Porträt von Prof. Uwe Janssens: Mann mit kurzen, grauen Haaren, ohne Bart und Brille, mit weißem Kittel. Hintergrund gelblich, unscharf mit Muster und Dreiecken.
DIVI-Präsident Uwe Janssens Bildrechte: MDR/Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI)

Mehr Neuinfektionen, mehr Intensivpatienten Sind Lockerungen zu Weihnachten falsch?

03. Dezember 2020, 15:31 Uhr

Nach dem Höhepunkt Mitte November mit täglichen Neuinfektionszahlen jenseits der 20.000 sah es zuletzt nach leichter Entspannung aus. Bis heute. Da vermeldete das RKI 22.046 Neuinfektionen für den gestrigen Tag. Intensivmediziner stellen den "Lockdown light" in Frage.

Wenn es nach Prof. Uwe Janssens ginge, dann sollten möglichst viele Bundesländer wie Berlin handeln und von Weihnachtslockerungen absehen. Uwe Janssens ist Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und damit so etwas wie Sprecher aller Intensivmediziner. Die Angst vor zu starken Lockerungen äußerte er heute auf dem 20. Kongress der DIVI, der virtuell abgehalten wird.

Schon den derzeitigen "Lockdown light" (und seine Einhaltung) findet Janssens nicht streng genug, weitere Lockerungen über Weihnachten machen ihm Angst. Und das liegt vor allem an den aktuellen Infizierten-Zahlen.
22.046 neue Infektionen an nur einem Tag vermeldete das RKI. Nach einer Entspannung der Lage sieht das nicht aus.

Die Rechnung aus intensivmedizinischer Sicht ist einfach: Schon nach konservativen (eher niedrigen) Statistiken und Schätzungen landet jeder hundertste Infizierte nach etwa zehn bis zwölf Tagen auf der Intensivstation. Von den 22.046 neuen Infizierten wären das also rechnerisch mindestens 220, mit denen es Janssens und seine Kollegen auf Deutschlands Intensivstationen in etwa zwei Wochen zu tun bekommen. Und dann kommen ein Prozent der Neuinfizierten von morgen dazu, dann ein Prozent von übermorgen, und so weiter und so fort.

Covid-19-Patienten sind anders

Noch gibt es Puffer, also freie und betreibbare Betten. Aber immer weniger. Und das liegt nicht nur an der Zahl der neu hinzukommenden Patienten, sondern vor allem an zwei Faktoren, die Covid-19-Fälle so anders machen, als Intensivmediziner es vorher kannten.

Covid-19-Patienten liegen im Durchschnitt deutlich länger auf der Intensivstation als andere Patienten, dementsprechend hoch bleibt die Auslastung. Und Covid-19-Patienten binden auch viel mehr Pflegepersonal. Bauchlagerung, Überwachung von Patient und Messwerten, Infektionsschutz – all das ist so viel zeitintensiver als bei anderen Patienten, dass es sich erheblich auf die Zahl der als "frei und betreibbar" gemeldeten Betten auswirkt.

Die Kliniken sind angehalten, nur solche Betten als frei zu melden, für die auch genügend Personal zur Verfügung steht. Und dabei erklärt sich eine vermeintlich beruhigende Teilstatistik, die aber eben trügerisch ist: Die gemeldeten Daten zeigen, dass die Gesamtzahl aller Intensivpatienten kaum oder gar nicht zunimmt.

Aber daraus abzuleiten, dass dann auch die Zahl der freien (und betreibbaren!) Betten gleich bleiben müsste, ist falsch. Je höher der Anteil an Covid-19-Patienten ist, umso mehr Personal ist gebunden, und umso weniger weitere Betten können betrieben werden.

Prof. Uwe Janssens fordert von verantwortlichen Politikern, die Krankenhäuser durch die Krise zu führen. Damit meint er einerseits, dass der Regelbetrieb der Kliniken (abseits von Covid-19) immer weiter heruntergefahren werden sollte, ohne finanzielle Einbußen für die Häuser. Und andererseits, dass man die Weihnachtslockerungen dringend überdenken sollte. In Nordamerika waren die Familienfeiern zu Thanksgiving ein Multiplikator der Infizierten-Zahlen. Wenn es in Deutschland zu Weihnachten ähnlich viele "Superspreader-Events" gibt, dann wird man Anfang oder Mitte Januar auf den Intensivstationen das Ergebnis sehen.

Jeder Zweite gestorben

Und was das dann wiederum für jeden Einzelnen bedeuten kann, machte gestern Janssens' Kollege Prof. Christian Karagiannidis auf dem virtuellen DIVI-Kongress klar. In einer Studie wurden die Daten der ersten Corona-Welle im Frühjahr ausgewertet. Ergebnis: Jeder Zweite, der mit Covid-19 auf die Intensivstation kam, hat sie nicht mehr lebend verlassen.

(rr)

8 Kommentare

Karin am 08.12.2020

Ich stimme dem Ministerpräsidenten zu. Die Verschärfungen sind leider notwendig, da gerade die Coronaleugner eine Mitschuld an den gegenwärtigen steigenden Zahlen haben! Wenn manche Menschen einfach nicht verstehen, dass auch Sie eine Verantwortung für Ihre Mitmenschen haben, dass Risikopatienten sich kaum noch aus dem Haus trauen und Andere ohne Maske und feiernd durch die Straßen laufen, muss Schluß sein! Denkt auch an die Mitarbeiter/innen in der Pflege, die Verkäuferinnen, Reinigungskräfte usw,, die auch Familie zu Hause haben! Auch wenn es schwer fällt, aber schärfere Maßnahmen sind unumgänglich! Bleibt Alle gesund und gehen wir gemeinsam diesen Weg!

pfinger am 07.12.2020

Die Politiker sollten endlich mit "ihrer Gefühlsduselei" wegen Weihnachten aufhören. Ich schließ mich dem Weltärztepräsidenten Montgomerie an. Sie sind mit dieser Gefühlsduselei mitverantwortlich mit den hohen Sterbefällen durch Corona.

pepe79 am 07.12.2020

Verschärfingen ok aber bitte mit dazugehöriger Landtagsdebatte und nur die Maßnahmen die einen Effekt erwarten lassen. Sowie verpflichtende Antigen Schnelltests in bestimmen Beteuchen mit unterstützender Durchführung der kommunalen Beamten, die wären viel besser dort eingesetzt als in der Konzeolle einer Maskenpflicht unter freien Himmel.
Weitergin zwingender Mindestabstand im ÖPNV von mind. 1 m wie es aich in Österreich akruwll besteht.