergangenen Jahres - also im ersten Lockdown - die erste Testreihe absolviert. In einem Online-Test mussten sie markieren, welche Entfernungen von einem Menschen sie bevorzugen - grafisch dargestellt mit einer menschlichen Silhouette. Die Probandinnen und Probaden mussten anklicken, welchen Abstand sie vor der Pandemie, währenddessen und danach favorisieren würden. Dieser Test wurde dann noch einmal im August und im Oktober wiederholt.

Lieber 20 Zentimeter mehr

Die Analyse der bevorzugten Abstände ergab drei verschiedene Werte: Vor der Pandemie betrug der durchschnittliche favorisierte Abstand rund 1,20 Meter - eine Zahl, die das Forschungsteam erwartet hatte, denn das entspricht ziemlich genau den Ergebnissen früherer Studien. Demnach halten die Menschen einen so großen Wohlfühl-Abstand zu ihnen unbekannten Menschen. Doch der steigerte sich erwartungsgemäß in der Pandemie: Währenddessen bevorzugten die Probandinnen und Probanden durchschnittlich rund 1,80 Meter Abstand. Der Wert liegt also sogar deutlich über dem vorgegebenen 1,50 Metern Mindestabstand. "Diese Ergebnisse hatten wir so oder so ähnlich erwartet“, sagt Dr. Christoph Freiherr von Castell vom Psychologischen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Ungewöhnlich für das Forschungsteam war eher die Zahl, die sich für die Zeit nach der Pandemie als Wohlfühl-Abstand herauskristallisierte:

Überrascht hat uns aber, dass die Probandinnen und Probanden angaben, nach einem eventuellen Ende der Pandemie einen Abstand von durchschnittlich rund 140 Zentimetern zu anderen Menschen zu bevorzugen, also einen größeren Abstand als vorher.

Dr. Christoph Freiherr von Castell, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Zwanzig Zentimeter mehr zischen den Menschen haben Folgen für soziale Interaktionen. Bildrechte: imago images / Westend61

Werden also 1,40 Meter Abstand zu anderen Menschen das neue "normal"? Ganz sicher ist das noch nicht, immerhin merken die Forschenden auch in ihrer Studie an, dass der Wohlfühl-Abstand sich flexibel an die jeweilige Situation anpasse. Sollten viele Menschen auch nach einem Ende der Pandemie tatsächlich darauf achten, größeren Abstand zu wahren, könnte das tatsächlich Folgen haben, meinen die Forschenden - auch, wenn zusätzliche zwanzig Zentimeter nicht nach besonders viel klingen. Dennoch, erläutert Studienleiter Dr. Robin Welsch, hätte das unter anderem Folgen für die zwischenmenschliche Kommunikation: "Zum Beispiel müsste man bei größerem Abstand lauter sprechen, um verstanden zu werden, und feine Nuancen der Mimik wären möglicherweise nicht mehr so gut zu erkennen."

(kie)

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