Eine neugierig schauende Weißwedelhirschkuh auf einer Wiese in Kanada.
Weißwedelhirsche stecken sich gegenseitig mit Corona an und bilden so einen neuen Reservoirwirt für das Virus. (Archivbild) Bildrechte: IMAGO / agefotostock

Sars-CoV-2 Weißwedelhirsche übertrugen Corona auf Menschen

09. März 2022, 14:30 Uhr

Das Coronavirus kann Artgrenzen überwinden: Omikron entstammt möglicherwiese Mäusen und in Kanada beschreiben Forscher jetzt einen ersten Fall, in dem ein Weißwedelhirsch einen Menschen infiziert hat.

Bei der Entstehung neuer Varianten des Coronavirus könnten Tiere eine größere Rolle spielen als bislang angenommen. Während eine Studie chinesischer Forscher bereits im Januar Mäuse als möglichen Ursprung von Omikron identifizierte, haben kanadische Forscher nun eine neue Variante beschrieben, die sich unter wildlebenden nordamerikanischen Weißwedelhirschen ausbreitet und die mindestens einmal wohl auch schon auf einen Menschen zurückübertragen wurde.

Zwar scheint die Hirsch-Variante nicht besonders gefährlich für Menschen zu sein, doch die hohe Anzahl an Mutationen gegenüber dem Wuhan Wildtyp zeigt, wie stark sich Sars-Coronavirus-2 durch weitere Reservoirwirte verändern könne, so das Team von Wissenschaftlern um Bradley Pickering vom kanadischen Zentrum für Tiergesundheit und Sicherheit von Lebensmitteln.

Hirsch Variante: Noch mehr Mutationen als Omikron

Die kanadischen Forscher hatten während der Jagdsaison im November und Dezember 2021 bei rund 300 Weißwedelhirschen Proben genommen. Alle Tiere hatten im Südwesten des Bundesstaates Ontario gelebt, nahe der Grenze zum US-Bundesstaat Michigan und der Großstadt Detroit. Bei insgesamt 21 Proben konnten die Wissenschaftler das Virus nachweisen. In drei Fällen war die Qualität des festgestellten Viruserbguts so gut, dass eine Genomanalyse möglich war.

Die zeigte, dass sich das Virus stark verändert hatte seit seiner wahrscheinlichen Übertragung vom Menschen auf die Tiere über ein Jahr zuvor. Gegenüber dem ursprünglichen Virus aus dem chinesischen Wuhan wies es 76 Mutationen auf und immerhin noch 49 gegenüber dem nächsten bekannten genetischen Verwandten.

37 dieser Veränderungen waren bereits bei anderen Tierwirten beobachtet worden, wiederum 23 davon allerdings noch nie bei Hirschen. Zum Vergleich: Die Omikron Variante weißt 59 Mutationen auf, davon 37 am Spikeprotein, die Omikron erlauben, bereits aufgebaute Immunität teilweise zu umgehen.

Hirsch-Variante kann durch menschliche Antikörper neutralisiert werden

Die engsten Verwandten der Hirschviren fanden die Forscher in menschlichen Proben, die im Herbst 2020 im US-Bundesstaat Michigan genommen worden waren. Dort hatte es wie zu dieser Zeit in Europa auch in Nerzfarmen Sprünge des Virus zwischen Tieren und Menschen gegeben. Die damals beobachteten Viren wiederum seien verwandt mit denen, die jetzt bei den Hirschen gefunden wurden, schreiben die Forscher.

Ebenfalls fanden sie eine Virusinfektion bei einem Menschen, der sich mutmaßlich im August 2021 bei einem Hirsch angesteckt haben könnte. Laut den Wissenschaftlern soll die Person engen Kontakt zu den Tieren gehaben haben. Die bei ihm gefundenen Viren seien denen der Hirsche sehr ähnlich. Weitere Ansteckungen von Menschen wurden bislang allerdings nicht festgestellt.

Beruhigen konnten die Forscher auch hinsichtlich der Gefährlichkeit der Hirsch-Variante. Diese konnte bei Neutralisationstests durch die Antikörper von Geimpften gut bekämpft werden. Die Mutationen bei der Viruslinie dienen wahrscheinlich also eher einer Anpassung an die neuen Wirte, als einem Immunescape bei Menschen.

Sars-Coronavirus-2 kann inzwischen rund 30 Arten befallen

Die Arbeit liefert jedoch einen weiteren wichtigen Beleg dafür, dass die Forschung zum Virus künftig deutlich artübergreifender vorgehen sollte. Sars-CoV-2 erweist sich ganz klar als ein Erreger, der die Grenzen verschiedener Spezies überwinden kann. Inzwischen umfasst die Liste bekannter Wirte unter den Säugetieren neben den Menschen insgesamt 29 weitere Arten, darunter zahlreiche Haus- und Nutztiere.

(ens)

1 Kommentar

Brigitte Schmidt am 09.03.2022

Allemal besser als weiter die Labortheorie bedenken zu müssen...