Infektionskrankheit COVID-19Bekommen wir noch dieses Jahr einen Corona-Impfstoff?
Erst hieß es, dass es mindestens anderthalb Jahre dauern dürfte, bis ein Impfstoff gegen das Coronavirus SARS-Cov-2 vorhanden sein könnte. Nun die Meldung: Das Tübinger Pharmaunternehmen CureVac will schon im Herbst liefern können. Klinische Tests würden demnach ab Frühsommer angestrebt. Fakt ist: So schnell wie jetzt ging die Entwicklung eines neuen Impfstoffs noch nie. Aber wie kann das sein? Und wie wird so ein Impfstoff eigentlich entwickelt?
Noch vor ein paar Jahren sei alles anders gewesen, sagt Rolf Hömke vom Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa). Hätte man ihn da gefragt, wie lange es dauert, einen Impfstoff neu zu entwickeln, hätte er geantwortet: 15 bis 20 Jahre. Das war die Erfahrung, die man damals hatte, so Hömke. Doch seither sei aber viel passiert.
Die Techniken haben sich enorm weiterentwickelt. Außerdem haben sich eine Reihe Unternehmen vorbereitet auf so einen Fall, indem sie sozusagen Prototyp-Impfstoffe entwickelt haben, ohne einen bestimmten Erreger im Blick zu haben. Solche Prototyp-Impfstoffe können dann, wenn ein bestimmter Erreger kommt, auf den angepasst werden.
Dr. Rolf Hömke, Forschungssprecher vfa
Erste Stoffe werden bereits an Menschen getestet
Außerdem gebe es ja schon einiges an Vorarbeit: Auch bei SARS und MERS – den Verwandten des neuen Coronavirus – wurde ja schon an Impfstoffen geforscht. Umso schneller geht es jetzt, erläuterte auch die Hamburger Infektiologie-Professorin Marylyn Addo dem ZDF. Die ersten Stoffe gehen demnach bereits in die Tests am Menschen. Auch ihr Team arbeite mittlerweile mit einer Art Baukasten-System. Das sei eine Lehre, die man aus der Ebola-Epidemie gezogen habe, um schneller reagieren zu können:
Man hat damals dann gewisse Erreger beschrieben und gesagt: Für die entwickeln wir jetzt proaktiv Impfstoffe. Und es wurden Impfstoff-Plattformen entwickelt – so verschiedene Konstrukte, die man halt nehmen kann wie bei einem Lego-Baustein und sagen: Heute brauchen wir Krankheit X oder Covid und dann machen wir einen Covid-Baustein da rein. Somit sind wir schon viel schneller, als wir vielleicht vor zehn Jahren gewesen wären
Prof. Marylyn Addo, UKE Hamburg
In 47 Projekten wird an einem Impfstoff gearbeitet
Etwa ein Jahr brauche die Entwicklung trotzdem. Addo rechnet deshalb erst Mitte kommenden Jahres damit, dass Impfstoffe in die Massenherstellung gehen. Insgesamt wird derzeit in 47 Projekten an so einem Impfstoff gearbeitet, sagt Hömke vom vfa.
Der Weg von einem Erreger zu einem zugelassenen Impfstoff sei lang und umfasse mehrere Schritte. Erstens: Den Erreger genau analysieren und klären, was genau eine Abwehrreaktion beim Menschen auslöst.
Wenn Sie das wissen, dann können Sie in die Etappe zwei gehen: das Design des Impfstoffs. Sie müssen also entscheiden: Was kommt in diesen Impfstoff rein? Welche Zusatzstoffe brauchen Sie eventuell usw.?
Dr. Rolf Hömke
Ist ein Impfstoff-Kandidat gefunden, werden als nächstes in der sogenannten Prä-Klinik-Phase Tiere damit geimpft. So können Wirksamkeit und Verträglichkeit ein erstes Mal getestet werden. Sehe das gut aus, könne mit der Erprobung an Menschen begonnen werden – den klinischen Tests, so Hömke. In der Klinik werde untersucht, ob der Impfstoff vertragen werde und wie wirksam er sei.
Wirksam heißt in diesem Falle natürlich zum einen: Wie gut ist die Immunreaktion, die sie im Körper messen können? Aber noch wichtiger eben: Werden die Personen, die geimpft wurden, tatsächlich nicht krank? Dafür müssen Sie natürlich eine ganze Weile beobachten, denn Sie werden natürlich viele impfen und soundso viele davon werden gar keine Gelegenheit haben sich anzustecken, andere hingegen schon. Aber das wissen Sie ja vorher nicht. Deswegen müssen Sie diese Gruppe von Geimpften über eine längere Zeit beobachten.
Dr. Rolf Hömke
Läuft auch das erfolgreich, folgt die Zulassung: Die muss bei den Behörden beantragt werden. Zuständig dafür ist die Europäische Arzneimittelbehörde EMA, die in der Regel etwa sieben Monate für einen Antrag braucht. Doch auch das dürfte im Fall des Corona-Impfstoffes wohl deutlich schneller gehen als bisher.
Kommentare
{{text}}