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Covid-19Nach der Zulassung: Sollten auch Kinder gegen Corona geimpft werden?

26. November 2021, 16:31 Uhr

Der Corona-Impfstoff von Biontech ist nun auch für Fünf- bis Elfjährige zugelassen. Doch EU-Zulassung heißt noch nicht Empfehlung für Deutschland. Auf die aktuelle vierte Welle würde die Impfung noch keine Auswirkungen haben können, so Experten heute (26. November) in einem Pressegespräch.

Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) hat am 25. November den Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer auch für Kinder zwischen fünf und elf Jahren zugelassen. Die Ständige Impfkommission (Stiko) berät derzeit noch über eine Empfehlung für Deutschland, in den USA wurden dagegen schon rund drei Millionen Kinder unter zwölf Jahren geimpft. Vor Weihnachten soll es auch hierzulande mit der Impfung für sie losgehen. Damit verbunden sind einige Fragen, die sich besonders die Eltern der Jungen und Mädchen stellen.

Bei einer virtuellen Presserunde des Science Media Center (SMC) gaben zwei Experten und eine Expertin dazu Antworten: Prof. Fred Zepp (ehemaliger Direktor des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin in Mainz und Mitglied der Stiko), Prof. Philipp Henneke (Leiter der Sektion für Pädiatrische Infektiologie und Rheumatologie am Universitätsklinikum Freiburg) und Dr. Berit Lange (Leiterin der Klinischen Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung).

Reichen die Studiendaten aus, um nach der Zulassung auch eine Empfehlung aussprechen zu können?

An der Zulassungsstudie haben rund 2.500 Kinder teilgenommen, 1.800 von ihnen erhielten dabei den Impfstoff. Die Menge der gebildeten Antikörper war bei ihnen ähnlich hoch wie bei den Zwölf- bis 18-Jährigen, für die bereits seit August 2021 eine Impfempfehlung der Stiko vorliegt. "Die Immunantwort ist bei kleineren Kindern also nicht unterlegen", erklärt Prof. Zepp. Die Wirksamkeit bestand bei ihnen ebenfalls bei rund 90 Prozent. Allerdings lag der Beobachtungszeitraum nur bei zwei Monaten. Für die Bewertung von möglichen Nebenwirkungen wie einer Myokarditis sei das noch zu kurz. "Zulassung heißt nicht Empfehlung", betont Fred Zepp, denn bei einer Zulassung wie etwa durch die Stiko werde auch geprüft, für welche Personengruppen eine Impfung auch wirklich hilfreich sei. Dies ist letztlich eine Abwägung zwischen den Vorteilen einer Impfung und den möglichen Nachteilen durch Nebenwirkungen. Besonders die Situation in den USA, wo seit Anfang November auch unter Zwölfjährige geimpft werden, wird nun intensiv beobachtet.

Wie entwickelt sich aktuell die Corona-Pandemie bei kleineren Kindern?

Laut Prof. Henneke berichten Kinderärzte schon von einigen kleineren Covid-Patienten, in den Krankenhäusern spielen sie derzeit noch keine Rolle – trotz der vielen Fälle. Komplikationen in Folge einer Corona-Infektion kommen bei ihnen in der aktuellen Welle offenbar sogar etwas seltener vor. "Man muss einfach sagen, dass es für Kinder eine eher milde Erkrankung ist", erläutert der Experte. Bei anderen Erkrankungen der Atemwege, wie etwa durch das RS-Virus, erlebten er und seine Kollegen viel häufiger schwere Verläufe. "Es gibt für das einzelne Kind wenig zu gewinnen, deswegen muss der Impfstoff über jeden Zweifel erhaben sein", betont Philipp Henneke.

Kann die Impfung für Unter-Zwölfjährige mit dazu beitragen, die derzeitige Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen?

In einer Modellierung für Zwölf- bis 18-Jährige durch die Stiko konnte gezeigt werden, dass durch die Impfung die Zahlen sowohl bei den Inzidenzen als auch den Hospitalisierungen und den Todesfällen zurückgehen – allerdings auf einem geringen Niveau zwischen fünf und zehn Prozent. Für die kleineren Kinder kam man in den USA auf ähnliche Werte, für Deutschland gibt es diese Untersuchung noch nicht. "Ein Effekt auch auf die Übertragungen ist zumindest für den Anfang sehr wahrscheinlich", sagt Berit Lange. Die Wissenschaftlerin weist zudem daraufhin, dass sich bei dem aktuellen Infektionsgeschehen besonders in den Gebieten mit hohen Inzidenzen sehr viele Kinder anstecken werden – und danach für einen gewissen Zeitraum immun sein werden. Dies müsse bei der Entscheidung der Stiko auch berücksichtigt werden.

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Sollten in Deutschland auch Erwachsenendosen an Kinder verimpft werden, ähnlich wie es derzeit Österreich handhabt?

Philipp Henneke spricht sich klar dagegen aus. Das Problem ist, dass nur eine sehr geringe Menge (0,1 Milliliter) injiziert werden muss, dazu ist die Alters- und damit auch Gewichtsspanne bei den Kindern relativ hoch. Das mache die Impfung für die Ärzte bei Kindern schwierig, solange noch keine speziellen Dosen für sie vorliegen. Daher könnte es sein, dass am Ende zu wenig Impfstoff bei den Kindern im Muskel ankommt und sie sich in falscher Sicherheit wiegen, erklärt sein Kollege Zepp: "Für Österreich mit seinen hohen Infektionszahlen mag dies aktuell sinnvoll sein, für Deutschland würde ich es für einen Schnellschuss halten."

Welche Kinder haben ein besonders hohes Risiko für einen schweren Covid-Verlauf?

Ein Faktor ist dabei Adipositas, wie sich auch schon in den USA deutlich gezeigt hat. Dazu kommen laut Prof. Henneke Lungen-Erkrankungen und Immunschwäche-Leiden, aber auch beispielsweise Trisomie 21. Insgesamt sei die Risikogruppe sehr heterogen, wie der Forscher erklärt.

Können die Impfungen für kleinere Kinder auch Schulschließungen verhindern?

Selbst wenn die Impfung sehr schnell starten würde, würde sie erst in einigen Wochen eine Wirkung zeigen und damit für die vierte Welle möglicherweise zu spät, antwortet Dr. Lange: "Da können wir nur hoffen, dass wir weiterhin ohne flächendeckende Schließungen auskommen". Die Folgen von Schulschließungen würden dabei auch von der Stiko in ihre Risikoabwägung bei der Impfempfehlung mit einbezogen, erklärt Fred Zepp. Letztlich seien die bisherigen Schließungen auch überzogen gewesen, da ein Großteil der Kinder asymptomatisch erkrankten und sie zudem viel häufiger als Erwachsene getestet werden, so der Experte. Durch die Impfungen wird es einen sinnvollen Schutz für einzelne Kinder geben, aber man sollte dies nicht mit den allgemeinen Auswirkungen auf die Pandemie vermischen, resümiert Philipp Henneke. Daten etwa aus Portugal und Dänemark mit sehr hohen Impfquoten deuten nämlich daraufhin, dass diese eher gering sein werden.

cdi

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